Reden wir über Geld: Regina Ziegler:Ein Leben unter Machos

Deutschlands erfolgreichste Produzentin Regina Ziegler über Männer im Filmgeschäft, 300 Euro Rente und Schauspieler als Quotenbringer.

A. Hagelüken u. H. Wilhelm

Als Regina Ziegler kam, gab es das im Filmbusiness so gut wie nicht: eine Produzentin. Man ahnt nur, wie es gewesen sein muss, sich neben all den dominanten Kerlen zu etablieren. Man kann es sich aber sehr gut vorstellen, nachdem man sich mit ihr unterhalten hat: tiefe Stimme, rollendes Lachen, klare Ansagen an die Besucher - sie wirkt inzwischen selbst etwas dominant. Aber hey, was hat sie alles geschafft: Über 400 Kino- und Fernsehfilme produziert, darunter "Solo für Klarinette", "Korczak" und "Kamikaze 1989". Das Museum of Modern Art in New York ehrte sie mit einer Rückschau, eine Ehre, die aus Deutschland nur noch Rainer Werner Fassbinder zuteil wurde. Im Frühjahr kommt ihr neuester Film ins Kino: "Henri 4", 19 Millionen Euro teuer.

Regina Ziegler, Schmeken

Regina Ziegler hat über 400 Kino- und Fernsehfilme produziert. Sie sagt über sich: "Ich habe ein klares und kein waberndes Gehirn."

(Foto: Foto: Regina Schmeken)

SZ: Frau Ziegler, reden wir über Geld. Als Sie 1973 als Produzentin anfingen, wie viele Frauen gab es da im Film-Geschäft?

Regina Ziegler: Keine. Es war die Wüste. Damals gab es für Frauen keine Karriere beim Fernsehen, schon gar nicht beim Sender Freies Berlin, wo ich arbeitete. Also machte ich mich als Produzentin selbständig. Aber ich hatte kein Kapital, sondern 10.000 Mark Schulden. Mein erster Film war "Ich dachte, ich wäre tot" mit dem Regisseur Wolf Gremm...

SZ: ... Ihrem Ehemann.

Ziegler: Damals lief noch nichts. Wir kamen uns später nahe, waren dann erst mal acht Jahre verlobt.

SZ: Acht Jahre verlobt? Sie lernten sich doch Anfang der siebziger Jahre kennen, als alle die sexuelle Befreiung ausriefen.

Ziegler: Auf jeden Fall funkte es bei uns. Nun wollen Sie auch noch wissen, wie, oder?

SZ: Klar.

Ziegler: Jetzt reden wir mal über Geld. Für meinen ersten Film brauchte ich 100.000 Mark, hatte aber nichts.

SZ: Also?

Ziegler: Ich pumpte Freunde an, meine Freunde, Wolfs Freunde. Manche wechselten die Straßenseite, wenn Sie mich sahen. Es dauerte zwei Jahre, bis ich alles zurückgezahlt hatte. Gottlob bekamen wir für unseren ersten Film Preise. Davon produzierten wir den zweiten.

SZ: Es heißt über Sie, dass Sie nicht mal aufgeben, wenn jemand drei Mal "Nein!" sagt. Sind Sie eine Nervensäge?

Ziegler: Ich gelte als charmant und hartnäckig. Und ich hatte nie ein Problem, mich bei Männern durchzusetzen.

SZ: Ist uns klar. Sie fingen 1936 an...

Ziegler: Waaas?

SZ: Äh, vor 36 Jahren...

Ziegler: Macht mich nur alt. So wird das nix mit dem Interview, Freunde.

SZ: Steht heute mehr oder weniger Geld für Filme zur Verfügung als, äh, vor 36 Jahren? Man hört aus dem Kulturbusiness immer nur Gejammer: Es gibt weniger Geld, die Deutschen werden doofer, alles wird schlechter...

Ziegler: Das finde ich gar nicht. Die Filmförderung ist mittlerweile sehr gut. Gut ist auch, dass man in geförderten Spielfilmen - auch in amerikanischen - deutsche Schauspieler einsetzen muss. Auf diese Weise wird einer wie Christian Berkel eine Weltkarriere machen wie einst Armin Mueller-Stahl.

SZ: Wie finanzieren Sie Ihre...

Ziegler: ...jetzt reden wir mal über meinen neuen Spielfilm. Das wird auch Zeit! Mein neuer Kinofilm "Henri 4" kostet 19 Millionen Euro. Für eine mittelständische Firma wie meine ist das ein ganz schöner Schluck aus der Pulle.

