Princeton-Forscher Markus Brunnermeier:Bernankes Schüler

US-Notenbankchef Ben Bernanke holte im Jahr 1999 Markus Brunnermeier in sein internationales Forscherteam nach Princeton. Die Elitetruppe erforscht, wie sich Spekulationsblasen verhindern lassen.

Nikolaus Piper

Hätte man die derzeitige Finanzkrise verhindern können? Auf die Frage gibt es zwei Antworten. Die erste stammt vom früheren Präsidenten der US-Notenbank Fed, Alan Greenspan, und sie lautet: Nein. "Es gibt keine Methode vorauszusagen, wie sich innovative Märkte entwickeln", sagte Greenspan Anfang April.

Princeton-Forscher Markus Brunnermeier: Mittlere Reife in Landshut, Ausbildung am Finanzamt in München, dann Abendschule und Universität: Der 39-jährige Markus Brunnermeier, den US-Notenbankchef Ben Bernanke im Jahr 1999 zu seinem internationalen Forscherteam an die Elite-Uni in Princeton holte.

Mittlere Reife in Landshut, Ausbildung am Finanzamt in München, dann Abendschule und Universität: Der 39-jährige Markus Brunnermeier, den US-Notenbankchef Ben Bernanke im Jahr 1999 zu seinem internationalen Forscherteam an die Elite-Uni in Princeton holte.

(Foto: Foto: oH)

Antwort Nummer zwei kommt von einem jungen Ökonomen namens Markus Brunnermeier: Vielleicht doch. Spekulationsblasen können entschärft werden, behauptet er.

"Wir können handeln"

"Es ist wie beim Klimawandel: Wir wissen nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, ob die Erderwärmung vom Menschen verursacht wird. Aber auch wenn wir es nur zu 80 Prozent wissen, können wir handeln."

Brunnermeier ist Professor am Bendheim Center for Finance, einem idyllischen kleinen Institut mitten auf dem Campus der Universität Princeton in New Jersey. Das Institut ist derzeit einer der interessantesten Plätze in der Welt der Ökonomie.

Ein Team junger Volkswirte mit durchweg ungewöhnlichen Karrieren forscht hier seit Jahren über den Umgang mit Spekulationsblasen. Ihre Arbeit ist von zentraler Bedeutung für die Wirtschaftswissenschaften, denn sie stellen damit die Doktrin in Frage, wonach Finanzmärkte "effizient" sind, weil die Preise für Aktien, Anleihen und andere Finanzprodukte immer alle verfügbaren Informationen widerspiegeln.

Bemerkenswert ist schon die Geschichte des Bendheim Centers. Gegründet wurde es 1997 auf Initiative von Ben Bernanke, dem heutigen Notenbankchef, der damals Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Princeton war und sich besonders für die Lehren aus der Weltwirtschaftskrise interessierte. Bernanke war es auch, der die meisten der dort forschenden Ökonomen auf der gesamten Welt zusammensuchte.

Der Direktor des Instituts zum Beispiel, Yacine Ait-Sahalia, stammt aus Paris, sein Kollege Harrison Hong aus Vietnam und Wei Xiong, ein anderer Ökonom, aus China. Markus Brunnermeier ist der Deutsche im Team und auch sein Lebensweg ist überraschend. Brunnermeier wurde vor 39 Jahren in Landshut geboren und hätte eigentlich den Zimmerei-Betrieb seiner Eltern übernehmen sollen.

Auf der nächsten Seite: Von Regensburg über Nashville nach Princeton.

Bernankes Schüler

Nach der Mittleren Reife machte er eine Ausbildung in den Finanzämtern Landshut und München, wobei er sein Interesse an der Ökonomie entdeckte. Brunnermeier holte das Abitur nach und studierte Volkswirtschaft in Regensburg, Nashville, Bonn und zuletzt an der London School of Economics. Von dort holte ihn Bernanke 1999 nach Princeton.

"Das Problem mit Spekulationsblasen ist nicht, dass sie entstehen", sagt Brunnermeier. "Sondern dass sie so lange Bestand haben." Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass solche Blasen immer eine Sache der Unvernunft sind - von der holländischen Tulpenzwiebel-Spekulation im 17. Jahrhundert über den Internet-Boom bis zum Immobilienfieber in Amerika, das zur derzeitigen Finanzkrise geführt hat.

"Spekulationsblasen beginnen mit einer Innovation"

Brunnermeier und seine Kollegen stellen nun diesen gesunden Menschenverstand in Frage: Zwar seien Blasen im Kern tatsächlich irrational, für Anleger könne es aber trotzdem sehr rational sein, auf einer Spekulationswelle zu reiten - selbst wenn sie wissen, dass die Preise nicht das Geringste mehr mit der Realität zu tun haben.

Einer der Gründe dafür ist verblüffend einfach: Es ist viel schwieriger, auf Baisse als auf Hausse zu spekulieren. Wer steigende Kurse erwartet, muss nur die entsprechenden Aktien kaufen und abwarten. Wer jedoch mit sinkenden Kursen Geld verdienen will, der muss Aktien auf Termin verkaufen, die er noch gar nicht besitzt. Wenn er sich nun irrt und die Kurse entgegen seiner Erwartung weiter steigen, ist er gezwungen, die Aktien zum fraglichen Termin teuer am Markt zu kaufen und dabei hohe Verluste zu realisieren.

Besonders schwierig ist es, auf sinkende Immobilienpreise zu spekulieren. Dazu sind komplizierte Kreditderivate notwendig, Instrumente, die zum Teil erst in jüngster Zeit entwickelt wurden. Optimisten sind auf den Finanzmärkten also stets in einem strategischen Vorteil gegenüber den Pessimisten.

Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Markus Brunnermeier erklärt: "Spekulationsblasen beginnen immer mit einer Innovation, mit dem Internet zum Beispiel. Sie sind am Anfang auch gut, weil sie Kapital in diese Innovation lenken." Irgendwann jedoch ändert sich die Natur der Spekulation und das Spiel wird gefährlich.

Jetzt tritt ein fundamentales Informationsproblem auf: "Vielleicht weiß ich, dass wir eine Blase haben, aber damit weiß ich noch lange nicht, ob Sie das auch wissen. Und selbst wenn ich weiß, dass Sie es wissen, weiß ich nicht, ob Sie wissen, dass ich es weiß." Solange aber nur ein kleiner Teil der Marktteilnehmer die Preise für unrealistisch hält, ist es - wegen des strukturellen Nachteils der Pessimisten - sehr riskant, gegen die Spekulation zu wetten.

Auf der nächsten Seite: General 1, General 2 und das Problem der Information.

Bernankes Schüler

Brunnermeier erläutert das Dilemma anhand eines Beispiels aus der Spieltheorie: Zwei Generale warten auf den Beginn einer Schlacht. Beide wissen, dass sie nur gewinnen können, wenn sie zugleich losschlagen. Der erste General schickt einen Boten zum zweiten. Seine Botschaft: "Morgen um 6 Uhr geht's los."

Nun weiß General 2, was General 1 plant, aber General 1 weiß nicht, ob der Bote auch durchgekommen ist. Also muss General 2 einen weiteren Boten mit der Bestätigung zu General 1 schicken. Und der muss einen weiteren Boten mit der Bestätigung der Bestätigung beauftragen. Am Ende wären unendlich viele Botengänge notwendig, um beide Generäle zuverlässig über den Kenntnisstand des anderen zu informieren.

Eine Frage der Information

Übertragen auf die Finanzmärkte bedeutet das: Selbst wenn die Preise verrückt spielen, herrscht auch bei Profis große Unsicherheit darüber, was die anderen über diese Kurse denken. Brunnermeier untersuchte das Anlageverhalten von großen Hedge-Fonds während des Internet-Booms.

Dabei stellte er fest, dass diese bis zuletzt in überteuerte High-Tech-Aktien investiert hatten. Der Spekulant George Soros stieg sogar nur wenige Monate vor dem Platzen der Blase ein. Das Verhalten dieser Profi-Anleger ist nur durch das Informationsproblem zu erklären, sagt Brunnermeier. "Blasen platzen deshalb meist erst dann, wenn ein symbolisches, weithin sichtbares Ereignis eintritt, das meist gar keine fundamentale Bedeutung hat."

Und genau hier liegt die politische Bedeutung der Forschungen aus Princeton: Wenn Spekulationsblasen ein Informationsproblem sind, können sie auch entschärft werden. Die Notenbanken sollten nicht nur die Zinsen rechtzeitig erhöhen, sie sollten auch die symbolischen Ereignisse liefern, an denen sich die Märkte orientieren können: "Ich denke, mit der richtigen Kommunikation würde die Fed einiges erreichen," sagt Brunnermeier.

In diesen Tagen machen die Ökonomen am Bendheim Center einen Realitätstest auf die Tragfähigkeit ihrer Theorien: Die Preise für Rohstoffe sind so hoch wie noch nie. Ist das nun eine Spekulationsblase? Vermutlich nein, sagt Brunnermeier. Dazu müsste irgendjemand Öl, Kobalt, Mangan, Reis und anderes horten, was bis jetzt nicht der Fall ist. "Rohstoffe sind knapp und teuer. Der Verweis auf die Spekulanten soll keine Ausrede dafür liefern, Rohstoffe zu sparen."

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