Pop up my Bathroom:Turnhalle im Bad

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Die Nasszelle von morgen muss viele Wünsche erfüllen. Der Whirlpool hat ausgedient, die Yoga-Matte wird ausgerollt. Nichts scheint unmöglich. Wer will, kann sogar die Armaturen selbst gestalten - mit dem 3-D-Drucker.

Von Helga Einecke

Wenn es um das Badezimmer geht, passen Frauen und Männer nicht wirklich zusammen. Sie träumt von einem ganz in Rosé gehaltenen Raum mit textil ummantelter Wanne, pinkfarbenen Schmetterlingen an der Wand, einer Projektionsfläche mädchenhafter Moden. Er denkt an ein dunkel getäfeltes Loft voller Metall und Holz mit fiktivem Blick auf die New Yorker Skyline und dem Design-Fahrrad an der Wand.

Natürlich ist dieser Kontrast zwischen parfümierter Puppenstube und kalter Körper-Werkstatt übertrieben. Aber die menschliche Nasszelle muss tatsächlich viele Wünsche erfüllen. Nicht nur die von Paaren, sondern auch von Familien, Singles, alten Leuten. Die Hersteller von Bädern bieten deshalb viele Arten von individuellen Wohnbadezimmern. Auf der Frankfurter Sanitär-Fachmesse ISH zeigten sie im Trendforum "Pop up my bathroom" einige Lösungen, deren Übertreibungen ein Teil des Show-Effekts sind. Das weibliche Bad firmiert unter "Fashion Bathroom" mit der Ansage, vorbei sei die Weiß-in-Weiß-Tristesse und die hoch gekachelte kalte Wand. Modische Elemente und Farben kehrten ins Bad zurück, ebenso wie Textilien, wasserabweisende natürlich.

Das männliche Bad namens "sophisticated" bildet den Gegenentwurf zum Landhausstil. Der coole Look passt vor allem in kleine Stadtwohnungen. Eine puristische Handtuchleiter, minimalistische Möbel, präzise Kanten und Flächen, der Armaturengriff gleicht einem Joystick. Hinzu kommen metallische Farben wie Chrome, Nickel, Brass, Bronze und Steel.

Das Modell "Komfort" greift das Geschlechterthema nochmals auf. Anstelle des Doppelwaschtischs finden Paare getrennte Badmöbel. Sie mag aufgeräumte Schubladen, er das offene Chaos. Ergonomisch gestaltete Möbel sollen das Verweilen erleichtern. Angeblich verbringt der Mensch drei Jahre seines Lebens auf der Toilette.

Auf dem Spiegel erscheint der Wetterbericht, die Push-Nachricht, der Whatsapp-Chat

Das alte Schlagwort barrierefrei fällt nicht mehr, es wird durch "Komfort" ersetzt, klingt einfach komfortabler. Das Badezimmer ohne Stolperfallen umfasst viele Punkte: Duschen auf Bodenebene, Haltegriffe, Klappsitze, Podeste und berührungslose Armaturen gehören dazu. Wer in ein neues Bad investiert, achtet häufig schon in jüngeren Jahren auf die neuen Standards, zu denen auch das spülrandlose WC oder das Dusch-WC gehören. Dagegen sind die Fliesen auf dem Rückzug. Ein sparsamer Umgang mit der Kachel bietet Raum für neue Materialien.

Hochgehalten wird bei den Bädern das Thema Gesundheit. Wellness und Whirlpool haben ausgedient, Kneippen und Wechselbäder sind wieder angesagt. Wer Platz hat, rollt im Bad die Yoga-Matte aus, stellt das Laufband neben die Dusche, ersetzt den Handtuchhalter durch eine Turnleiter. Körperpflege als Gesundheitspflege heißt das Motto hier. Im Alter findet das Blutdruck-Messgerät hier seinen Platz, ebenso wie die Tablettenration samt Arzneimittelschrank.

