Provisionsverbot für Versicherungsberater in den Niederlanden:Genug mit der Abzockerei

Wann will ein Versicherungsvertreter nur die Provision einstreichen, wann Qualität verkaufen? Um klare Verhältnisse für den Kunden zu schaffen, planen die Niederlande und Großbritannien ein Provisionsverbot in der Branche. Das setzt Deutschland unter Druck.

Markus Zydra

An diesen Februartagen 2010 ging es in der niederländischen Stadt Den Haag um die ganz großen Verbraucherschutzziele: Die Interessen der Kunden sollten künftig im Mittelpunkt stehen, rücksichtslose Versicherungsvertreter, die nur scharf auf Provisionen sind, sollten aus dem Markt gedrängt werden. Genug mit der Abzockerei!

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(Foto: dpa)

Wenn Politiker und Verbraucherschützer solche Forderungen aufstellen, dann gehört das zu deren Aufgabenbeschreibung. Doch die Frauen und Männer, die damals das Provisionsverbot beim Verkauf von Versicherungsprodukten in die Pipeline brachten, waren die Branchenvertreter selbst: der Verband der Versicherungskonzerne in den Niederlanden.

"Der Verbraucher sollte im Mittelpunkt stehen, das Provisionsmodell sorgt immer für Interessenkonflikte des Beraters gegenüber dem Kunden", erinnert sich Harold Mahadew, Politikberater des Verbands ohne jegliches Pathos in der Stimme. Dabei ist das - für einen solchen Verband - eine revolutionäre Aussage. Das zeigt sich schon daran, dass die deutsche Versicherungswirtschaft von einem Provisionsverbot nichts hält, wie der Branchenverband GDV mitteilt.

Provisionsverbot in den Niederlanden schon 2013

Ganz anders in den Niederlanden. Das Parlament hat das Provisionsverbot beschlossen, nun feilt das Finanzministerium an den Details. "Es gibt kein Zurück mehr, ab 1. Januar 2013 gilt das Provisionsverbot", sagt Mahadew. Dann müssen niederländische Kunden ihre Versicherungsberater direkt bezahlen. Auf Honorarbasis, wie beim Rechtsanwalt.

Auch in Deutschland und den übrigen EU-Staaten steht die Finanzberatung unter Regulierungsdruck. Die Finanzkrise ab 2008 hat deutlich gemacht, dass viele Kunden von der Finanzwirtschaft über den Tisch gezogen wurden. Hintergrund ist auch die Provisionsberatung, deren Kern der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil so beschrieb: Kunden könnten nie wissen, ob der Berater ein Produkt wegen der Qualität oder der hohen Provision zum Kauf anbiete. Das Dilemma ist also grundsätzlicher Natur.

Deshalb ist auch die EU-Kommission aktiv geworden. Sie hat im Rahmen der Mifid II-Regulierung folgendes vorgeschlagen: Ein Bankberater soll sich künftig nur dann "unabhängig" nennen dürfen, wenn er keine Verkaufsprovisionen vom Produktanbieter vereinnahmt, sich also vom Kunden per Honorar bezahlen lässt. Der Vorschlag wird nun im Europäischen Parlament diskutiert, und es formiert sich Widerstand.

Der deutsche Vorschlag: Transparenz statt Verbot

Der CSU-Europaabgeordnete im Europäischen Parlament, Markus Ferber, hält von dem Kommissionsplan nicht viel. Ferber ist Verhandlungsführer des Parlaments über das Gesetz. Seiner Meinung nach könnten provisionsabhängige Berater in schlechterem Licht erscheinen. Sein Änderungsvorschlag sieht vor, dass es ausreiche, wenn ein Vermittler seinen Kunden über die Provisionen und die Beschränkung auf ein bestimmtes Produktspektrum informiert.

"Portfoliomanagern sollte es nicht verboten sein, Anreize anzunehmen, aber diese sollten völlig transparent sein und der Kunde darüber vor Vertragsabschluss informiert werden", schrieb Ferber in seiner Stellungnahme zur Reform der Finanzmarkt-Richtlinie Mifid. Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken begrüßten den Vorschlag des CSU-Politikers, der zunächst im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Parlaments beschlossen werden muss, bevor die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten über das Gesetzespaket beginnen können.

Deutsche Verbraucherschützer sind dagegen entsetzt: "Der Mifid-Vorschlag wird konterkariert", sagt Dorothea Mohn, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Bundesverband. "Die Offenlegung der Provisionen reicht nicht aus, denn obwohl schon heute Provisionen offenzulegen sind, stehen wir vor einem großen Problem von Fehl- und Falschberatung. Wir brauchen eine gesetzlich regulierte Honorarberatung, Provisionen müssen raus aus der Finanzberatung." fordert Mohn.

Die meisten Kunden wissen zwar, dass Finanzberater Provisionen erhalten, sie unterschätzen aber häufig deren absolute Höhe: Für den Verkauf eines Aktienfonds erhält der Berater bei einer Anlagesumme von 50 000 Euro bis zu 2500 Euro Provision. Zum Vergleich: Honorarberater haben einen Stundensatz von durchschnittlich 150 Euro.

Auch der Niederländer Mahadew hält den Änderungsvorschlag des CSU-Europaabgeordneten Ferber für wenig zielführend. Die Kunden müssten den Berater direkt bezahlen, um unabhängig informiert werden zu können. Auch Großbritannien, ein Land mit starker Finanzlobby, wird bald ein Provisionsverbot im Finanzsektor einführen.

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