Private Krankenversicherer:Schock am Briefkasten

Viele Kunden privater Krankenversicherer bekommen in diesen Tagen Post. Die Kernbotschaft: Die Beiträge steigen im neuen Jahr mal wieder an. Was können die Verbraucher dagegen tun?

Alina Fichter

Knapp neun Millionen Menschen hoffen in diesen Tagen, dass ihr Briefkasten leer ist. Bloß keine Post von der privaten Krankenversicherung, denken sie sich, denn das kann nur eins bedeuten: Die Beiträge werden im kommenden Jahr steigen, wieder einmal. Wenn private Krankenversicherer (PKV) höhere Prämien von ihren Kunden verlangen, müssen sie vier Wochen vorher darüber informieren. Weil die anheben, ist jetzt die kritische Zeit für Versicherte angebrochen.

Private Krankenversicherer: Viele Mitglieder privater Krankenversicherer müssen mit Beitragserhöhungen rechnen.

Viele Mitglieder privater Krankenversicherer müssen mit Beitragserhöhungen rechnen.

(Foto: AP)

Neu daran ist der Grund, den manche der Firmen möglicherweise für ihre Entscheidung anführen: Sie kämpfen längst nicht mehr nur mit immer höheren Kosten im Gesundheitswesen und einer alternden Bevölkerung. Seit Ausbruch der Finanzkrise leiden sie zusätzlich unter historisch niedrigen Kapitalmarktzinsen. Um sechs bis acht Prozent könnten Versicherer ihre Prämien allein aus diesem Grund erhöhen, fürchten Experten.

Wieso interessieren sich private Krankenversicherungen für die Zinsen, fragt sich da vielleicht manch einer. "Die Beiträge der Versicherten fließen nur zur Hälfte in aktuellegen Unternehmen als Altersrückstellungen am Kapitalmarkt an", erklärt Peter Schramm, Versicherungsaktuar und PKV-Gutachter.

Dank dieser Rückstellungen steigen die Beiträge der Versicherten im Alter nicht übermäßig, obwohl sie mehr Leistungen in Anspruch nehmen. 144 Milliarden Euro bunkern die 46 Unternehmen derzeit an Reserven. Dabei unterstellen sie eine Rendite von 3,5 Prozent auf ihre Anlagen, das ist ihr sogenannter Rechnungszins.

Genau hier liegt das Problem: Die Notenbanken halten die Zinsen niedrig wie nie zuvor. Die Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere, die den größten Anlageanteil von Versicherungen ausmachen, liegt derzeit bei gerade einmal 2,2 Prozent - und damit deutlich niedriger als der Zins, mit dem die privaten Versicherer rechnen.

Bleibt die Rendite langfristig so mager, öffnet sich eine Lücke zwischen versprochenem und erwirtschaftetem Kapital. "Dann haben die Versicherer ein Problem", sagt Schramm. Oder besser gesagt: die Versicherten, denn was den Unternehmen an Zinserträgen für die Altersrückstellungen fehlt, müssen sie über kurz oder lang durch höhere Prämien bezahlen.

Mindestens zehn Unternehmen schafften in diesem Jahr die 3,5-Prozent-Marke möglicherweise nicht, berichtete kürzlich die Financial Times Deutschland (FTD); sie würden den Rechnungszins daher gerne branchenweit auf drei Prozent drücken - dann müssten sämtliche Versicherer die Beiträge erhöhen. Der Verband der privaten Krankenversicherungen wehrt ab: derartige Überlegungen gebe es nicht. Die Firmen legten das Geld so langfristig an, dass sie im Jahr 2009 einen durchschnittlichen Nettozins von 4,27 Prozent erreichten. Genug also, um die Beiträge stabil zu halten.

Was können die Kunden tun?

Bei einzelnen Unternehmen sieht es aber deutlich schlechter aus: Laut Zeitschrift für Versicherungswesen schaffte es die Axa im vergangenen Jahr gerade mal auf 2,8 Prozent, sie blieb damit deutlich unter dem Rechnungszins. Die Gothaer erreichte ihn mit 3,5 Prozent knapp. Am erfolgreichsten legte die Debeka ihr Geld an, sie brachte es auf 5,3 Prozent. Guido Leber von der Ratingagentur Assekurata ist überzeugt, dass wegen des Zinsumfeldes künftig ein stärkerer Wettbewerb zwischen den Firmen entstehen wird: "Die Gesellschaften, die gut wirtschaften, können die Beiträge niedrig halten", sagt der Bereichsleiter Krankenversicherung.

Das Hauptproblem der Privatversicherer sieht er ohnehin nicht am Kapitalmarkt. Viel bedenklicher sei, dass die Gesundheitskosten seit Jahren in die Höhe schießen. Ein Grund dafür ist die steigende Lebenserwartung. Vor hundert Jahren wurden die Menschen gerade mal 30, heute lebt ein durchschnittlicher Mann beinahe 80 Jahre, Tendenz steigend.

Was für die Menschen angenehm ist, kommt die Versicherer teuer. "Die Privaten legen die Kostensteigerungen direkt auf ihre Kunden um", sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Seit Jahren stiegen die Beiträge für private Krankenversicherungen daher um durchschnittlich fünf Prozent - ohne Probleme mit dem Niedrigzins. Die Prämien ziehen folglich deutlich stärker an als bei gesetzlichen Kassen.

Wer das Pech hat, in den kommenden Tagen in seinem Briefkasten den Bescheid zu finden, der über eine höhere Prämie informiert, darf seine Versicherung kündigen. Verbraucherschützer Rudnik rät dringend davon ab, überstürzt zu handeln: "Besonders für Ältere und für Menschen mit Vorerkrankungen ist es schwierig, eine Alternative zu finden", sagt er. Die Beiträge bei einem Wechsel seien häufig nahezu unbezahlbar. Zudem könnten die Altersrückstellungen nicht mitgenommen werden, sie gingen verloren.

Auch in die gesetzliche Kasse zurückzukehren, ist nicht ohne weiteres möglich: "Wer sich einmal für die Private entschieden hat, muss dort meist bleiben, ob er will oder nicht", sagt Rudnik. Ein Arbeitnehmer müsste ein Jahr lang weniger verdienen, als die Versicherungspflichtgrenze vorsieht, also unter 49.950 Euro, sonst nimmt ihn die gesetzliche Kasse nicht auf. Selbständige müssen einen festen Job vorweisen können.

Den meisten der privat Versicherten bleibt daher nur eins, wenn ihr Beitrag steigt: Nach einem günstigeren Tarif bei der eigenen Versicherung zu fragen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: