Reden wir über Geld: Niki Lauda:"Was sind überhaupt Freunde?"

Ein Leben wie ein Formel-1-Rennen: Niki Lauda über Kränkungen, seine Distanz zu Menschen, millionenschwere Werbung auf der Kappe - und Egoismus.

A. Hagelüken u. A. Slavik

Niki Lauda macht wenig Aufhebens um sich. Mit seiner Firma residiert der 61-Jährige in unauffälligen Büros am Wiener Flughafen. Zu Mittag lässt er sich ein Sandwich bringen. Dabei hat der Österreicher gleich zwei erstaunliche Karrieren hinter sich: Erst sammelte er als Formel-1-Pilot Titel und fuhr selbst dann weiter Rennen, nachdem er 1976 bei einem Unfall am Nürburgring fast gestorben war. Nach seinem Rücktritt gründete er eine Fluggesellschaft und zeigte es dem Monopolisten, der bis dahin die Luft über Österreich dominiert hatte. Lauda ging immer seinen eigenen Weg, auch gegen den Widerstand seiner Familie. Ein Gespräch über ein Leben voller Kurven und die Erfahrungen aller Art, die einer dabei macht.

Austrian former Formula One champion Niki Lauda addresses the media during a news conference for his airline 'NIKI' in Vienna

Niki Lauda, dreifacher Formel-1-Weltmeister und Gründer zweier Fluggesellschaften: 1979 Lauda-Air (bis 2000; jetzt Teil der Austrian Airlines Group) und 2003 Niki Luftfahrt/NIKI (ehemals Aero Lloyd Austria).

(Foto: Reuters)

SZ: Herr Lauda, reden wir über Geld. In Wien erzählt man, Sie wären der größte Geizhals der Stadt. Zu Recht?

Niki Lauda: Ein blödsinniges Gerücht. Woher das kommt, weiß ich nicht. Ich habe ein gesundes Verhältnis zum Geld.

SZ: Im Spot für eine Direktbank werben Sie mit dem Spruch: "Ich habe schließlich nichts zu verschenken". Sie pflegen doch das Bild vom Knauser.

Lauda: Die Bank hat sich mein Image zunutze gemacht, und das geht in diese Richtung, das stimmt. Ich verprasse mein Geld nicht. Ich habe es ja selbst verdient, noch dazu in einer Branche, die notorisch klamm ist, der Fliegerei.

Das ist ein Groschengeschäft, die Spannen sind extrem gering. Wenn ich mit Airbus verhandle oder sonst irgendwem, bleibe ich hocken, bis alles bis zum letzten Cent ausverhandelt ist. Nur wenn ich weiß, dem habe ich jetzt schon die Hosen runtergezogen, versuche ich nicht, den Preis noch weiter zu drücken. Ich habe auch eine gewisse Erziehung.

SZ: Sie haushalten penibel, während Europas Regierungen Hunderte Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um die Währungsunion zu retten. Wie findet das ein Geschäftsmann?

Lauda: Das ist der Wahnsinn, dass man den Griechen Geld gibt. Schließlich hat Deutschland selber kein Geld. Man kann nicht mehr ausgeben als man hat. Die Politiker aus der ganzen Welt handeln unvernünftig. Das könnte man in der Privatwirtschaft nie machen.

SZ: Würden Sie Griechenland einfach pleitegehen lassen, mit allen Konsequenzen für die übrige Eurozone?

Lauda: Es wäre das beste, wenn die Griechen aus der Währungsunion gehen würden. Es gibt in der Politik anders als in der Wirtschaft keine vernünftigen Krisenmanager. Wenn ein Unternehmen pleite ist, kommt der Insolvenzverwalter. Bei den Staaten passiert das nicht.

SZ: Waren Sie selber mal verschuldet?

Lauda: Als ich als Rennfahrer anfing, brauchte ich einen Kredit, weil mir kurzfristig ein Sponsor ausfiel. Mein Vertrag mit dem Rennstall sah vor, dass ich einen Sponsor mitbringe, der zweieinhalb Millionen Schilling zahlt. Ich war da auch schon einig mit einer Bank, der Vorstand hatte schon zugestimmt.

