Private Altersvorsorge:Lebensversicherer verabschieden sich von Zinsgarantie

Ein Klassiker hat sich überlebt: Lange war die Lebensversicherung die beste Möglichkeit, privat vorzusorgen - doch die anhaltenden Niedrigzinsen machen ihr schwer zu schaffen. Und neue Angebote wie die der Allianz bringen Kunden kaum noch Vorteile.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger

Deutschlands größter Versicherungskonzern Allianz kommt mit einer neuen Lebensversicherung ohne Zinsgarantie auf den Markt. Damit reagiert das Unternehmen auf die niedrigen Zinsen und die künftigen erhöhten Anforderungen an die Kapitalausstattung der Versicherer. Sie werden von der EU unter dem Titel Solvency II vorbereitet und sollen 2016 oder 2017 in Kraft treten. Mit den neuen Angeboten kann der Konzern seinen Kapitalbedarf drastisch reduzieren. Verbraucherschützer äußerten sich kritisch.

Deutschlands größter Lebensversicherer will zwar auch künftig die bisherigen Klassik-Policen mit einer Zinsgarantie von 1,75 Prozent anbieten. Beim neuen Konzept "Perspektive" garantiert das Unternehmen dem Kunden für die Einzahlungsphase aber keinen Zins, sondern nur den Erhalt des eingezahlten Kapitals.

Beim Eintritt in die Rentenphase und damit dem Beginn der Auszahlung der Privatrente wird eine neue Zinsgarantie auf Grund der dann geltenden Kapitalmarktsituation berechnet. "Die Kunden können damit profitieren, wenn die Zinsen dann möglicherweise höher sind", sagte Markus Faulhaber, Chef der Allianz Lebensversicherung.

Ergo verkauft ebenfalls Police ohne Zinsgarantie

Der zur Munich Re gehörende Ergo-Konzern in Düsseldorf verkauft seit Montag ebenfalls eine Police ohne Zinsgarantie. Dabei wird das Kundengeld vor allem in Investmentfonds angelegt. Bei der Allianz gehen die Gelder in das klassische Deckungsvermögen.

Seit Jahrzehnten haben die Lebensversicherer problemlos Policen mit Zinsgarantien als wichtigem Verkaufsargument abgesetzt. Die Garantien betrugen in der Spitze in den neunziger Jahren vier Prozent. Damals erzielten die Lebensversicherer mit den Kapitalanlagen mehr als sieben Prozent, hatten also ein komfortables Polster. Eine Niedrigzinssituation, wie sie schon in Japan herrschte, konnten sie sich für Deutschland nicht vorstellen.

Heute erhalten sie für Bundesanleihen weniger als zwei Prozent. Vielen Versicherern fällt es zunehmend schwer, die einst garantierten hohen Zinsen zu erwirtschaften. Die meisten - auch Marktführer Allianz - erzielen allerdings noch deutlich mehr, weil sie viele ältere höher verzinste Papiere im Bestand haben. Langfristig werden die Garantien aber auch für sie zum Problem.

An den Altlasten ändert sich nichts

Das neue Angebot der Allianz ändert an den Altlasten nichts. Allerdings reduziert es den Kapitalbedarf für neu abgesetzte Verträge immens. Verkauft die Allianz eine klassische Police mit 1,75 Prozent Garantie an eine 30-jährige Kundin, gibt sie eine Zusage für sechzig Jahre oder mehr. Aber niemand weiß, wie sich in diesem Zeitraum die Kapitalmärkte entwickeln. Deshalb muss die Gesellschaft diesen Vertrag mit vergleichsweise viel Kapital als Sicherheitspolster unterlegen.

Das ist bei den neuen Verträgen anders. "Durch das neue Angebot kommt es zu einem starken Rückgang des Risikokapitals, das wir benötigen", sagte deshalb Allianz-Vorstand Alf Neumann am 25. Juni vor Investoren. Die Vorteile für die Kunden sind dagegen eher bescheiden. Nach Berechnungen der Allianz bietet das neue Angebot eine um 0,3 Prozent höhere Gesamtverzinsung - Modellrechnungen für 2013 ergaben 4,5 Prozent statt 4,2 Prozent inklusive Schlussüberschüsse und Anteile an Bewertungsreserven. Dieser Wert schwankt allerdings von Jahr zu Jahr. Die Verzinsung wird auf den Sparanteil gewährt, der rund 90 Prozent der eingezahlten Prämien ausmacht.

Verbraucherschützer beeindruckt das Allianz-Angebot nicht. "Die Allianz hat das Rad nicht neu erfunden", sagte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Der Verbraucher verzichtet auf 1,75 Prozent und bekommt dafür im Moment einen Zugewinn von 0,3 Prozentpunkten, der für die Zukunft völlig unverbindlich ist", sagte Nauhauser. "Das ist kein guter Tausch."

"Das ist Altersvorsorge mit angezogener Handbremse"

Ihn stört, dass die neue Police genauso teuer ist wie das klassische Produkt - Vertriebskosten, Verwaltung und die Kosten der Kapitalanlage sind ebenso hoch wie bei klassischen Policen. Das schmälere den Betrag des Kunden, der am Kapitalmarkt anlegt werden kann. "Das ist Altersvorsorge mit angezogener Handbremse", sagte er. "Vor dem Hintergrund des Niedrigzinsniveaus sind die Kosten wirklich sehr hoch."

Nauhausers Fazit: "Man kann nur abraten, so Geld anzulegen. " Kernproblem ist aus seiner Ansicht der Vertrieb, der nur mit hohen Provisionen funktioniert. Das Prinzip, Geld über eine Versicherung anzulegen, habe sich überlebt, glaubt Nauhauser. "Vor 20 Jahren hatte der Versicherungsnehmer den Vorteil, über die Police eine breit diversifizierte Anlage zu haben", sagt er. "Inzwischen kann man das selbst bewerkstelligen, zu einem Bruchteil der Kosten." Er rät zu Banksparplänen, dort seien die Kosten niedriger und transparenter.

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