Preis Soziale Stadt:Kompliment für das Quartier

Wie Problemviertel von Gärten, Werkstätten oder Kursen profitieren können, zeigen einige ausgezeichnete Projekte.

Von Ingrid Weidner

Herausgeputzte Häuser allein verwandeln ein Quartier noch nicht in ein ansprechendes Wohnumfeld. Aber wenn auch in das nachbarschaftliche Miteinander investiert wird, wenn Treffpunkte geschaffen und Perspektiven für die Bewohner aufgezeigt werden, stehen die Chancen gut, dass soziale Probleme nicht in einer Abwärtsspirale münden. Die Städtebauförderung "Soziale Stadt" unterstützt Kommunen dabei, Missstände zu beheben und neue Impulse für Quartiere zu setzen. In diesem Jahr stellt der Bund dafür 140 Millionen Euro zur Verfügung.

Doch die Fördermittel allein reichen nicht aus, die Wende zu bewerkstelligen. Es braucht auch das Engagement der Kommunen und Wohnungsbauunternehmen sowie der Bürger und freiwilligen Helfer. Oft bleiben die Akteure, die sich über viele Jahre hinweg einsetzen, im Verborgenen. Mit dem undotierten "Preis Soziale Stadt" rücken sie alle zwei Jahre ins Rampenlicht. In Berlin wurden am vergangenen Mittwoch sechs Projekte ausgezeichnet, die auch für andere Kommunen mit ähnlichen Problemen als Vorbild dienen können.

Die ehemalige Zechensiedlung Dorsten-Hervest liegt im Ruhrgebiet. Bis die Zeche Fürst Leopold 2001 endgültig stillgelegt wurde, lebten in der Siedlung überwiegend Bergleute mit ihren Familien. Doch längst wurde der Kohlestaub an den Wohnhäusern abgebürstet, und die in den 1920er-Jahren fertiggestellte Anlage aufwendig saniert. Knapp 460 Wohnungen gibt es heute dort - und inzwischen ziehen viele junge Familien ein. Das unter Denkmalschutz stehende Quartier, das im Stil einer Gartenstadt gebaut wurde, gehört zum Bestand der Vivawest Wohnen in Gelsenkirchen. Das Unternehmen bewirtschaftet in der Region etwa 120 000 Wohnungen.

Ausgezeichnet wurde die Siedlung in der Kategorie "Bürgermitwirkung, Stadtteilleben" für das Projekt "Public. Private. Partnership in der Zechensiedlung Dorsten-Hervest: Ein Quartier blickt nach vorn". Zwar widmet sich dort schon ein Verein für Bergbau-, Industrie- und Sozialgeschichte auch der wechselvollen Geschichte der Zeche und des Quartiers, doch es gibt auch einige Initiativen, die Zukunftsthemen im Blick haben.

Ein Gemeinschaftsgarten knüpft an die Idee der Selbstversorgung an. Die 650 Quadratmeter große Fläche stellte das Wohnungsbauunternehmen kostenlos zur Verfügung. "Die Bewohner bewirtschaften den Garten komplett in Eigenregie, bauen Gemüse an und kümmern sich um alles", sagt Jaqueline Reske von Vivawest. Inzwischen organisieren die Mieter auch Kochkurse für ihre Nachbarn, um ihnen die türkische oder russische Küche vorzustellen.

Auch ein umfangreiches Ferienprogramm für Kinder zählt zu den Aktivitäten. "Uns ist das nachbarschaftliche Engagement wichtig", sagt Reske. "In der Siedlung ticken die Uhren anders, die Bewohner nehmen Rücksicht aufeinander." Auch älteren Mietern bietet die ehemalige Zechensiedlung eine gute Infrastruktur.

Gegen diese Idylle wirkt die Großsiedlung Hellersdorf mit ihren dominanten Plattenbauten im Berliner Osten anonym und abweisend. Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf leben etwa 259 000 Menschen. Seit 1992 gibt es dort den regionalen Kinder- und Jugendhilfeverein Kids & Co Berlin. "Wir sprechen die Jugendlichen über ihre Hobbys an und bieten Freizeitangebote", sagt Steffi Märker, Vorstand des Vereins. Hinter dem ausgezeichneten Projekt "JUWEL - Jugendliche wollen erfolgreich leben", verbirgt sich aber mehr, denn die Initiative möchte bildungsfernen Jugendlichen auch den Weg ins Arbeitsleben ebnen, indem sie Arbeit und Freizeit kombiniert, schulische Defizite ausgleicht und die Jugendlichen fördert.

So planen und bauen sie in den Werkstätten gemeinsam mit Profis eine Skaterbahn oder einen Parcours für BMX-Räder. Viele lernen dort zum ersten Mal, an einem Projekt dranzubleiben, zuverlässig zu Terminen zu erscheinen und mit anderen gemeinsam zu arbeiten. "Vielen kommen aus sozial schwierigen Verhältnissen, oft haben sie keinen Schulabschluss", sagt Märker. Begleitet von Sozialpädagogen lernen die Jugendlichen in den Werkstätten verschiedene Berufsfelder kennen und bekommen so eine Gespür dafür, wie sie sich beruflich weiterentwickeln können.

Stolz zeigen die Jugendlichen ihre Arbeiten, die in den Parks des Quartiers eine Attraktion sind. Von den 379 Teilnehmern des Projekts schafften 65 Prozent den Sprung ins Berufsleben, fanden über das Projekt eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle. Ausgezeichnet wurde das Projekt in der Kategorie "Wirtschaft, Arbeit, Beschäftigung". Solche Projekte helfen Jugendlichen in sozial schwierigen Quartieren, in denen das Bildungsniveau niedrig und die Arbeitslosenquote hoch ist. Mit 15- bis 25-Jährigen über Freizeitangebote in Kontakt zu treten, ist ein vielversprechender Weg, der auch in anderen Quartieren mit ähnlich gelagerten Problemen funktionieren könnte.

Denn auch das möchte der "Preis Soziale Stadt" sein: ein Vorbild für andere, die alle Ideen gerne kopieren können.

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