SZ: Und dann?

Lauda: Mein Großvater war Aufsichtsratsvorsitzender bei dieser Bank. Als er den Sponsorvertrag absegnen sollte, hat er gefragt: "Ist das mein Niki Lauda? Das kommt ja nicht in Frage." Und dann hat der alte Lauda die Zustimmung verweigert.

SZ: Wollte er Ihnen das nicht gönnen oder wollte er bloß nicht, dass Sie so einen gefährlichen Sport ausüben?

Lauda: Mein Großvater war einfach der Meinung, ein Lauda gehöre in die Wirtschaft und nicht in ein Formel-1-Auto. Rennfahren, das war für ihn keine Kategorie. Als ich ihn darauf angesprochen habe, wieso er mir jetzt alles versaut, sagte er: Ich will nicht, dass du Rennfahrer wirst und aus. Er war ein sehr, sagen wir: despoter Großvater. Ich habe damals dann auch mit ihm gebrochen. Und mir das Geld als Kredit besorgt.

SZ: Warum musste es nach der Formel 1 unbedingt eine Fluglinie sein, mit der Sie Ihr Berufsleben fortsetzten?

Lauda: Die Pilotenausbildung hatte ich schon, um unabhängig zu sein von diesem ganzen Formel-1-Tross. Und in Österreich gab es damals nur die staatliche Fluglinie AUA, die hatten ein Monopol für die Langstrecke. Das musste ja irgendwer aufbrechen.

SZ: Waren Sie willkommen?

Lauda: Nein. Das war ein Geschachere in dieser Republik damals, das kann man gar nicht beschreiben. Für die Konzession musste ich bis vor den obersten Gerichtshof ziehen und als ich sie dann endlich hatte, leitete die Behörde meine Papiere so lange nicht weiter, dass ich am Tag vor dem ersten Flug nach Australien noch immer keine Verkehrsrechte hatte. Aber schon Hunderte Passagiere mit Buchung.

"Mit Windeln hatte ich nie was am Hut"

SZ: Was geschah dann?

Lauda: Dann hab ich in Australien angerufen und gesagt, ich komme morgen trotzdem, if you want shoot me down, wenn Ihr wollt, schießt mich runter.

SZ: Und?

Lauda: Nach der Zwischenlandung in Bangkok übernahm ich die Maschine selbst, um sie nach Sydney zu fliegen. Auf dem Startfeld dachte ich: Wenn die Behörden miteinander reden, kriegen wir nicht einmal eine Starterlaubnis. Aber, Überraschung, die reden nicht miteinander. Wir sind also los und in Sydney ohne Probleme gelandet. Am Rollfeld stand der Bürgermeister samt Kapelle und Kameras, um den ersten Flieger aus Österreich in Australien zu begrüßen. Ich sagte gleich, dass es leichter ist, drei Weltmeistertitel zu gewinnen, als Verkehrsrechte nach Australien zu bekommen - das war ein großer Lacher und marketingtechnisch super, auch wenn's Zufall war.

SZ: Wie wichtig ist die Bekanntheit der Marke Lauda für den Erfolg der Fluglinie?

Lauda: Diese Popularität war ja nicht geplant, auch wenn mir das gerne unterstellt wird. Aber es ist so: Einer wie der Schumacher erreicht mit seinen Erfolgen alle Motorsportfans. Das war bei mir genauso. Dann hatte ich diesen Unfall am Nürburgring und plötzlich interessieren sich auch Menschen für dich, die mit Autorennen sonst nichts am Hut haben. Auch die Großmütter sagen dann: Schau, der arme Hund ist da fast verbrannt, ob der überlebt? Diese Auf und Abs ziehen sich durch mein Leben, und das interessiert die Leute. In Wien schreit jedes kleine Kind, das mich auf der Straße sieht: schau, da ist der Niki Lauda. Verwunderlich, dass die mich noch kennen. Ich hatte jahrelang keine Verträge für Fernsehspots.

SZ: Aber auf der Kappe ist immer ein Sponsor.

