Quartier:Arbeiten statt wohnen

Frankfurt Gateway Gardens - Luftbild von Richtung FFM

Im Frankfurter Quartier Gateway Gardes haben bereits mehr als 5000 Menschen ihren Arbeitsplatz, bis zu 18 000 sollen es nach dem Ende der Bauphase sein. Visualisierung: Gateway Gardens

Wo früher Soldaten lebten, entsteht am Frankfurter Flughafen das Gewerbe-Quartier "Gateway Gardens".

Von Helga Einecke

Man kann mit dem Flugzeug, dem Auto, dem Bus, Fahrrad und künftig auch mit der S-Bahn kommen. Dieser Standort am Frankfurter Kreuz neben dem Flughafen ist exzellent angebunden und von seiner logistischen Lage her kaum zu toppen. "Gateway Gardens" nennt sich der neue Stadtteil im Süden Frankfurts. Die Autobahnen A 3 und A 5 begrenzen ihn. Bei guter Kondition ist er leicht zu Fuß vom Flughafen aus zu erreichen. Wohnen wird auf diesem Areal von 70 Fußballfeldern keiner, das schließen die Lärmverordnungen aus. Aber Arbeitsplätze entstehen dort - bis zu 18 000, und etliche Firmen und Hotels haben dieses Gebiet bereits für sich entdeckt.

Die Sache mit dem Wohnen sahen die Amerikaner noch anders. Mehr als 50 Jahre lang lebten 2000 amerikanische Soldaten mit ihren Familien dort, Kirche, Kino und Kindergarten inklusive. Für die Amerikaner war dies das "Gateway to Europe", daher der Name des Viertels. 2005 zogen die Soldaten nach Ramstein weiter, an ihre Housing Area erinnert nur noch das alte Torhäuschen. Seither tüfteln die neuen Eigentümer, der Flughafen-Betreiber Fraport sowie die Entwicklungsgesellschaften Groß & Partner und OFB gemeinsam mit der Stadt Frankfurt an einem Generalplan und an der Vermarktung des Geländes. Mit wachsendem Erfolg, denn 44 Prozent Fläche sind vergeben.

Die Bordverpfleger der Lufthansa, die LSG Sky Chefs, stellen mittendrin in ihrem modernen Cateringwerk täglich Tausende von Mahlzeiten her und liefern sie durch einen Tunnel unter der Autobahn direkt auf das Vorfeld. Condor, die deutsch-türkische Fluggesellschaft Sun Express und DB Schenker haben in Gateway Gardens Quartier bezogen. Fünf Hotels bieten zusammen mehr als tausend Zimmer, zwei weitere sind im Bau. Die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer von Schiff-Martini agieren demnächst von diesem Standort aus, im Herbst zieht der Maschinenbauer Kion von Wiesbaden an den Flughafen um.

Kerstin Hennig, Geschäftsführerin der Grundstücksgesellschaft Gateway Gardens, will aber mehr als nur ein Gewerbegebiet. "Wir brauchen das Leben" sagt sie. Wichtig ist ihr der große Park mitten auf dem Gelände mit einem alten Baumbestand. Der neue Stadtteil wird ja nicht nur von Flugzeugen und Autos umzingelt, sondern grenzt im Norden und Osten auch an den Frankfurter Stadtwald mit seinen alten Eichen. Und Reste des früheren Stadtwalds sind auch in Gateway Gardens noch erhalten.

Also Natur einerseits. Andererseits soll es in den Büros und Hotels im Erdgeschoss Flächen geben für Supermärkte, Reinigungen, Bäcker, Arztpraxen, Fitnessstudios und Cafés. Zweimal im Jahr gibt es eine Begehung für die Bürger, damit die sehen, wie es wirklich zugeht, so nah am Flughafen. Zäune und Absperrungen soll es in Gateway Gardens nicht geben, es sei denn, es geht um Sicherheit. "Wir sind für offene Strukturen", nennt es Hennig. Die Einbindung der Bürger ist deshalb so wichtig, weil die Frankfurter mit der Lärmbelästigung durch ihren nahen Flughafen und dem zunehmenden Flugaufkommen vor allem im Süden der Stadt hadern. Sie demonstrieren jeden Montag mitten im Flughafen gegen die neueste Landebahn, die den weiteren Ausbau des Flughafens erst ermöglicht.