"Ich war schon häufiger Minus-Millionärin"

SZ: Wie kam es zu dem Film?

Reden wir über Geld: Regina Ziegler: "Moppel-Ich" handelt von einer gewichtigen Radio-Moderatorin.

"Moppel-Ich" handelt von einer gewichtigen Radio-Moderatorin.

(Foto: Foto: Ziegler Film)

Ziegler: Ich las Heinrich Manns Roman über König Henri IV. als Abiturientin. Es war für mich das, was später für andere die Fernsehserie "Dallas" war: Liebe, Lüge, Leidenschaft und Kampf für Gerechtigkeit. Ich hatte das Buch die ganzen Jahre im Hinterkopf. Meine Mutter wollte aber, dass ich ganz was anderes werde, Akademikerin. Sie wurde um ihre Jugend betrogen, war vier Tage und Nächte im Luftschutzkeller eingeschlossen, mit mir im Bauch und meiner fünfjährigen Schwester an der Hand. Sie flüchtete mit uns quer durch Deutschland aus Angst vor der russischen Armee. Nach dem Krieg musste sie Geld verdienen und ich wollte Jugendrichterin werden. Aber ich brach das Jurastudium nach einem Semester ab. Ab da gab's kein Geld mehr von meinen Eltern.

SZ: Sie wurden Produzentin. Wurde wenigstens aus Ihrer Schwester was Vernünftiges?

Ziegler (lacht): Ja, Steuerberaterin. In Regensburg.

SZ: Also, ein Film über Henri IV. waberte schon immer in Ihrem Kopf...

Ziegler: Nee, wabern gar nicht. Ich habe ein klares und kein waberndes Hirn.

SZ: Und wir dürfen das Wort auch nicht benutzen?

Ziegler: Sagen können Sie alles - aber bitte nicht im Zusammenhang mit mir.

SZ: Langsam verstehen wir, wie es den Männern geht, gegen die Sie sich durchsetzen. Wie kam es also zu "Henri 4"?

Ziegler: Der Stoff ist toll, Henri 4 war für Heinrich Mann ein Vorbild, ein Mann, der Krieg führte, um Kriege zu verhindern. Vor zehn Jahren hab' ich mich um die Rechte bemüht. Sieben Jahre arbeiteten Jo Baier und Cooky Ziesche am Drehbuch, bis wir alle zufrieden waren. Ich brauchte drei Jahre für die Finanzierung. Irgendwann kommt der Point of no return, da musste ich entscheiden: ja oder nein, egal, ob ich das Geld zusammenhab'. Diesmal fehlen 1,8 Millionen Euro, das ist mein Risiko. Viel Geld für eine Mittelstandsfirma. Dafür muss 'ne alte Oma ganz schön lang stricken.

SZ: Gehen Sie pleite, wenn der Film das Geld jetzt nicht einspielt?

Ziegler: Nein. Aber ich war schon häufiger Minus-Millionärin. Da muss ich halt eine Hypothek auf unser Haus aufnehmen oder so. So lebe ich seit 36 Jahren.

SZ: Welcher Film hat Sie fast ruiniert?

Ziegler: Bei über 400 Filmen kann ich das nicht sagen. (lacht) Nehmen Sie "Fabian" nach dem Roman von Erich Kästner. Der kostete sechs Millionen Mark, 1978. Die Finanzierung platzte kurz vor Drehbeginn. Ich nahm hohe Kredite auf. Zum Glück war der Film sehr erfolgreich und oscarnominiert. Mitte der Achtziger hatte ich zwei Millionen Schulden, die zahlte ich langsam ab.

SZ: Wie hoch ist Ihre Rente?

Ziegler: Wollt ihr mich wieder alt machen? Aber stimmt, ich bin ja 65. Ich kriege 308 Euro im Monat. Das reicht für ein bis zwei Charterflüge nach Mallorca.

SZ: Haben Sie sonst nichts im Alter?

Ziegler: Doch natürlich. Ziegler Film gehören die Rechte an etwa180 Filmen.

SZ: Gibt es deutsche Schauspieler, die einen Erfolg garantieren?

Ziegler: Es hängt nicht nur an den Schauspielern. "John Rabe", ein toller Film mit einem tollen Ulrich Tukur, hat nicht gut funktioniert. Erfolgreich sind dagegen etwa die Filme "Keinohrhasen" und der "Baader Meinhof Komplex".

Schauspieler, die Quote bringen

Reden wir über Geld: Regina Ziegler: In "Solo für Klarinette" verliebt sich ein Kommissar (Götz George) in die Verdächtige (Corinna Harfouch).