Natürlich wird auch im Bad alles digital. Die jüngsten echten Innovationen hießen ja Einhebelmischer und Duschabtrennung. Drehen und Hebeln fällt nun weg, es wird gedrückt wie auf dem Smartphone oder gestikuliert. So wechselt die Strahlart oder die Farbe der Brause, regelt sich die Wassertemperatur am Waschbecken. Per App lässt sich die Wanne füllen. Auf dem Spiegel mit Internetzugang erscheint der Wetterbericht, die Push-Nachricht, der Whatsapp-Chat. Das intelligente Bad wird ferngesteuert, sein Standard ist das Dusch-WC. Hinter seiner Wand und im Boden verbergen sich Sensoren aller Art, ein elektronischer Baukasten. Sogar der Sturz eines Menschen lässt sich registrieren und weiterleiten.

Der technischen Spielerei scheinen kaum Grenzen gesetzt. Anstelle der kalten, glatten Fliesen berühren die Füße neue Böden, die wie Holz aussehen, aber keines sind. Und es kommt die Vernetzung des Bades mit der übrigen Wohnung. Aber nicht alles muss von der Stange gekauft werden. Armaturen-Modelle aus dem 3-D-Drucker lassen sich selbst gestalten, keine Geschmacksvorliebe ist unmöglich. Einen optischen Gegenentwurf zum Hightech-Raum bietet das "grüne Badezimmer" mit Möbeln aus dem Gewächshaus. Umweltbewusstes Konsumverhalten bedeutet vor allem Vorrang für sparsamen Umgang mit Wasser. Recycelbare Materialien, das moderne WC und viele Zimmerpflanzen ergänzen diesen Naturtrend.

Einerseits wollen die Hersteller weg von dem Bad, das zeitlos schön ist und 20 Jahre lang hält. Modischer und zeitgeistiger soll es künftig rund um Zahnpasta, Rasierer und Fön zugehen. Ihr Modell "condensed" erscheint da noch am realistischsten. Es ist für das kleine, kompakte Bad komponiert. Schlicht, hochwertig und mit aufgeräumter Optik möbliert schon heute vor allem der Stadtmensch sein Duschklo.

Eine Komplett-Renovierung - Dusche, Waschbecken, Wanne, Klo und Fliesen - kostet 20 000 Euro

Das Wort Design fällt ebenfalls nicht mehr. Schließlich erwarte man Design heute bei allen Produkten und Preisen. Andererseits aber verkaufen die Hersteller das Bad als langlebig und nachhaltig. Natürliche Materialien wie Holz, Porzellan, Glas, Stein, Metall seien überwiegend recyclingfähig. Der Wasserverbrauch sei ohne Komfortverluste senkbar.

Hygienisch soll das Bad natürlich auch sein, durch leicht zu reinigende Oberflächen, Trinkwasserhygiene, gute Belüftung, Wasserdampf speichernden Wandputz. Die Haptik, also das Anfassen und Berühren, spielt im Badezimmer eine wichtige Rolle. Warm und weich soll es werden statt glatt und kalt. Steinguss, Beton, Holz, Naturstein sollen das Anfassen des Materials erleichtern.

Jens Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Sanitärwirtschaft, gibt unumwunden zu, dass es seiner Branche gutgeht. Die Deutschen investieren in ihre Bäder, der Bauboom tut sein Übriges. Auch staatliche Zuschüsse für barrierefreie Bäder helfen. Immerhin muss man für ein komplett neues Badezimmer mit Dusche, Waschbecken, Klo, Wanne und Fliesen mit 20 000 Euro rechnen. Das macht diesen Raum zu einer wertvollen Investition, die eben doch entsprechend lange halten soll.

Aber die Digitalisierung dürfte der Langlebigkeit einen Strich durch die Rechnung machen. "Wir können von einer Revolution im Badezimmer sprechen", sagt Wischmann. Die Revolution passiere hinter der Wand und hinter dem Spiegel, der Badbenutzer bekomme davon nicht viel mit. Das aus Hotels und Gastronomie bekannte technisierte Bad stehe vor einer breiten privaten Verwendung. Wie bei einer Einbauküche sollen künftig auch die Bäder weitgehend vorgerüstet werden. Erst wird festgelegt, wo überall Wasser und Strom hinmüssen, die beiden wichtigsten Quellen des Bades. Dann wird vorgefertigt, den Gegenseiten des Raumes angepasst. Eine schnelle Montage erleichtert das Arbeiten und spart Kosten.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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