Reden wir über Geld:"Mein kleiner Kapitalist darf jetzt raus"

Die Modemarke Herr von Eden ist gefragt. Doch Bent Angelo Jensen ging pleite. Nun startet er neu.

Interview Von A. Mühlauer und S. Radomsky

Zum Gespräch in einem Café in Berlin-Mitte kommt Bent Angelo Jensen direkt aus seinem Geschäft, wie immer exaltiert-elegant: mit grauer Strickjacke, weißem Hemd und rotlackierten Fingernägeln. Dazu kombiniert der Designer und Gründer des Modelabels Herr von Eden eine weinrote Nylon-Bomberjacke. Er will übers Scheitern reden, über die noch nicht ganz überstandene Insolvenz seiner Firma - und darüber, wie man sich wieder aufrappelt. Jensen, 37, hat alle Höhen und Tiefen des Geschäfts erlebt: Erfolg, Ruhm, Prominenz; dann Überforderung, Selbstüberschätzung, Pleite. Jetzt, so sagt er, fängt er von vorn an - diesmal richtig. Er kümmert sich selbst um seine Läden, hat die Kollektion entrümpelt und endlich die Zahlen im Griff. Sein Motto steht eingestickt auf dem Rücken seiner Bomberjacke: "Lerne die Regeln, damit Du sie brechen kannst".

SZ: Herr Jensen, reden wir über Geld. Sind Sie jetzt wieder flüssig?

Bent Angelo Jensen: Um Gottes Willen, davon kann noch keine Rede sein. Der Insolvenzverwalter zahlte mir jeden Monat nur das absolute Minimum aus: 1100 Euro. Meine Freundin verdiente plötzlich deutlich mehr als ich. Das musste ich mir eingestehen, mich überwinden, ihre Unterstützung anzunehmen. Das ist nun zum Glück vorbei, ich bekomme wieder ein Gehalt, von dem ich leben kann. Ich kann meine Miete und meine Krankenkasse zahlen. Und ich kann endlich wieder Schnitzel essen gehen, wenn mir danach ist. Nur für Urlaub, Auto oder eine eigene Familie reicht das Geld nicht. Was auch völlig okay ist. Ich bin einfach froh, dass es Herr von Eden noch gibt. Ich möchte jetzt alles dafür tun, endlich erfolgreich zu sein. Ich will Geld verdienen.

So wie früher, als Ihr Laden prima lief. Wo ist eigentlich das ganze Geld hin?

Mein Motto war: Geld kommt, Geld geht. Ich hab immer alles ins Unternehmen gesteckt. Rücklagen bilden, Fett anfressen - daran hab ich einfach nicht gedacht.

Und die Bank hat mitgemacht?

Die sowieso. Ich habe ja immer alles ausgeschöpft, inklusive diverser Dispokredite von 50 000 Euro im Jahr. Bis zu 15 Prozent Zinsen musste ich dafür zahlen. Und dabei habe ich selbst immer geglaubt, ich sei schlauer als die Bank. Heute frage ich mich: Wie konntest du nur so bescheuert sein?

Und?

Ich war immer fest davon überzeugt, dass meine Idee richtig viel Geld bringt. Also hab ich expandiert und zum Beispiel auch eine Damenkollektion gemacht. Schien mir logisch, Frauen geben viel mehr Geld für Mode aus. Und ich Idiot hab' nur für Herren geschneidert?!

Die Damenkollektion war ein Flop.

Total. Leider! Da dachte ich mir: Mensch, was du brauchst, ist ein eigener Duft. Du hast bisher kein Geld verdient, weil du immer nur Klamotten gemacht hast. Also zack, 50 000 Euro zusammengekratzt, um ein Parfum auf den Markt zu bringen . . .

. . . das Sie null weiterbringt . . .

. . . absolut nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie man das vertreibt und nicht die richtigen Partner. Ich hatte nicht mal mehr das Geld für Werbung und Vertrieb.

Haben Sie nie begriffen, dass Sie am Limit waren?

Das habe ich nicht wahrhaben wollen. Mit Ach und Krach konnte ich noch die Verbindlichkeiten abdecken, in der Hoffnung, dass die nächste Pflanze wächst - und was für die anderen Baustellen abwirft. Ich hab' mich quasi an einen nächsten Strohhalm geklammert, die Hoffnung stirbt ja zuletzt.

Völlig irre.

Ja, absolut irre! Es war ein Spiel mit dem Feuer . . .

Ein Spiel, das Ihnen gefallen haben muss.

Zugegeben: Es hat mich auch gethrillt. Ich war einfach der waghalsige Unternehmer, der immer hart am Wind segelt - und der es immer wieder hinkriegt.

Irgendwann haben Sie es nicht mehr hingekriegt. Sie mussten Insolvenz anmelden.

Es blieb mir nichts anderes übrig. Am Ende hatte das Ganze etwas Masochistisches: Schaut, was ich aushalten kann! Ich bin 35 und hab eine halbe Million Euro Schulden. Schaut, wie stark ich bin! Das war ein paradoxer Größenwahn. Ich hatte mich verrannt. Durch die Insolvenz bin ich viel demütiger geworden.

Wie das?

Ich habe es natürlich nicht genossen, der ganzen Welt von meinem Misserfolg und meinen Problemen zu erzählen. Zumal ja viele andere Menschen von diesem Misserfolg betroffen waren. Vor allem das belastet mich sehr. Aber ich bin ein offener Typ, ich spreche stets sehr offen, direkt und ehrlich. Bei der Insolvenz hat mir das sehr geholfen. Das hat den Gläubigern gezeigt: Der ist da, der versteckt sich nicht. Der ist sich seiner Schuld auch bewusst und will kämpfen.

Reden wir über Geld: Der Hamburger Designer Bent Angelo Jensen steht öfter selbst in den Läden seines Labels Herr von Eden und verkauft Anzüge an oft prominente Kunden.

Der Hamburger Designer Bent Angelo Jensen steht öfter selbst in den Läden seines Labels Herr von Eden und verkauft Anzüge an oft prominente Kunden.

(Foto: Carolin Saage)

Wie haben die Gläubiger reagiert?

Die meisten sehr positiv. Mein größter Gläubiger, ein Stofflieferant, steht für fast 30 Prozent meiner Schulden, das waren grob 170 000 Euro. Und ich muss sagen, er hat mich großartig durch die Insolvenz begleitet: "Herr Jensen, jetzt müssen Sie Ruhe bewahren . . ." Der hat in den letzten 14 Jahren mit mir viel Umsatz gemacht und der will auch in den nächsten 20, 30 Jahren erfolgreiche Geschäfte mit mir machen. Natürlich wurde auf Vorkasse umgestellt, aber wir kommen prima zurecht.

Das klingt jetzt alles sehr positiv. Lange Zeit sind Sie aber abgetaucht, waren verschwunden von der Bildfläche.

Zum ersten Mal negative Presse, das hat mir sehr zugesetzt. Ich hatte damit zu kämpfen, Gesicht und Haltung zu wahren - und trotzdem rauszugehen. Das war oft nicht einfach, weiterhin zum Beispiel ins Café Paris in Hamburg zu gehen. Es gab nun keinen Champagner mehr, nur ein oder zwei Bier. Da musste ich schon schlucken und mich gerade machen. Ich dachte oft daran, was mir Wolfgang Joop gesagt hat, als ich ihn gleich zu Beginn der Insolvenz um Rat gebeten habe: "Jetzt musst du die Arschbacken zusammenkneifen und das alleine - ohne Investoren - wieder auf die Beine stellen."

Und wie mussten Sie Ihr Geschäftskonzept dafür ändern?

In den zwei, drei Jahren vor der Insolvenz war ich durch die fehlende Geschäftsstruktur einem solchen Druck ausgesetzt, dass ich ständig nur eingespannt war, das Kartenhaus irgendwie aufrecht zu halten. Nötige Veränderungen - das Sortiment überarbeiten, mal einen Standort schließen, das Controlling in den Griff bekommen, einen Geschäftsplan schreiben - dazu bin ich erst durch die Restrukturierung in der Insolvenz gekommen.

Wir sitzen hier in Berlin. Was machen Sie zurzeit?

Ich war jetzt für zwei Monate hier und kümmere mich, dass die Umsätze vor Ort im Laden angekurbelt werden. Ich hab jeden Morgen den Laden selbst aufgesperrt und abends wieder zu. Ich hab die Filiale zwei Monate ganz allein geschmissen. Das war auch bitter nötig.

Und, hat es was gebracht?

Und wie! Es gibt in Berlin einen Bedarf, den ich unterschätzt habe. Hier begegnet man auch häufiger Promis, Schauspielern, Künstlern. Wenn man nur in seinem gemütlichen Nest in Hamburg sitzt, dann verpasst man einfach viel zu viel.

Was denn zum Beispiel?

Der Chefredakteur des Magazins Zoo bat mich kurzfristig, ob ich nicht ein paar Sachen liefern könnte, weil Bryan Adams die Band Rammstein fotografiert. Natürlich hab ich sofort mitgemacht. Genau für so was ist Berlin ein großartiges Pflaster.

Zu Promis hatten Sie schon immer einen guten Draht. In der Presse waren Sie immer "der Schneider von Jan Delay".

Jaja, mit dem Image muss ich leben. Es ist aber nicht so, dass ich den Promis hinterherlaufe, wirklich nicht. Hier in Berlin saß ich plötzlich bei Herbert Grönemeyer auf dem Zimmer, weil er einen Anzug wollte. Dann kommt Max Herre in meinen Laden, einfach so. Und der freut sich dann halt, wenn ich im Laden stehe, ich, der "Herr von Eden". Chefbehandlung mögen die Leute. Außerdem kann ich die Sachen am besten verkaufen, ich habe mir den Kram ja schließlich ausgedacht.

Wenn wir so in Ihren Laden schauen, hängen da vor allem dunkelblaue Anzüge. Alles ziemlich Mainstream.

Das stimmt ein bisschen. Unter dem Insolvenzverwalter haben wir das Sortiment überwiegend auf weiße Hemden und dunkelblaue Anzüge umgestellt. Etwas anderes durfte ich kaum machen. Das musste ja alles aus der Insolvenzmasse finanziert werden, also gab es nur das, was sich sicher und schnell verkauft. Das war auch richtig so, das Programm wurde aber sehr konservativ. Das hat auch Kunden enttäuscht. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie viele dunkelblaue Anzüge wir verkaufen können.

Die Kunden sehen bei Ihnen das orangefarbene Sakko mit den grünen Karos, kaufen dann aber lieber den Klassiker. Nervt Sie das nicht?

Nein, es gibt ja unsere eigene Maßkonfektion. Da kann sich der Kunde alles individuell aussuchen, ganz wie er möchte. Ich muss aber nicht in Vorleistung gehen.

Haben Sie heute ein besseres Gefühl dafür, was sich verkauft?

Natürlich, ich sehe, was geht und was hängt. Und es müssen auch nicht immer 18 Anzüge in einer Kollektion sein, von denen sich zwei gut verkaufen. Mir reichen zwölf, von denen aber besser acht rasant laufen. Nach meinem Scheitern möchte ich jetzt Erfolg. Dieser Hunger darf sich entfalten. Mein kleiner Kapitalist darf jetzt raus. Freunde von mir witzeln schon, dass ich in zwei Jahren Porsche fahre. Das wird sicher nicht passieren, aber ich möchte jetzt Geld verdienen, Ruhe und Sicherheit.

Reden wir über Geld: Zu Jensens Kunden zählt auch der Sänger und Rapper Jan Delay.

Zu Jensens Kunden zählt auch der Sänger und Rapper Jan Delay.

(Foto: OH)

Sie hätten sich die ganze Pleite sparen können, wenn Sie einfach das weitergemacht hätten, womit sie begonnen haben: Second-Hand-Mode verkaufen.

Das ist richtig, ich hatte damals die Taschen oft voller Geld. Mit Second Hand hat man die extremste Gewinnspanne, die man haben kann - wahrscheinlich gleich nach Drogendealen. Aber ich wollte nicht für immer der Lumpensammler sein.

Warum nicht? Lief doch super.

In meiner Familie gibt es den Wall-Street-Broker, den Großhandelskaufmann, den Rotlicht-König - alles gestandene Kaufleute, und ich? Ich stand damals da, mit anständigem Abitur und verkaufte alte Anzüge. Das war wider meinen Familienstolz.

Aber Sie hatten doch gar keine Ahnung vom Schneiderhandwerk.

Nee, hatte ich nicht, aber meine Schwester studierte in Kopenhagen Modedesign. Also schrieb ich ihr einen Brief: Wollen wir nicht so Versace-mäßig ein Bruder-Schwester-Ding aufziehen? Meine Schwester hat wohlwollend gelacht und mir ihr Schulungsmaterial geschickt, Schnittmuster und so. Ich hab dann angefangen, Stoffe zuzuschneiden.

