Plus-Energie-Haus:"Die Menschen sind aufgewacht"

Ein von der TU Darmstadt entwickeltes Haus gewinnt Energie. Immer mehr Bauherren setzen auf nachhaltige Gebäude.

Von Silke Lode

Auf den ersten Blick kann man den Holzbungalow am Münchner Marienhof für ein normales Wohnhaus halten. Oder auch für einen Messepavillon - modern, leicht und billig. Auffällig ist die große Glasfront, und das viele helle Holz, das an der Fassade verbaut worden ist. Das außergewöhnliche Gebäude ist eine Mischung aus Kraftwerk und Passivhaus, ein sogenanntes Plus-Energie-Haus.

Plus-Energie-Haus: Etwa acht Megawattstunden mehr Strom als benötigt wirft das Plus-Energie-Haus der TU Darmstadt pro Jahr ab. Damit könnten seine Bewohner jährlich rund 2700 Euro verdienen. Das Gebäude, das vor zwei Jahren den Solar-Decathlon-Wettbewerb gewonnen hatte, kann noch bis zum 15. April auf dem Münchner Marienhof besichtigt werden.

Etwa acht Megawattstunden mehr Strom als benötigt wirft das Plus-Energie-Haus der TU Darmstadt pro Jahr ab. Damit könnten seine Bewohner jährlich rund 2700 Euro verdienen. Das Gebäude, das vor zwei Jahren den Solar-Decathlon-Wettbewerb gewonnen hatte, kann noch bis zum 15. April auf dem Münchner Marienhof besichtigt werden.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Studenten der TU Darmstadt haben es unter der Leitung ihres Professors Manfred Hegger entworfen. Sie haben die für Passivhäuser typische kompakte Bauweise und gute Dämmung mit aktiven Systemen zur Energiegewinnung wie Solarzellen und einer Wärmepumpe kombiniert. Serienreif ist das Haus noch nicht, aber es hat im Jahr 2007 in den USA den Solar Decathlon-Wettbewerb gewonnen und tourt jetzt auf Kosten des Bundesbauministeriums durch Deutschland.

Dioden hinter Plexiglas

An den Holzschiebetüren schimmern kleine Lamellen. "Das sind Dünnschicht-Photovoltaikzellen", erklärt Jürgen Ujlaki von Schott Solar, dem Hersteller der Solarzellen. Jede einzelne Lamelle trägt ein solches Modul. Man kann einzelne Flügel aufschieben, um Licht und die wärmende Sonne ins Haus zu lassen. Wenn die Studenten der TU Darmstadt oder ihre Partner aus der Industrie Besucher durch das Gebäude führen, weisen sie stolz auf technischen Feinheiten wie die Solarlamellen hin.

Warmes Wasser wird mit Hilfe von Solarthermie erzeugt, statt mit gewöhnlichen Glühbirnen wird das Haus mit Leuchtdioden erhellt, die eine sehr lange Lebensdauer haben und selbst Energiesparlampen als Stromverschwender vorführen. "Die Beleuchtung ist trotzdem sehr angenehm, da die LEDs hinter Plexiglasscheiben angebracht sind, die das Licht streuen", sagt Tomislav Kovacevic, einer der Entwickler aus Darmstadt, der inzwischen mit seinen Kommilitonen ein Architekturbüro gegründet hat.

Eine Öl-, Gas- oder Holzheizung gibt es nicht. Doch obwohl die Haustür wegen des großen Besucherandrangs ständig offensteht und draußen frostige Temperaturen herrschen, ist es drinnen wohlig warm. "Auf dem Dach gibt es weitere Solarzellen", erklärt Kovacevic. "Mit der Sonnenenergie wird unter anderem der elektrische Motor einer Wärmepumpe betrieben, die wir zum Lüften, Heizen oder Kühlen brauchen." Ein raffiniertes System entzieht der Abluft 80 Prozent ihrer Wärme und hält diese im Haus.

Logische Weiterentwicklung der Öko-Architektur

Im Jahresdurchschnitt, rechnet Kovacevic vor, brauche das Haus zwei Kilowattstunden Strom pro Quadratmeter, zugleich könnten zu Spitzenzeiten bis zu 16 Kilowattstunden Strom erzeugt werden. Deshalb wird das Gebäude als Plus-Energie-Haus bezeichnet: Es kann nicht nur seinen eigenen Energiebedarf decken, sondern zusätzlich Ökostrom in das Netz einspeisen. "Bisher kommen wir auf eine Überproduktion von acht Megawattstunden pro Jahr. Solange die Preise vom Staat fixiert bleiben, lassen sich damit etwa 2700 Euro verdienen", sagt Kovacevic. Und er geht davon aus, dass noch mehr aus dem Haus herauszuholen ist.

Die Plus-Energie-Häuser sind eine logische Weiterentwicklung der Öko-Architektur. Ihre Vorläufer haben sich längst etabliert: In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden bereits mehr als 8000 Passivhäuser bewohnt, die mit einem Verbrauch von weniger als 1,5 Litern Heizöl pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr den Standards des privaten Darmstädter Passivhausinstituts entsprechen.

"Die Leute wollen sich unabhängig machen"

Die Grenze des Möglichen ist damit noch längst nicht erreicht: "Bereits in den achtziger Jahren wurde ein energieautarkes Haus in Freiburg gebaut", sagt Gerd Hauser, Professor an der TU München und Leiter des Fraunhoferinstituts für Bauphysik. Das Gebäude sei damals jedoch nur zu Forschungszwecken errichtet worden. "Plus-Energie-Häuser hätte man theoretisch schon vor zehn Jahren bauen können", sagt Hauser. "Aber sie wären deutlich teurer gewesen, die Dämmstoffe dicker und die Solarzellen nicht so effizient wie heute."

Technische Entwicklungen, staatliche Vorgaben, vor allem aber die hohen Öl- und Gaspreise haben dem nachhaltigen Bauen inzwischen zu einem regelrechten Boom verholfen. "Die Leute wollen sich unabhängig machen", sagt Hauser. Günstige Kredite für Öko-Häuser wie jene der Kreditanstalt für Wiederaufbau sind ein zusätzlicher Anreiz.

Teure Technik

Denn trotz der zunehmenden Serienproduktion ist die Technik für ein Niedrigenergiehaus immer noch teuer. Tomislav Kovacevic geht von 350.000 bis 400.000 Euro für ein Haus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche auf zwei Stockwerken aus. "Der Quadratmeter kostet mehr als das doppelte als im sozialen Wohnungsbau, das ist momentan schon jenseits der Schallmauer", räumt er ein.

Doch langfristig könne sich die Investition trotzdem lohnen, schließlich sparen die Besitzer nicht nur Energiekosten und könnten zudem durch die Einspeisung von Solarstrom Geld verdienen. "Ein Plus-Energie-Haus hat auch einen höheren Wiederverkaufswert", sagt Kovacevic. Und Hauser betont, dass der typische kompakte Baustil die Baukosten wiederum senke.

Deutsche Bank saniert auch

Nicht nur Privathäuser werden inzwischen energieeffizient gebaut oder saniert. "In Braunschweig hat eine Fabrik alle Register gezogen", berichtet Hauser. "Sie produziert so viel Strom, dass ihr Energiebedarf gleich Null ist." Eines der ersten Geschäftshäuser in Passivbauweise steht in Bautzen, dort ist ein Sportgeschäft eingezogen. Und die Deutsche Bank lässt ihre Frankfurter Konzernzentrale für 200 Millionen Euro sanieren, um die Hälfte der bisherigen Energiekosten einzusparen.

"Die Menschen sind aufgewacht", sagt Hauser. Diesen Geisteswandel will er weiter vorantreiben. In München rüstet sein Lehrstuhl gerade eine Schule zur Plus-Energie-Schule auf. "Die Schüler werden so von Anfang an für das Thema sensibilisiert und merken, dass es toll ist, in einem solchen Gebäude zu lernen und zu arbeiten."

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