In "Solo für Klarinette" verliebt sich ein Kommissar (Götz George) in die Verdächtige (Corinna Harfouch).

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Sehr unterschiedliche Filme.

Ziegler: Wichtig ist erst mal, ob ein Film in die Zeit passt. "Henri 4" - denken wir - passt in die Zeit. Es geht um Glaubenskriege, das heißt, den fatalen Einfluss von extremen Religionsführern. Außerdem ist "Henri 4" eine Geschichte von Humanismus und Toleranz. Für mich ist er ein Vorbild und ein Held.

SZ: Ganz ehrlich: Sie haben doch keine Ahnung, ob ein Kinofilm laufen wird.

Ziegler: Wenn das einer wüsste, würde der in Hollywood mit Gold aufgewogen. Wissen tut es keiner. Aber man kriegt ein Gefühl dafür. Im Fernsehen noch mehr. Da wissen Sie: Mit gewissen Schauspielern sind Sie immer vorne.

SZ: Mit wem?

Ziegler: Zum Beispiel Christine Neubauer, Christiane Hörbiger, Ruth Maria Kubitschek, Maria Furtwängler, Veronica Ferres, Hannelore Hoger, Joachim Król, Hardy Krüger Jr., Erol Sander. Die Erfahrung habe ich. Der Marktanteil von ARD und ZDF liegt normalerweise zwischen 13 und 14 Prozent, unsere Produktionen meist bei 17 bis 23 Prozent. Und "Moppel-Ich" hatte 8,2 Millionen Zuschauer.

SZ: "Moppel-Ich", ah ja. Der größte deutsche Nachkriegs-Regisseur heißt...

Ziegler: Für mich Rainer Werner Fassbinder. Der hat das halbe Jahr vor seinem Tod 1982 bei meinem Mann Wolf, meiner Tochter Tanja und mir gewohnt. Das kam so: Wir saßen beim Abendessen und er sagte: Nächste Woche ziehe ich bei euch ein. Dienstagabend war immer Dallas-Time, seine Lieblingsserie. Danach riefen wir Jane Fonda in den USA an, die ich ihm als Rosa Luxemburg vorgeschlagen hatte. Er sagte, das schaffst du nicht. Sie sagte zu. Den Film hat er nicht mehr geschafft, er starb ja mit 36. Mann, der stand immer so unter Strom. Er sagte immer: Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.

SZ: Was war Ihr erfolgreichster Film?

Ziegler: Künstlerisch oder kommerziell?

SZ: Wir sind vom Geld-Ressort.

Ziegler: Also das war "Fabian". 1980 einer der erfolgreichsten deutschen Filme. Einen Blockbuster, an dem der Produzent sechs bis acht Millionen verdient, hatte ich bis heute nicht.

SZ: Was bräuchte es mehr, um auf sechs bis acht Millionen zu kommen? Mehr Liebe? Mehr Sex? Mehr Blut?

Ziegler: In diesen Kategorien kann ich nicht denken.

SZ: Also gut: Was war Ihr größter künstlerischer Erfolg?

Ziegler: Natürlich "Kamikaze 1989" mit Rainer Werner Fassbinder von Wolf Gremm - ein internationaler Kultfilm. Und "Korczak" von Andrzej Wajda über einen Arzt im Warschauer Ghetto, der freiwillig mit 400 Kindern ins Konzentrationslager gegangen ist, um sie nicht im Stich zu lassen. Der Film bewegt mich auch jetzt noch nach 20 Jahren. Steven Spielberg hat ihn als Inspiration für "Schindlers Liste" genommen. Und er war finanziell auch kein Desaster. Andrzej bekam dafür den Oscar.

SZ: Das ist doch schön.

Ziegler: Aber es war kompliziert. Der Film war in Farbe geplant. Dann sagte Wajda: Regina, ich habe Material von einem schwarz-weißen Propaganda-Film der Nazis über das Ghetto bekommen, das die Nazis nie verwendeten, weil die Bilder so schrecklich waren. Andrzej wollte das verwenden und daher den ganzen Film in Schwarzweiß drehen. Ich musste zum Koproduzenten BBC. Der damals Verantwortliche wollte mir deswegen 75.000 Pfund abziehen. Das hätte ein Riesenloch gerissen.

SZ: Und?

Ziegler: Ich habe mich durchgesetzt.

SZ: Weil Sie nie ein Problem haben, sich bei Männern durchzusetzen.

Ziegler: Sozusagen. Aber das wollen wir jetzt nicht gleich zur Legende aufblasen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: