Politischer Einfluss auf Notenbanken:Wechselkurs auf Wunsch

Europäischen Zentralbank

Gerade wird der Euro heruntergeredet, dabei hatte er noch im Mai ein Zweieinhalbjahres-Hoch erreicht.

(Foto: dpa)

Von wegen freies Spiel von Angebot und Nachfrage: Die Politik betrachtet Wechselkurse gern als Wunschkonzert, und die formal unabhängigen Zentralbanken helfen dabei. Experten sehen bereits ein altes Währungsregime wiederaufleben.

Von Simone Boehringer

Sie reden ihn gerade mal wieder herunter, den Euro. Analysten der Deutschen Bank, von Goldman Sachs und anderen Häusern sagen für die Gemeinschaftswährung in drei Jahren einen Wechselkurs von gerade einem Dollar oder etwas mehr voraus. Die Deutsche rechnet sogar mit 95 US-Cent pro Euro, damit könnte man für die europäische Währung in Amerika so wenig kaufen wie zuletzt 2002.

Klar, der Euro fällt momentan. Rund 7,3 Prozent hat er zum Dollar seit Juni eingebüßt. Allerdings ist die Schwankungsbreite in diesem Jahr auch ungewöhnlich hoch: Noch im Mai hatte der Euro ein Zwei-Einhalb-Jahres-Hoch von knapp unter 1,40 Dollar erreicht, ehe er am 3. Oktober bis auf 1,25 Dollar abstürzte.

Die Geldpolitik der Amerikaner ist nach wie vor expansiv

Als Auslöser für den Euro-Abstieg gilt zum einen die schwächelnde Konjunktur. Nach den jüngsten Prognosen geht die Rezessionsangst wieder um, ein Szenario, das sich insbesondere die hoch verschuldeten Länder der Euro-Zone nicht leisten können. In den USA dagegen zieht das Wachstum an.

Als zweite Begründung für die Euro-Talfahrt muss die Zinsdifferenz herhalten. Tatsächlich liegt der US-Leitzins kaum höher als der in der Eurozone und US-Staatsanleihen rentieren besser als deutsche Bundesanleihen. Fed-Chefin Janet Yellen bereitet die Welt schon länger auf eine mögliche Zinswende vor und sie reduziert Anleihekäufe, während in der Eurozone gerade über neue Programme diskutiert wird. Und ein Ende der Minizins-Politik der Europäischen Zentralbank ist nicht in Sicht.

Diese Rhetorik ist mächtig, wenn man die Kursbewegungen der vergangenen Wochen betrachtet. Sie beschreibt aber nur die halbe Wahrheit. Denn unterm Strich wächst die Bilanzsumme der Federal Reserve immer noch weiter. Das heißt: Die Geldpolitik der Amerikaner ist nach wie vor expansiv, während die der Europäer das erst wieder stärker werden soll.

Aktivistische Notenbanken

"Die EZB hat die Bilanzsumme seit 2011 um gut ein Drittel reduziert. Erst mit dem jüngst diskutierten Aufkaufprogramm würde sich das signifikant ändern", erklärt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank. Ein Absacken des Eurokurses unter die Ein-Dollar-Marke hält er deshalb für unrealistisch - und politisch auch nicht gewollt.

Nicht dass die Politik offiziell etwas zu schaffen hat mit der Geldpolitik. Die Zentralbanken sind formal unabhängige Institutionen. Aber: "Wir haben heute aktivistischere und politiknähere Notenbanken, die versuchen, die Konjunktur mitzubestimmen", erklärt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

"Der politische Einfluss hat stark zugenommen"

Der Begriff des "Wechselkurs-Managements" sei längst keine Geheimformel mehr, sondern eher übliches Thema bei hochrangigen Treffen zwischen Finanzministern und Zentralbankern, so Hellmeyer: "Der politische Einfluss auf die EZB hat stark zugenommen." Solange die meisten Währungshüter in dieselbe Richtung liefen, also Zinsen senkten und mehr oder weniger viel Geld druckten, fiel dies nicht weiter auf. Die Wechselkurs-Schwankungen hielten sich in Grenzen.

Wer am meisten Liquidität schuf und die geringsten Zinsen bot, hatte in der Regel die billigste Währung. Teils herrschte ein regelrechter Abwertungswettlauf. Die EZB blieb lange vergleichsweise zurückhaltend, entsprechend stabil zeigte sich der Euro zu anderen Währungen, mehr noch, er wurde stärker. Die Exportindustrie stöhnte, weil sie um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchtete. Und Briten, Amerikaner, Japaner und andere freuten sich, konnten sie doch ihre Waren am Weltmarkt billiger anbieten als die Europäer.

"Langfristig bringt so ein Abwertungswettlauf aber nichts" meint Chefvolkswirt Krämer und betont die Risiken, sich damit "Inflation einzukaufen". Zwar werden die Exporte günstiger, wenn die Währung an Wert einbüßt, aber eben auch die Importe teurer, für manche Länder sehr teuer, wie etwa Argentinien, Japan oder auch Russland vor Putins Gegensanktionen an den Westen feststellen mussten. Aus demselben Grund kommt nach der jüngsten Euro-Abwertung auch der Preisverfall bei Öl und anderen Rohstoffen in der Eurozone nur sehr abgeschwächt an.

Neue Bandbreiten für den Euro-Kurs

Tatsächlich übernehmen die Zentralbanken seit Ausbruch der Finanzkrise immer mehr Aufgaben der Politik, die günstigen Zinsen und die Ausweitungen der Liquidität sollten Staaten und Banken Zeit geben, ihre Kreditrisiken in den Griff zu bekommen. Weil dies häufig nicht oder nicht so schnell klappt wie erhofft, werden die Zentralbanken für immer mehr Aufgaben verantwortlich gemacht, eben auch für die Wechselkurse.

Ob diese durch die variablere Geldpolitik nun wirklich besser zu steuern sind als früher, bleibt abzuwarten. Commerzbank-Mann Krämer ist skeptisch, Experte Hellmeyer dagegen sieht längst ein informelles Wiederaufleben eines alten Währungsregimes, der sogenannten Währungsschlange.

Der Ausgang des währungspolitischen Experiments ist offen

Vor der Euro-Einführung wurden die nationalen Währungen durch Eingriffe der Notenbanken in bestimmten Bandbreiten einander angenähert. In diesem Stil, meint Hellmeyer, "werden die Zentralbanken in Absprache mit der Politik versuchen, den Eurokurs in neue Bandbreiten zwischen 1,20 und 1,30 Dollar" zu führen. Kurse darüber, wie sie bis vor kurzem vorherrschten, machten insbesondere den Industrien in südeuropäischen Ländern zu sehr schaffen.

Ob ein solches währungspolitisches Experiment sich durchsetzt und wie es ausgeht, ist völlig offen. Fest steht: Nur wenige Zentralbanken können den Außenwert von Währungen überhaupt dauerhaft beeinflussen, weil die Länder über die ökonomische Macht oder über große Devisenreserven verfügen, um die Wunschkurse auch zu verteidigen. Dazu gehören neben der EZB die US-Fed oder die Bank of China, deren Yuan ohnehin noch politisch stark reguliert ist.

Eine Steuerung von Wechselkursen birgt in jedem Fall Risiken. In Großbritannien etwa war die Währungsschlange lange vor dem Euro gescheitert. Einem spekulativen Angriff aufs Pfund 1992 hielt die Bank of England nicht Stand. Die Briten mussten das Währungssystem verlassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: