Rauchen in Mietwohnungen:Stinken prinzipiell erlaubt

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Nach 40 Jahren soll der Raucher Friedhelm Adolfs aus der Wohnung ausziehen. Falls nötig, will er bis vor den Bundesgerichtshof ziehen. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Unbeliebt, aber nicht rechtlos: Mietern das Rauchen in der Wohnung zu verbieten, ist schwieriger, als viele denken. Beschwerdeführer müssen nämlich vor Gericht beweisen, dass der Geruch nicht zumutbar ist oder die Emissionen aus der Nachbarwohnung ihre Gesundheit gefährden.

Von Catrin Gesellensetter

Man sieht sie immer seltener. Und wenn, dann meist in einer schäbigen Ecke, weit ab vom Schuss. Raucher, früher normaler Teil des öffentlichen Lebens, finden sich inzwischen oft am Rand der Gesellschaft wieder.

Am Arbeitsplatz, in öffentlichen Gebäuden und den meisten Gaststätten ist der Zigarettenkonsum schon seit Jahren verboten. Wer dem Laster nicht entsagt, wird in würdelosen Abluftkabinen oder speziell gekennzeichnete Außenbereiche verbannt. Ein halbwegs gepflegter Tabakgenuss, wie er dem einen oder anderen Raucher vorschweben mag, ist damit fast nur noch in den eigenen vier Wänden möglich. Doch selbst hier, hinter verschlossenen Türen, sind Raucher vor Repressalien nicht mehr sicher. Denn die Nichtraucherlobby ist stark - und durchaus streitlustig.

Immer häufiger müssen sich Gerichte mit der Frage auseinandersetzen, ob - und vor allem in welchem Ausmaß - in Privatwohnungen Zigaretten geraucht werden dürfen. Und es scheint, als werde die Rechtsprechung zunehmend vom Nichtraucherschutz geprägt: Da müssen Mieter nach ihrem Auszug für vergilbte Tapeten Schadensersatz bezahlen ( BGH Az. VIII ZR 124/05), für Maler- und Sanierungsarbeiten aufkommen, obwohl eine Renovierungspflicht im Vertrag gar nicht vereinbart war ( BGH Az. VIII ZR 37/07) oder sie werden kurzerhand vor die Tür gesetzt, weil ihr Qualm die Nachbarn stört. So entschied vor Kurzem das Amtsgericht Düsseldorf: Belästigt ein Mieter durch Zigarettenrauch seine Nachbarn, darf ihm die Wohnung gekündigt werden ( Az.: 24 C 1355/13).

Das letzte Wort in der Sache ist zwar noch nicht gesprochen: Der geschasste Raucher geht in die nächste Instanz und hat bereits angekündigt, im Fall einer neuerlichen Niederlage bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) zu ziehen. Doch selbst wenn der Rechtsstreit irgendwann in Karlsruhe landen sollte: Experten warnen davor, dem Fall zu viel Bedeutung beizumessen.

Fehler in der Prozessführung

"Da seit einigen Jahren die Gefahren des Passivrauchens immer hitziger diskutiert werden, hat dieser Prozess natürlich eine gewisse Brisanz", analysiert Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes in Berlin. "Die Hoffnung, dass der BGH eine Art generellen Nichtraucherschutz in Mietshäusern anordnet, sollten Zigarettengegner allerdings besser aufgeben."

Auch Norbert Schönleber, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Köln und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien beim Deutschen Anwaltverein steht der jüngsten Entscheidung gelassen gegenüber. Zwar lasse sich nicht leugnen, dass Raucher in Deutschland keine besonders gute Lobby mehr hätten. Ihr Scheitern vor Gericht gehe aber nicht allein auf die verschärften Nichtrauchergesetze zurück, sondern vor allem auf Fehler in der Prozessführung.

"Das Gericht darf nur Tatsachen berücksichtigen, die im Verfahren explizit zur Sprache gebracht werden", erläutert der Jurist. Gerade Raucher, die sich selbst vertreten, ließen die Behauptungen der Gegenseite aber oft im Raum stehen, statt diese zu bestreiten oder zu widerlegen. "Das Gericht hat dann keine andere Möglichkeit, als zugunsten des Nichtrauchers zu entscheiden - obwohl die Faktenlage womöglich auch ein anderes Ergebnis gerechtfertigt hätte", so der Experte. Dabei ist Schönleber überzeugt: "Rein juristisch könnte man selbst Altkanzler Helmut Schmidt - nur wegen seines Zigarettenkonsums - nicht so mir nichts dir nichts aus einer Mietwohnung werfen."

Diese Aussage unterschreibt auch Mieterschützer Ropertz. Denn auch wenn der Nichtraucherschutz in Deutschland inzwischen so weit reicht wie noch nie zuvor: Er ist nicht grenzenlos, sondern findet seine Schranken in den Persönlichkeitsrechten der Raucher. Das bedeutet: Raucher dürfen ihrem Laster zumindest solange unbeschwert nachgehen, ja sogar "exzessiv" in ihrer Wohnung rauchen, wie sie Außenstehende dadurch nicht schädigen oder in unzumutbarer Weise belästigen (so etwa BGH Az. VIII ZR 37/07).

Pauschale Hinweise auf die "nachgewiesenen Gefahren des Passivrauchens" reichen nicht aus, diese Kriterien zu erfüllen. "Bei den genannten Schäden durch das Rauchen sind ausschließlich Beeinträchtigungen an der Substanz der Mietwohnung gemeint", erläutert Mieterschützer Ropertz.

Nichtraucher, die ihren qualmenden Nachbarn loswerden und dessen Kündigung erzwingen wollen, können sich daher allenfalls darauf berufen, dass der Gestank nicht zumutbar ist oder die Emissionen aus der Nachbarwohnung ihre Gesundheit gefährden. "In einem Gerichtsverfahren müssten die betreffenden Nachbarn ihre Behauptungen aber auch beweisen können, etwa, indem sie belastbare Gutachten zur Luftbeschaffenheit im Treppenhaus beibringen", sagt Ropertz. Und das werde in der Praxis schon aus Kostengründen nur selten der Fall sein.

Rauchverbot im Mietvertrag unwirksam

Bleibt die Frage, ob sich ein Eigentümer den ganzen Ärger nicht dadurch vom Hals halten kann, indem er seine Immobilie nur noch an Nichtraucher vermietet. Doch auch hier winkt der Experte ab. "Zumindest in vorformulierten Mietverträgen ist ein uneingeschränktes Rauchverbot wegen der damit verbundenen erheblichen Beschränkung der privaten Lebensführung des Mieters unwirksam - mal abgesehen davon, dass es sich in der Praxis auch nur sehr schwer kontrollieren und durchsetzen ließe" (vgl. LG Stuttgart, Az. 16 S 137/92).

So bleibt bis auf Weiteres festzuhalten, was das Landgericht Berlin zu der Sache zu sagen hat: "Nach unserer Rechtsordnung ist das Rauchen (. . .) in der eigenen Wohnung grundsätzlich gestattet. Beeinträchtigungen durch Zigarettenimmissionen müssen genauso hingenommen werden, wie Abgase und Lärm des Straßenverkehrs oder Immissionen der Schornsteine" ( Az. 63 S 470/08).

© SZ vom 05.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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