Und Ihre Schwester?

Ich bin ein recht narzisstischer junger Mann. Ich wollte nicht, dass es heißt, meine Schwester würde hinter den Kreationen stehen. Nein, das war ich. Ich war auf der Suche nach dem perfekten Anzug.

Und, haben Sie ihn gefunden?

Nein, das ist es ja. Ich bin immer auf der Suche, aber im Grunde bin ich auf der Suche nach einer Vaterfigur. Und das ist letztlich auch der Grund, warum ich Herr von Eden gegründet habe. Mein Vater ist sehr früh gestorben, ich war gerade mal fünf Jahre alt. Als ich älter wurde, fragte ich mich: Was ist das überhaupt, das Mannsein? Das wusste ich gar nicht, ich bin mit vielen Frauen um mich herum aufgewachsen.

Sie hatten keinen Vater, der Ihnen zeigt, wie man eine Krawatte bindet.

Genau, ich hatte keine Ahnung: Was ist ein Oberhemd, wofür denn ein Anzug? Wann trägt man Fliege, wann Krawatte? Welche Knoten gibt es? Was sind Manschettenknöpfe?

Wie haben Sie das gelernt?

Ich habe mir selbst beigebracht, Krawatten und Schleifen zu binden oder meine Hemden zu bügeln. Ich habe mir die Männermode zu eigen gemacht. Wenn man das kann, stärkt das natürlich das Selbstbewusstsein. Man fühlt sich gut, man fühlt sich als Mann. Ich wollte einfach wissen, was zum Mannsein gehört, was Männergarderobe ist. Und ich spürte, dass sich diese Suche gut anfühlt. Mit der Männermode habe ich versucht, meinen nicht vorhandenen Vater zu substituieren. Das Thema klassische Bekleidungskultur für Männer wird mich immer beschäftigen.

Sind die Männer dort draußen denn gut angezogen?

Es gibt eine ganz gute Entwicklung. Vor 15 Jahren gab es keine Männerabteilung bei H&M, das Magazin GQ thematisierte nicht die neueste Strickkrawatte oder die Vorzüge eines rahmengenähten Herrenschuhs. Es gibt schon so etwas wie die Rückbesinnung auf alte Werte. Und dazu gehört eben auch das klassische Herren-Outfit, Männer, die Hüte tragen.

Getreu dem Manufactum-Prinzip: Es gibt sie noch, die guten Dinge.

Genau, es muss der handgeknüpfte Besen sein. Und die Heritage-Fraktion trägt alte Arbeiterstiefel zur Jeans. Es geht darum, die richtige Pomade zu benutzen, es geht um die richtige Rasur.

Klingt total konservativ.

Ja, leider endet das oft im Reaktionären. Bis hin zu den AfD-Wählern, die das gute Alte vermeintlich wiederentdecken.

Wie grenzen Sie sich davon ab?

Ich begreife mich als Dandy. Zwar tauchen auch bei Hugo Boss Flechtledergürtel, Einstecktuch und Strickkrawatte auf. Ich möchte da aber immer noch mehr, warum nicht mal zwei oder drei Einstecktücher?

Wo sind die Leute am besten angezogen?

Tokio, ganz klar. Egal ob Jung oder Alt. Alle spitzenmäßig!

Aha, die japanischen Touristen sind es aber eher weniger.

(Lacht) Stimmt, aber in Tokio selbst lebt der gute Geschmack. Dort sind die Wohnungen klein und bieten wenig Platz für Möbel, die Leute haben kein Auto. Ganz viel Status läuft in Japan also über Mode. Bei uns haben die großen Modemarken kleine Läden mit 100 Quadratmetern, dort gibt es ganze Paläste. Der Modekonsum steht in Japan an erster Stelle. Ich fühle mich dort sehr wohl.

Und in Deutschland?

Hier, im Bermuda-Dreieck zwischen Rosa-Luxemburg-Platz, Rosenthaler Platz und Hackeschem Markt, sind die Leute avantgardemäßig unterwegs. Toll.

Warum leben Sie dann immer noch in Hamburg?

Hamburg ist ein beschauliches Wohlstandsding, es hat eine hohe Lebensqualität. Aber ich wohne bewusst direkt am Hauptbahnhof. Ohne den ICE nach Berlin geht es einfach nicht. Hier hab ich ein WG-Zimmer mit einer Hamburgerin. Man bleibt eben unter sich.

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