Lauda: Ja, Parmalat war 25 Jahre drauf. Auch das hat mit dem Unfall angefangen: Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war mein Kopf komplett einbandagiert. Der Arzt hat mir eine Kappe aufgesetzt, damit der Verband nicht verrutscht. Und dann fragte Parmalat, ob ich ihren Schriftzug tragen würde.

SZ: Was kostet der Schriftzug auf der Lauda-Kappe?

Lauda: Damals ungefähr 200.000 Euro im Jahr. Das hat sich 25 Jahre lang nicht verändert, ich hab den Preis nicht einmal an die Inflation angepasst. Dann durfte bei Parmalat der Sohn ans Ruder, der wollte alles anders machen, also hab ich gekündigt. Dann kam Viessmann und jetzt steht Oerlikon drauf.

SZ: Die zahlen aber mehr, oder?

Lauda: Die zahlen mehr.

SZ: 1,2 Millionen Euro im Jahr, haben wir gehört.

Lauda: (lacht) Das darf ich nicht sagen. Aber schlecht geschätzt ist das nicht.

SZ: Ihre erste Frau Marlene hat mal gesagt, in Ihrer Zeit als Rennfahrer wären Sie, Verzeihung, das größte Arschloch der Welt gewesen.

Lauda: Das stimmt und das ist auch ganz logisch. Spitzensportler müssen völlig fokussiert sein, sonst könnten sie sich diesem Risiko nicht aussetzen, schon gar nicht in der Formel 1. Ich war meinen älteren Söhnen in dieser Zeit sicher kein guter Vater, ich war ja nie da. Aber nach dem Unfall hat sich das schon verändert, da gehen die Scheuklappen ein bisschen auf und man kriegt auch was mit vom normalen Leben. Aber mit Windeln und Babyflaschen hatte ich nie was am Hut.

SZ: Ist das jetzt anders? Sie wurden ja vor ein paar Monaten noch mal Vater.

Lauda: Diesmal war ich auch nicht bei der Geburt dabei. Was hab ich dort verloren? Wenn was passiert, steht man besser den kompetenten Menschen dort nicht im Weg herum. Ich will auch niemanden ablenken mit meiner Popularität.

SZ: Diese Ausrede ist zumindest originell. Wie ist denn das Verhältnis zum Rest Ihrer Familie heute? Jetzt sind Sie ja in der Wirtschaft, jetzt müssten doch eigentlich alle zufrieden sein.

Lauda: Der Kontakt zu meiner Familie war lange nur sporadisch. Ich wollte ja etwas anderes als sie. Nach dem Unfall hat es sich, sagen wir: normalisiert. Aber ich hatte natürlich kein liebevolles Elternhaus, wie man sich das heute so vorstellt.

SZ: Was ist mit Ihrem Bruder?

Lauda: Da war es ähnlich, der tickt völlig anderes als ich. Er ist eher so ein musischer Dalai Lama.

SZ: Aber er hat Ihnen doch 1997 eine Niere gespendet.

Lauda: Als das mit der Niere war, sagte er: Du kriegst sie nur, wenn du sonst stirbst. Danach wurde unser Verhältnis wirklich enger, zwischenzeitlich. Mittlerweile hat sich das wieder abgekühlt.

SZ: Sie sind nicht sehr zugänglich, oder?

Lauda: So kann man das nicht sagen. Aber ich stehe natürlich mein Leben lang unter Beobachtung, und das ist nicht immer angenehm. Als ich nach dem Unfall mit bandagiertem Kopf in der Pressekonferenz saß und sagte, dass ich weiter Rennen fahren will, steht einer auf und fragt, ob meine Frau sich scheiden lassen wird, so wie ich jetzt aussehe. In so einer Situation schluckst du schon. Irgendwann lernt man, eine Mauer aufzubauen, da prallen solche Dinge dann an ab.

SZ: Haben Sie Freunde?

Lauda: Nein. Was sind denn überhaupt Freunde? Jeder Facebook-Mensch hat im Schnitt 190 Freunde. Wenn du im Rinnsal liegst, weil dich ein Auto angefahren hat, wen rufst du denn dann an? Ich bin auch nicht der Typ, der bei irgendjemandem Rat sucht. Man trifft ja auch nie einen objektiven Menschen. Da mache ich die Dinge lieber mit mir selbst aus.

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