Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses:"Die Rallye muss ein Ende haben"

Andreas Mattner

Andreas Mattner ist Geschäftsführer beim Shopping-Center-Entwickler ECE und seit 2009 Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA).

(Foto: ZIA)

Niedrigere Steuern, weniger Standards: Branchen-Vertreter Andreas Mattner fordert die Politik dazu auf, die Baukosten zu senken. Vor allem beim Klimaschutz solle es die Bundesregierung nicht übertreiben.

Interview Andreas Remien

Ob bezahlbares Wohnen, Energie oder Stadtplanung: Selten waren Immobilienthemen so politisch wie derzeit. Andreas Mattner ist Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Der Verband versteht sich als Vertreter der gesamten Immobilienwirtschaft und vertritt nach eigenen Angaben circa 37 000 Unternehmen. SZ: In Deutschland wird so viel gebaut wie seit vielen Jahren nicht.

Werden Wohnungen bald wieder erschwinglicher?

Andreas Mattner: In bestimmten Märkten wird sich der Preisauftrieb sicher abschwächen, aber es wird keine Blase platzen. Die Lage wird sich entschärfen. Das bedeutet aber nicht, dass wir jetzt die Hände in den Schoß legen können. Im Gegenteil. Es muss weitergehen, und das heißt vor allem: bauen.

Die Politik scheint dem Markt nicht zuzutrauen, das Wohnungsproblem sozialverträglich zu lösen. Im vergangenen Bundestagswahlkampf hatte die Bundeskanzlerin von der SPD die Idee der Mietpreisbremse gekapert. Rechnen Sie auch in diesem Wahlkampf mit Überraschungen?

In der Politik muss man immer mit Überraschungen rechnen. Grundsätzlich sollte die Politik nicht regulieren, sondern fördern. Regulieren ist immer eine Verwaltung von Mangel, führt zu Folgeproblemen und löst das Problem nicht. Deshalb ist die Mietpreisbremse auch kein Erfolg.

Die Bremse scheint bisher überhaupt nicht zu wirken. Deshalb will das Justizministerium die Regeln ja verschärfen.

Das wäre unserer Ansicht nach der völlig falsche Weg. Wird etwa der Mietspiegel so manipuliert, dass faktisch keine Mieterhöhungen mehr möglich sind, dann wird niemand mehr investieren. Jetzt wäre es erst mal an der Zeit, die Mietpreisbremse zu evaluieren und zu schauen, ob man dieses Instrument überhaupt braucht. So steht es schließlich im Gesetz.

Das Thema bezahlbares Wohnen war im vergangenen Wahlkampf sehr präsent. Wie viel Elan davon ist dann tatsächlich in den vergangenen vier Jahren in der Regierungsarbeit angekommen?

Auf der formellen Ebene gab es zwei Schritte, die außergewöhnlich und aus unserer Sicht vorbildlich waren. Erstens die Installation eines verbeamteten Staatssekretärs für den Baubereich. Wir hatten frühzeitig darauf hingewiesen, dass wir diesen dringend brauchen. Für die Branche war es ein großer Gewinn, dass dieser Posten eingerichtet wurde und auch die Art und Weise, wie ihn Gunther Adler ausgefüllt hat. Zweitens hatten wir von der Bundesregierung das Signal bekommen, dass sie mit der Branche in einen Dialog treten will. Die Ministerin hat von Anfang an gesagt: Wir reden mit euch. Das Ergebnis war schließlich das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen.

Das Bündnis sollte keine Plauderrunde werden, sondern zu konkreten Maßnahmen führen. Ist das gelungen?

Ja. Das Bündnis hat ein gemeinsames Programm verabschiedet, und einige Punkte davon wurden auch im Bundeskabinett beschlossen. Dazu gehört zum Beispiel die Einführung des Gebietstypus "Urbanes Gebiet". Dieser erlaubt es, in den Städten höher und dichter zu bauen. Wir können außerdem besser bauen, indem wir verschiedene Nutzungen wie Wohnen, Arbeiten und Einkaufen miteinander vermischen. Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden, auch wenn wir uns im Detail noch bessere Lösungen gewünscht hätten.

Und zwar?

Unserer Ansicht nach sind die Lärmschutzvorschriften nicht mehr zeitgemäß. Sie stammen aus einem Zeitalter der Schwerindustrie, als es noch Hochöfen in den Städten gab. Heute gibt es auch viel bessere Methoden, ein Gebäude vor Lärm zu schützen - selbst bei geöffnetem Fenster. Nach den jetzigen Regeln wird der Lärm draußen vor dem Fenster gemessen. Wir sind aber der Auffassung, dass ausschlaggebend sein sollte, welcher Lärm überhaupt in der Wohnung ankommt. Alles andere ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Die jetzigen Vorschriften führen dazu, dass die verschiedenen Nutzungen leider nicht so einfach nebeneinander existieren werden können, wie es möglich wäre.

Die Nachverdichtung der Städte stößt zunehmend auf Widerstand. Kritiker befürchten vor allem, dass Grünflächen verloren gehen.

Dichter bauen heißt aber nicht weniger Grün. Im Gegenteil. Zum einen gibt es heute viel mehr Möglichkeiten, Grünflächen in der Höhe zu schaffen. In vielen Städten entstehen Hochhäuser mit vertikalen Gärten. Zum anderen erlauben höhere Dichten zum Beispiel, einen Park anzulegen - was nicht möglich wäre, wenn man mehr in der Fläche bauen würde.

Das urbane Gebiet wurde eingeführt, andere Punkte wurden hingegen bisher nicht umgesetzt. Was sind denn die größten Versäumnisse der vergangenen vier Jahre?

Wichtig wären aus unserer Sicht bessere steuerliche Rahmenbedingungen für Investoren gewesen. Die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau war zum Beispiel eine gute Idee, die leider nicht umgesetzt wurde. Die Bundesregierung wollte schnell handeln, ist dann aber an den unterschiedlichen Vorstellungen der Länder gescheitert. Jedes Land wollte seine Vorstellungen einbringen, wofür die Sonderabschreibung nicht gelten sollte. Das föderale System hat sicher auch Vorteile, aber an diesem Beispiel haben sich auch die Schwächen gezeigt. Es gibt Zeiten, in denen schnell gehandelt werden muss - das ist hier nicht gelungen.

Hätte die Sonderabschreibung überhaupt einen Effekt gehabt? Geld und Investoren sind doch ohnehin im Überfluss da.

Es kommt aber darauf an, was und wie teuer gebaut wird. Die Herstellungskosten in Deutschland sind zu hoch. Da muss man dagegen halten. Bauen muss bezahlbar sein. Das ist unsere zentrale Forderung an den Bund und auch an die Länder. So muss zum Beispiel die Grunderwerbsteuer-Rallye endlich ein Ende haben. In manchen Ländern zahlen Käufer schon bis zu 6,5 Prozent. Das ist nicht akzeptabel. Die Länder müssen die Grunderwerbsteuer wieder senken. Das wäre übrigens auch der beste Weg, Wohneigentum zu fördern. Die Reduzierung von Kosten ist viel effizienter als große Investitionsprogramme wie eine Eigenheimzulage. Zu den Kostentreibern gehören auch überzogene Anforderungen an den Klimaschutz.

Das Thema Energie hatte für einen Eklat im Bündnis für bezahlbares Wohnen gesorgt. Zwischenzeitlich waren Sie sogar aus dem Bündnis ausgetreten. Was war da passiert?

Zunächst einmal: Wir stehen ganz klar hinter den Klimazielen von Paris. Das ist keine Frage. Wir können das auch, das haben wir bewiesen. Von 1990 bis 2014 sind die CO₂-Emissionen im Gebäudebereich von 209 auf 119 Millionen Tonnen gesunken. Kein anderer Wirtschaftssektor konnte solche Ergebnisse vorweisen. Es geht aber um das Maß und die Methoden. Es darf keine Regulierungsdiktate geben. Doch im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung plötzlich entschieden, dass im Gebäudesektor weitere acht Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart werden sollen. Die energetischen Anforderungen sollten daher noch weiter erhöht werden. Damit hätte man den Neubau noch mal stark verteuert, aber kaum einen Nutzen gehabt. Wir mussten als Branche daher ein Zeichen setzen.

Sollte Deutschland in Zeiten, in denen sich Länder wie die Vereinigten Staaten vom Pariser Abkommen verabschieden, nicht Vorreiter sein?

Noch mal: Wir unterstützen ganz klar die Klimaziele. Aber es geht um intelligente Methoden, wie diese erreicht werden können. Umweltschützer fokussieren sich zum Beispiel viel zu sehr auf die Einzelimmobilie und die Energie, die direkt im oder am Haus erzeugt wird. Wir richten den Blick auf das gesamte Quartier. Es ist doch völlig egal, ob die saubere Energie unmittelbar am Gebäude erzeugt wird oder ein paar hundert Meter weiter, zum Beispiel in einer Windkraftanlage oder einem Blockheizkraftwerk. Mittlerweile scheint aber ein Umdenken einzusetzen, wie die aktuelle Debatte zum Thema Mieterstrom zeigt. Ich bin zuversichtlich, dass die Betrachtung des Quartiers in Zukunft eine größere Rolle spielen wird.

Auch auf dem Tag der Immobilienwirtschaft in der kommenden Woche soll es um Zukunftsthemen gehen. Sie erwarten mehrere Kabinettsmitglieder und die Bundeskanzlerin. Ist das ein Indiz dafür, dass Immobilienthemen im Wahlkampf und auch in einer neuen Bundesregierung eine große Rolle spielen werden?

Die Branche ist ein Riesen-Faktor in Deutschland. Die Immobilienwirtschaft hat schließlich einen Anteil von etwa 20 Prozent an der Bruttowertschöpfung. Deutschland ist ein sicherer Hafen, was die Konjunktur angeht. Die Immobilienwirtschaft ist dabei ein besonderer Stabilitätsanker. Und wenn man das so behalten möchte, sollte man nicht den Ast absägen, auf dem man sitzt. Es ist ja nicht so, dass wir überhaupt keine Regulierungen brauchen, zum Beispiel auf den Finanzmärkten. Man sollte es aber nicht übertreiben.

Ist die Bundesregierung überhaupt der wichtigste Adressat der Branche? Gerade im Neubau sind ja oft die Kommunen der Flaschenhals.

Tatsächlich gibt es in vielen Stadtverwaltungen zu wenig Mitarbeiter. Über Jahrzehnte sind viele Genehmigungsbehörden regelrecht ausgeblutet. Gemessen an den Anforderungen sind die Mitarbeiter auch noch unterbezahlt. Da ist es für die Behörden natürlich schwierig, am Arbeitsmarkt qualifiziertes Personal zu bekommen. Die Städte brauchen aber Vollprofis, die auch entsprechend bezahlt werden. Für den Neubau wären mehr Geld und Personal für die Verwaltungen ein riesiger Fortschritt.

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