Reden wir über Geld (34): Peter Heesen:"Wir sind ein Volk von Prinzipienreitern"

Beamtenlobbyist Peter Heesen über Potenzhilfen für Staatsdiener, Pensionen wie Goldstaub und Power-Urlaub im Grand Hotel.

D. Esslinger und A. Hagelüken

Wer die opulente Deutschland-Zentrale des Beamtenbundes in Berlin betritt, denkt nicht unbedingt an eine Gewerkschaft. "Patienten möchten doch auch keinen Mediziner, der wie der Todesengel aussieht", sagt Gewerkschaftschef Peter Heesen. "Wir wollen gut aussehen, weil wir Nachwuchs brauchen." Mit knackigen Aussagen ist der oberste Lobbyist von 1,2 Millionen Beamten und Angestellten schon vorher aufgefallen. Im Gespräch fügt er seiner Sammlung ein paar Sprüche hinzu - über unglaubwürdige Politiker, faule Französischlehrer oder Bodenkontakte als Fünfjähriger.

Reden wir über Geld (34): Peter Heesen: Beamtenbund-Chef Heesen war einmal Lehrer für Deutsch und Geschichte.

Beamtenbund-Chef Heesen war einmal Lehrer für Deutsch und Geschichte.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Heesen, reden wir über Geld. Warum sind Sie überhaupt Beamter? Ihr Vater war selbständiger Bäcker.

Peter Heesen: Zu Hause gab es strenge Auflagen. Mit fünf Jahren musste ich Fahrradfahren lernen, damit ich um sechs Uhr morgens die Brötchen ausfahren konnte. Das ging im Oktober los und im Winter bin ich erst mal ständig auf die Schnauze geflogen.

SZ: Da haben Sie statt der Bäckerei einen lockeren Job beim Staat angepeilt.

Heesen: Nein, aber als Junge hatte ich gewisse Vermeidungsstrategien. Ich war Messdiener und habe mich immer für den Dienst bei der Frühmesse gemeldet - dann konnte ich die Brötchen nicht ausfahren. Weil wir aus einer sehr katholischen Familie kommen, konnte mein Vater dagegen schlecht was sagen. Aber letztlich war es er selbst, der mir vom Bäcker abgeraten hat. Das frühe Aufstehen um halb drei Uhr nachts - das ist nichts, Junge, hat er gesagt.

SZ: Was würden Sie verdienen, wenn Sie noch Lehrer für Deutsch und Geschichte wären wie früher?

Heesen: Wahrscheinlich wäre ich inzwischen zum Oberstudiendirektor befördert, da hätte ich 6500 bis 7000 Euro.

SZ: Und was verdient der oberste Beamtenlobbyist?

Heesen: Genug, um sich als gleichberechtigter Verhandlungspartner von Ministern und Staatssekretären zu fühlen.

SZ: Nicht schlecht. Ein Minister verdient 13.000 bis 14.000 Euro, ein Staatssekretär etwa 11.000.

Heesen: Das sagen Sie.

SZ: Frank Bsirske, der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, ist im Sommer auf Kosten der Lufthansa in die Karibik geflogen. Wo waren Sie im Urlaub?

Heesen: Ich wollte meiner Frau was Gutes tun, wir sind für neun Tage an die Ostsee nach Heiligendamm gefahren. Vielleicht war das ein kleiner Solidaritätsakt mit dem Frank Bsirske (lacht).

SZ: Solidaritätsakt? In dem Hotel, in dem Sie waren, kostet das Doppelzimmer 300 Euro, die Suite 400. Hat bei Ihnen auch die Lufthansa bezahlt?

Heesen: Nein, nein. Die neun Tage haben auch nicht viel mehr gekostet, als wenn wir woanders drei Wochen gewesen wären.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum die Beamten eine so schlechten Ruf haben - und warum sie nach der Meinung von Peter Heesen ihre hohen Renten verdienen.

"Wir sind ein Volk von Prinzipienreitern"

SZ: Was muss ein Gewerkschaftschef können, außer Einladungen zu Gratisreisen zu vermeiden?

Heesen: Das Wichtigste ist Glaubwürdigkeit. Unsere Mitglieder oder auch Politiker müssen den Eindruck haben: Was der sagt, ist verlässlich seine Position.

SZ: Geben Sie uns ein Beispiel.

Heesen: Ich habe mich vergangenes Jahr für die Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten ausgesprochen. Als es wegen der Diäten große Aufregung gab, wurde ich in die Talkshow Anne Will eingeladen. 37 Spitzenpolitiker, die gerade die höheren Bezüge beschlossen hatten, haben für die Sendung abgesagt. Auch der CDU-Mann Norbert Röttgen, der tags zuvor im Bundestag gesagt hatte: Wir dürfen uns nicht ducken. Das ist unglaubwürdig.

SZ: Sie haben die höheren Diäten doch nur verteidigt, damit Sie nachher in jedem Interview sagen konnten: Die Abgeordneten haben 9,4 Prozent mehr Gehalt für zwei Jahre bekommen. Das haben wir Beamte auch verdient.

Heesen: Sie mögen mich Schlitzohr nennen, aber es ist wirklich meine Meinung: Ich finde, dass man Politiker angemessen bezahlen muss, um die Besten zu bekommen.

SZ: Womöglich sind Sie mit den Politikern besonders mitfühlend, weil ihre Branche ähnlich beliebt ist. 61 Prozent der Deutschen fallen beim Stichwort "Beamte" nur deren Sonderkonditionen und Privilegien ein: Dass sie unkündbar sind, ganz feste Arbeitszeiten haben und hohe Pensionen erhalten.

Heesen: Es ist seltsam: Wenn nach den Berufen mit dem höchsten Ansehen gefragt wird, landen beamtete Feuerwehrleute, Krankenpfleger, Richter und Polizisten ganz oben. Doch der Beamte an sich ist unbeliebt. Das Klischee kommt noch aus der Zeit der preußischen Staatsreform im 19. Jahrhundert. Beamte standen immer für Eingriffsverwaltung, die einem was wegnimmt: Steuereintreiber, Polizisten, Gefängniswärter.

SZ: Es gibt einfach Unterschiede. Staatsdiener verdienen mitunter weniger als Beschäftigte von Unternehmen. Doch sie erhalten im Schnitt 2300 Euro Pension, während die Durchschnittsrente halb so hoch ist.

Heesen: Das hat viele Gründe. In der Wirtschaft bekommen viele zusätzlich eine Betriebsrente, die bei diesem Vergleich nicht auftaucht. Weil es unter Beamten mehr Akademiker mit höherem Einkommen gibt als im Schnitt der Bevölkerung, erhalten die natürlich höhere Altersbezüge. Und so weiter.

SZ: Wenn die Alterssysteme vergleichbar wären, weil die Beamten für ihre Pension Beiträge zahlten wie normale Rentenversicherte, gäbe es weniger Unverständnis für die Beamten. Und die Politik könnte die Lasten für die Pensionen von morgen nicht auf künftige Generationen verschieben - bis zum Jahr 2050 wachsen die jährlichen Pensionsausgaben von 25 auf 137 Milliarden Euro, schätzt das Institut der Deutschen Wirtschaft.

Heesen: Das können Sie vergessen. Der Staat müsste die Einkommen der Beamten erhöhen, damit sie daraus Beiträge fürs Alter abzweigen könnten und den Arbeitgeberbeitrag aufbringen. Gleichzeitig müsste er die Pensionen für die heutigen Ruheständler natürlich weiterbezahlen. Diese doppelte Aufgabe ist unfinanzierbar.

SZ: Kürzlich hat ein Beamter geklagt, die staatliche Krankenkasse sollte Viagra für ihn bezahlen. So macht sich eine Berufsgruppe beliebt.

Heesen: Ein paar Verrückte gibt es immer. Einer wollte mal, dass der Beamtenbund klagt, weil ihm Spritzen für Zahnschmerzen nicht bezahlt wurden. Eine Spritze kostete 50 Pfennig. Ich hab das zusammengerechnet, es ging um vier Mark 50. Die habe ich ihm geschickt. Ich bekam das Geld postwendend zurück, mit der Bemerkung: Hier geht es ums Prinzip! Es geht in Deutschland vielen immer ums Prinzip. Wir sind ein Volk von Prinzipienreitern.

Lesen Sie im dritten Teil Peter Heesens Haltung zu faulen Französischlehrern.

"Wir sind ein Volk von Prinzipienreitern"

SZ: Als Sie 2003 Ihr Amt antraten, haben Sie mit der Bemerkung Aufsehen erregt, es gebe auch faule Beamte. Warum haben Sie das gesagt?

Heesen: Unser Verband hatte beschlossen, dass Beamte teilweise nach Leistung bezahlt werden. Aber Sie können auf einem Gewerkschaftstag alles beschließen, bei den Mitgliedern ist das noch nicht angekommen. Also sagte ich öffentlich, dass engagierte Beamte mehr verdienen sollten und dauerhaft faule weniger.

SZ: Wie viele Beamte sind denn faul?

Heesen: Nicht mehr als in anderen Berufen. Auch bei mir früher in der Schule gab es welche. Ein paar, die es endlich zum Studiendirektor geschafft hatten, die Hände in den Schoß legten und sagten: Lass mal die Jungen strampeln.

SZ: In der freien Wirtschaft fliegen Faule schneller raus. Mein Französischlehrer las immer nur aus dem Buch vor. 25 Jahre später hat mein Neffe denselben Lehrer. Und? Er liest immer noch aus dem Buch.

Heesen: Die Schulleitung oder die Aufsicht können solche Lehrer disziplinieren. Sie müssen es nur tun.

SZ: Wie viele Mitglieder sind wegen Ihrer Bemerkung damals ausgetreten?

Heesen: Von 1,2 Millionen vielleicht 500 bis 700 Leute. Dafür sind junge Leute eingetreten, die sagten: Es ist modern, zuzugeben, was eh jeder weiß.

SZ: 2006 gab es 70 politische Beamte, die in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden waren, weil der Minister gewechselt hatte oder an ihnen sonst etwas auszusetzen hatte. Insgesamt kassierten sie fürs Spazierengehen 3,4 Millionen Euro. "Wir wälzen uns in Goldstaub", sagte einer. Finden Sie das richtig?

Heesen: Ich finde das britische System besser. Wenn der Premierminister verliert, verlässt er mit seinen Möbeln Downing Street Number Ten zur Hintertür. Zur Vordertür kommt sein Nachfolger herein. Und die Beamten bleiben.

SZ: Die Beamten könnten in Deutschland ja auch auf anderen Posten eingesetzt werden, auf denen sie nicht mehr so viel Verantwortung tragen und entsprechend weniger verdienen.

Heesen: Runter mit den Bezügen? Das geht bei Beamten nicht. Das ist das Alimentationsprinzip.

SZ: Kürzlich entschieden Richter, in Nordrhein-Westfalen könnte ein Beamter seine Führungsposition nicht verlieren, wenn er sie fünf Jahre innehatte. Egal, ob er noch gut ist. Das ist doch absurd.

Heesen: Wenn jemand fünf Jahre Chef einer Gruppe war, können Sie ihn doch nicht einfach wieder zurückstufen. Da ist er doch auch bei den Kollegen verbrannt.

SZ: In der freien Wirtschaft kommen solche Karriereknicks ständig vor.

Heesen: Ich finde das nicht zumutbar.

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