Reden wir über Geld: Patrick Broome:"Sich selbst vergessen, wenn der Kopf durchdreht"

Hund und Baum: Yogalehrer Patrick Broome über die Nähe von Leben und Tod, die Last des Besitzens - und wann Poldi einschläft.

Alina Fichter und Hannah Wilhelm

Fußball und Yoga? Bis vor kurzem wäre das so eine Kombination gewesen wie Motorradfahren und Müsli-Essen. Doch als Jürgen Klinsmann die deutsche Fußballnationalmannschaft trainierte, mussten die Spieler plötzlich den nach unten schauenden Hund machen. Und den Baum. Klinsmann blieb nicht lange. Aber Patrick Broome, 42, Yogatrainer aus München, ist immer noch da. Zeit für ein Gespräch.

Patrick Broome, 2010

Patrick Broome hatte mit der Expansion seines Yogacenters kein Glück, später trainierte er zweitweise die Fußballer des FC Bayern.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

SZ: Herr Broome, reden wir über Geld.

Broome: Das große Geld ist nicht mehr mein Thema. Bei mir ist das furchtbar in die Hose gegangen. Ich habe so viel verloren.

SZ: Womit?

Broome: Ich habe ja mein kleines Yogacenter in Schwabing, größer habe ich nie gedacht. Aber irgendwann kam eine Bekannte und wollte expandieren. Ich ließ mich darauf ein. Ich dachte, es wäre doch schön, mal viel Geld zu haben. Die Idee war nicht unmoralisch. Ich wollte in fünf, sechs großen deutschen Städten ein Center haben, mehr Lehrer ausbilden, Kleidung machen und die in einer Boutique verkaufen.

SZ: Ist es nicht anstößig, mit Yoga Kohle zu scheffeln?

Broome: Nein. Es ist nicht falsch, Geld zu haben. Nur: Viel Besitz zu haben, das widerspricht Yoga. Menschen mit Aktien sind nie glücklich. Irgendwelche verlieren immer gerade an Wert. Menschen mit Ferienhäusern sitzen in dem einen und machen sich Sorgen um das andere. Für mich wäre Geld eine Beruhigung, dass ich weiterarbeiten kann wie bisher und die Familie trotzdem versorgt ist.

SZ: Es ist aber schief gegangen?

Broome: Und wie. Ich habe das Berliner Center wieder dicht gemacht - und zahle nun die Schulden ab, 100.000 Euro. Ich kam dann zurück nach München, und dann ging es hier auch noch mit meinen Geschäftspartnern auseinander.

SZ: Das klingt nach einer Lebenskrise.

Broome: Es kam viel zusammen. Ich war auch sehr krank. Ich musste mich ein Jahr behandeln lassen. In Phasen, in denen man mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert wird und gleichzeitig ein Kind bekommt, da bewertet man plötzlich alles anders. Ich fand das "Größer, Schneller, Weiter" nicht mehr stimmig für mich. Deshalb habe ich mich von meinen Geschäftspartnern getrennt und mache jetzt nur noch mein kleines Studio in Schwabing. Ich merke, dass mein Leben ruhiger und besser wird.

SZ: Welche Krankheit haben Sie?

Broome: Lymphatische Leukämie. Deshalb musste ich eine Chemotherapie machen. Jetzt gleich sind die Abschlussuntersuchungen, es ist alles wieder gut. Aber die Diagnose war ein furchtbarer Schock.

SZ: Wann haben Sie davon erfahren?

Broome: Ich war im Kreißsaal bei meiner Frau. Ich bin nur kurz raus und da rief der Arzt auf dem Handy an und teilte mir mit, dass ich wohl Krebs habe. Ich saß da draußen und dachte, das darf nicht wahr sein. Dann rief mich die Hebamme, mein Sohn kam auf die Welt.

"Ich habe am Leben gehangen wie noch nie"

SZ: Leben und Tod so nah beieinander.

Broome: Aber genau das war der Antrieb, um weiterzuleben. Sonst hätte ich vielleicht gedacht: Okay, es soll so ein. Aber so wollte ich leben. Lange leben. Ich will ihn in die Schule bringen, mit ihm für das Abitur lernen und bei seiner Hochzeit dabei sein. Es kam in dem Moment, an dem ich so am Leben gehangen habe wie noch nie.

SZ: Hat Yoga Ihnen geholfen?

Broome: Wenn man im Yoga was lernt, dann ist es, sich selbst zu vergessen, wenn der Kopf durchdreht. Aber natürlich habe ich an allem gezweifelt. Seit ich Kind bin, lebe ich vegetarisch, ich habe noch nie geraucht, mich immer viel bewegt. Ich frage mich schon manchmal: Mein Gott, was habe ich denn so falsch gemacht? Das ist so ätzend. Andererseits denke ich mir: Ich habe immer gesagt, dass ich nicht so am Leben hänge. Nach dieser Erfahrung nun weiß ich: Das werde ich nie wieder sagen. Nie wieder.

SZ: Waren Sie wütend?

Broome: Eine kurze Zeit. Wegen der Ungerechtigkeit, die mir da widerfährt. Jetzt denke ich nach vorne. Die Chemo tötet den Krebs, aber heilen muss ich den Körper danach. Die Chemo macht so viel kaputt. Man übergibt sich und erkennt den eigenen Körper nicht mehr, aufgequollen vom Cortison, das Zahnfleisch blutet, all das. Jedes Mal war es wie ein kleiner Tod. Das ist jetzt vorbei, ich will nicht sterben. Jetzt will ich meinen Körper wieder aufbauen. Ja, es war eine spirituelle, eine gesundheitliche, eine finanzielle Krise. Aber ich würde sagen, ich bin jetzt schon ziemlich aus dem Loch herausgekrabbelt.