Von großem Lärm auf ihrem Gelände will Hennig nichts wissen. Die Lärmbelastung sei eher gering, ein völlig nachrangiges Thema. Auch bei den Verhandlungen mit den angesiedelten Unternehmen habe dies so gut wie keine Rolle gespielt. Die Kehrseite der offenen Strukturen ist auf den Straßen zu sehen. Es herrscht überall Halteverbot, und es gibt keine öffentlichen Parkplätze. Also kann auch kein Tourist einfach mal das Auto abstellen, um dann für eine Woche nach Mallorca zu fliegen. "Der öffentliche Raum ist für die Menschen da", sagt Hennig. Die müssen aber erst noch kommen. Denn trotz sommerlicher Temperaturen lassen sich wenige Leute auf den Straßen blicken, die nach berühmten Piloten wie Antoine de Saint-Exupéry oder Bessie Coleman benannt sind. Flugzeug-Crews steigen vom Hotel in den Zubringerbus. Bauarbeiter machen Pause in einer Imbissbude. Ein Flugzeug hebt Richtung Osten ab, eine Unterhaltung im Freien lässt sich dabei nicht fortsetzen.

Drinnen wird nicht nur in den Unternehmenszentralen gearbeitet, es wird auch geforscht. Das House of Logistics and Mobility (kurz Holm) verbindet 20 Universitäten miteinander. Auch die Bereiche Medizin,Gesundheit und Pharma werden hier ihren Platz finden. Für architektonisches Flair sollen vier bis zu 80 Meter hohe Gebäude sorgen, für die es bisher auf dem Reißbrett Entwürfe gibt, etwa vom Büro der 2016 verstorbenen Stararchitektin Zaha Hadid.

Flughäfen ähneln zunehmend riesigen Einkaufszentren mit ungewöhnlichen Öffnungszeiten

Gateway Gardens soll eine Art Bindeglied zwischen Frankfurt und seinem Flughafen sein. Die meisten Flughäfen sind weiter entfernt von Städten angesiedelt und versuchen deshalb, eigene Städte um den Flughafen herum zu bauen. Als Vorreiter all dieser Airport Citys gilt das Terrain um den Amsterdamer Flughafen Schiphol. Dort wurden zuerst Büros, Hotels, Handel und Gastronomie direkt neben den Terminals angesiedelt. Bei allen Airport Citys erweisen sich die kurzen Wege zu den Terminals als vorteilhaft.

Flughäfen ähneln in wachsendem Ausmaß riesigen Einkaufszentren mit ungewöhnlichen Öffnungszeiten. Auch Frankfurt eröffnete schon vor Jahren gegenüber dem Terminal 1 das Sheraton-Hotel und siedelte dort Büros, Konferenzräume und rund um die Terminals und Parkhäuser Geschäfte und Restaurants an. Furore machte zum Beispiel die bundesweit bekannte Diskothek Dorian Gray, die Ende 2000 wegen nicht erfüllbarer Brandschutzauflagen schließen musste. Später kam der Fernbahnhof hinzu, der mit einem flach liegenden Hochhaus überbaut wurde, das erst Air-Rail hieß, heute The Squaire genannt wird.

Der amerikanische Professor und Flughafenexperte John D. Kasarda geht sogar noch einen Schritt weiter. Er propagiert für Flughäfen des Konzept einer Aerotropolis, einer erweiterten Airport City. Nach seiner Einschätzung bedarf es einer genauen Planung, um Flughafenstädte zu entwickeln. Gerade in Frankfurt sei dies dringend nötig, weil umliegende Städte, Gemeinden und Naturschutzgebiete die Investitionsmöglichkeiten einschränkten. Wichtig sei der Dialog mit den Bürgern und die Aufklärung über die Pläne und Folgen der Flughafenentwicklung.

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