Probleme mit Versicherungen:Schutzlos im Datenspeicher

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Wenn die Assekuranz erstmal falsche Daten über ihre Kunden gespeichert hat, wird für Versicherungsnehmer das Leben schwer.

Thomas Öchsner

Der Unternehmensberater Christopher Zaby will unbedingt eine Berufsunfähigkeits-Versicherung abschließen. Er erkundigt sich nach den Tarifen bei mehreren Anbietern und gibt dabei stets an, dass bei ihm vor Jahren einmal Asthma diagnostiziert wurde.

Nachdem er einige Anträge ausgefüllt hat, lässt er sich noch einmal untersuchen. Diesmal stellen die Ärzte kein Asthma mehr fest. Diesen aktuellen Befund schickt er an alle Versicherer, die er vorher kontaktiert hatte.

Trotzdem bieten ihm - bis auf eine Ausnahme - alle Gesellschaften nur eine Police mit höheren Beiträgen an, oder sie schließen bestimmte Krankheiten vom Versicherungsschutz aus.

Umbau der Zentralkartei gefordert

So wie Zaby kann es nach den jüngsten Recherchen der Stiftung Warentest vielen Versicherungskunden gehen. Das liegt am zentralen Datenspeicher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Wer dort mit falsch gespeicherten Daten steht, hat Mühe, einen Vertrag ohne teure Sonderkonditionen zu bekommen. Und schon gar nicht möglich ist es, die falschen Dateien aus der elektronischen Kartei schnell zu tilgen. Nicht nur deshalb fordern Daten- und Verbraucherschützer einen Umbau der Zentralkartei.

"Die Versicherungsnehmer haben einen Anspruch darauf zu erfahren, was hinter den Türen der Versicherungsunternehmen mit ihren Daten passiert'', sagt Thilo Weichert, Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). Nun sind zwischen dem ULD, das die Datenschutzbehörden vertritt, und dem GDV Gespräche angelaufen.

Der Zentralspeicher hat den unscheinbaren Namen "Hinweis- und Informationssystem'' (HIS). Dahinter verbergen sich 9,5 Millionen Datensätze mit zum Teil sehr persönlichen Angaben wie zum Beispiel der vermeintlichen Vorerkrankung von Christopher Zaby.

Ursprünglich wollten die Versicherer mit dem HIS (früher ,,Uniwagnis'') Versicherungsbetrügern auf die Spur kommen. Inzwischen werden dort aber nicht nur die Daten von Kunden gespeichert, die auffällig häufig Schadenfälle beim Auto melden.

"Auch Verbraucher, deren Antrag nicht zu normalen Bedingungen angenommen oder abgelehnt wird, müssen mit einem Eintrag rechnen'', heißt es in dem Bericht, den die Stiftung Warentest in ihrer Zeitschrift Finanztest an diesem Mittwoch veröffentlicht.

Die Meldungen an das HIS kommen von den Sachbearbeitern der Versicherer. Wann sie genau erfolgen sollen, ist geheim, um Betrügern nicht die Arbeit zu erleichtern. Näheres zum Verfahren lässt sich aber neuerdings im Internet nachlesen (www.gdv.de).

Tipps der Stiftung Warentest

Ein Beispiel: Rechtsschutzversicherer sollen Kunden dann melden, wenn sie deren Vertrag wegen häufiger Schäden gekündigt haben oder wenn ein ,,konkret begründeter Verdacht einer betrügerischen Inanspruchnahme der Versicherung'' vorliegt.

Die Meldungen, die erst nach fünf Jahren automatisch gelöscht werden, sind mit Codes verschlüsselt. Zapft ein Sachbearbeiter die Datenbank an, lässt sich jedoch ein gesuchter Kunde identifizieren. Die Zahl der Meldungen ist je nach Sparte sehr unterschiedlich. 2006 betrafen allein eine Million von 1,8 Millionen weitergegebenen Daten die Kfz-Versicherung.

Die Kritiker des HIS beanstanden vor allem zwei Punkte: Versicherte müssen zwar unterschreiben, dass sie mit einer möglichen Weitergabe von Daten einverstanden sind. Aber die Freiheit, nein zu sagen, hätten sie nicht, heißt es bei der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Denn ohne Unterschrift erhielten sie auch keinen Vertrag. Datenschützer kritisieren außerdem, dass der Kunde - anders als bei der Auskunftsdatei Schufa - von der Zentraldatei des GDV nichts über seine Daten erfährt. Ein Sprecher des Gesamtverbands verweist darauf, dass die Versicherer selbst zu einer entsprechenden Auskunft verpflichtet seien.

Die Stiftung Warentest fand aber heraus, dass dies in der Praxis nicht immer funktioniert. Eine Gesellschaft antwortete einem Kunden sogar: ,,Eine Zentraldatei HIS ist uns nicht bekannt.'' Es gibt also viel Gesprächsbedarf zwischen dem GDV und den Verbraucher- und Datenschützern. Der Ausgang ist offen.

Die Stiftung Warentest rät daher, vorerst folgende Tipps zu beachten:

Auskunft: Lehnt eine Versicherung einen Vertragsabschluss ab oder gibt es eine Police nur mit Risikoaufschlag, sollten Kunden fragen, ob und mit welchen Daten sie bei dem HIS gespeichert sind.

Risikovoranfrage: Unter www.buforum24.de schickt ein Versicherungsmakler im Internet anonymisierte Anträge an Berufsunfähigkeits-Versicherer. Vorteil: Ohne Zusatzkosten wird ein möglicher Eintrag ins HIS vermieden.

Gesundheitsangaben: Kunden sollten im Versicherungsantrag nicht mehr Auskünfte geben als gefordert sind. Wer über den vorgegebenen Zeitraum hinaus Gesundheitsdaten meldet, muss womöglich auf Grund weiterer Vorerkrankungen höhere Prämien zahlen.

© SZ vom 18.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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