SZ: Und nun?

Broome: Ich unterrichte jetzt wieder mehr in meinem Studio. Ich werde weniger herumreisen. Gut, die Fußballspieler vom FC Bayern würde ich gerne wieder unterrichten, ich mag einige so gerne, Bastian Schweinsteiger zum Beispiel und Mark van Bommel und Daniel van Buyten, den Miro, den Philipp Lahm. Ach, viele dieser Spieler sind einfach noch kleine Jungs. Die sind so schnell berühmt und groß geworden. Das Yoga öffnet sie.

SZ: Wird man damit erfolgreicher?

Broome: Es gibt Börsenmanager, die sagen, dass sie nicht erfolgreicher werden, dass sie aber durch Yoga mit den Misserfolgen besser umgehen können. Du hast im Yoga eben andauernd Misserfolge, Du arbeitest die ganze Zeit an Deinen Grenzen. Aber zum Beispiel mit den Spielern der deutschen Fußballnationalmannschaft arbeite ich ja nicht, um sie erfolgreicher zu machen.

SZ: Sondern?

Broome: Ich dehne sie, bewege sie und vor allem: Ich entspanne sie. Das ist meine Hauptaufgabe. Die kriegen eine schöne Nackenmassage, Hintergrundgedudel und irgendwann schläft selbst der Poldi ein. (lacht).

SZ: Die Fußballer fanden das doch sicher erstmal total bescheuert?

Broome: Einer der größten Gegner am Anfang war der Torhüter Jens Lehmann. Der hat gesagt: Das mach ich nicht, da verweichliche ich, da verliere ich meinen Biss. Mittlerweile kommt er oft in mein Yogastudio - freiwillig.

SZ: Lohnt es sich für Sie, die Spieler zu einer Weltmeisterschaft zu begleiten?

Broome: Ich bekomme 550 Euro am Tag. Wenn man sechs Wochen in Südafrika ist, ist das schon gut für so ein Jahr, in dem man heiratet und Auto kauft. (lacht) Das hat die Lücke 2010 gestopft.

"Die definieren sich darüber, wie gut sie gestern Fußball gespielt haben"

SZ: Wie lange werden Sie noch die Schulden für Berlin zurückzahlen?

Broome: Sicher noch fünf Jahre. Aber es ist gut so, wie es jetzt ist. Ich habe gemerkt, was passiert, wenn man finanziell unter Druck steht. Dann geht es nur noch darum, zu gefallen, um viele Leute ins Center zu kriegen. ,Ach, nur 30 Leute in der Stunde, Scheiße, es könnten auch 50 sein. ' Jetzt kann ich wieder zu einer Stunde kommen und mich über zwei Schüler freuen. Genau darum geht es im Yoga. Es geht darum, sich auf das Wichtigste zu reduzieren, sowohl körperlich als auch geistig und in der Interaktion mit der Welt.

SZ: Das ist doch ein Kontrast zur Profifußballwelt.

Broome: Stimmt. Ich sage den Fußballern auch immer ganz klar, dass wir uns in einem konkurrenzfreien Raum bewegen. Dass es für einen Augenblick egal ist, dass man gestern gegen Spanien verloren hat.

SZ: Was? Den Spielern war das verlorene Halbfinale bei der WM 2010 gegen Spanien dann egal?

Broome: Nein, klar war das schlimm für sie. Bastian war unglaublich traurig, der hat sich unter seiner Kapuze versteckt. So ist er ins Yoga geschlichen. Aber ich hab gesehen, wie er rausgegangen ist: gestärkt.

SZ: Yoga ist auch Askese. Predigen Sie den Stars Enthaltsamkeit?

Broome: Einerseits ist es ja so: Yoga ist etwas für Menschen, die einen gewissen Wohlstand haben. Die anderen haben keine Zeit und kein Geld, sich auch noch mit sich selbst zu beschäftigen. Aber den Stars sage ich, dass sie sich nicht mit dem ganzen materiellen Quatsch identifizieren sollen. Und ich sage den Jungs, dass sie als Menschen wertvoll sind, so wie sie sind. Das hören die sonst nie. Die definieren sich ja nur darüber, wie gut sie gestern Fußball gespielt haben, und wie viel sie verdienen.

SZ: Ist Yoga eine Art Therapie?

Broome: Ja, alles, was Du erlebt hast, ist irgendwo in deinem Körper gespeichert. Viele körperliche Blockaden sind psychische Traumata. Und die löst man im Yoga, und da kommst Du noch mal mit dem Geschehenen in Kontakt. In Yoga-Stunden wird viel geweint.

SZ: Haben Sie auch noch Blockaden?

Broome: Viele. Ich stehe mir immer noch selbst im Weg. Ich tue mich zum Beispiel schwer, wirklich richtig tief zu vertrauen. Meine Mutter war 20, als sie mich bekommen hat. Da musste sie Geld verdienen, also hat sie mich zu meiner Großmutter gegeben.

SZ: Haben Sie deshalb Probleme, sich zu binden?

Broome: Sagen wir so: Es gibt Menschen, die da begabter sind als ich.

SZ: Dann hat es Sie sicher geängstigt, Vater zu werden.

Broome: Das war eine radikale Umstellung. Ich werde eigentlich spätestens nach zwei Wochen unruhig, wenn ich an einem Ort bin. Jetzt gucke ich, dass ich so viel wie möglich bei Frau und Kind zu Hause bin. Vielleicht war ich mit 40 endlich so weit. Es ist sehr anders. Aber auf eine andere Art unbeschreiblich erfüllend.

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