Pfandbriefe:Ein Langweiler als Brandstifter

Pfandbriefe gelten als die sicherste aller Finanzierungsquellen - dennoch brachten sie den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate an den Rand des Ruins.

Martin Hesse

Die ersten Bilder sind dramatisch. Ein Mann wirft sich von Alpträumen geplagt auf einem Bett hin und her. Eine Feuersbrunst droht seinen Besitz zu verschlingen. Ein zweiter Mann ruht entspannt auf dem Sofa. Der Grund für seinen ruhigen Schlaf liegt neben ihm auf einem Tisch: das Pfandbriefgesetz. Als ein Funke aus dem brennenden Kamin darauf überzuspringen droht, wischt er ihn mit einer Handbewegung beseite.

Pfandbriefe: Ein Langweiler als Brandstifter

Pfandbrief der "Pommerschen Landschaft" aus dem Jahr 1855.

(Foto: Foto: oH)

Eigentlich wollte Louis Hagen mit diesem Video-Clip über die Finanzkrise und den Pfandbrief eine beruhigende Botschaft unter die Journalisten bringen. Doch bezeichnenderweise missglückte dem Geschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (VdP) der erste Startversuch für den Film. Und natürlich dreht sich die Jahrespressekonferenz des VdP dann um die Frage, warum eine Mitgliedsbank nach der anderen, von der Hypo Real Estate (HRE) über die Landesbanken bis zu Commerzbank und Aareal Bank, nun Staatshilfe braucht - obwohl der Pfandbrief "sich auch in der Finanzkrise bewährt hat", wie VdP-Präsident Henning Rasche versichert.

Verlässliche Quelle für Banken

Pfandbriefe galten jahrzehntelang als sichere Anlage für Investoren und daher als ebenso verlässliche Quelle für Banken, um sich an den Finanzmärkten Geld zu holen. Dieses Geld nutzten sie, um Kredite für Immobilien, Staaten und Kommunen sowie den Schiffsbau zu vergeben (siehe Kasten). In der Finanzkrise waren jedoch selbst an der Sicherheit der Pfandbriefe zeitweise Zweifel aufgekommen. Vor allem Immobilienfinanzierer wie die Aareal Bank hatten noch im ersten Halbjahr 2008 die Refinanzierung über Pfandbriefe ausgedehnt. Insgesamt stiegen die Neuemissionen von Pfandbriefen 2008 noch um 13 Prozent.

Doch der Kollaps der HRE erschütterte das Vertrauen, weil erstmals eine große, teils über Pfandbriefe refinanzierte Bank vor der Insolvenz stand. Die HRE macht ungefähr zehn Prozent des deutschen Pfandbriefmarktes aus. Zwar gelten für Pfandbriefinvestoren auch im Pleitefall hohe Sicherheiten. "Auch der Pfandbrief einer HRE ist sicher", sagt Hagen. Wenn es auch nur zum Ausfall eines einzigen Pfandbriefes käme, hätte das gravierende Folgen, angesichts des Ausmaßes, in dem sich deutsche Banken über dieses Instrument refinanzieren.

In Schieflage geriet die HRE mit ihrer Tochter Depfa nicht wegen der Pfandbrief-Finanzierung sondern trotzdem. Die Probleme der Depfa resultierten nicht aus dem Pfandbriefgeschäft, sie seien bei Geschäften in Irland aufgetreten, sagt Hagen. Dort lieh sich die Bank kurzfristig Geld, ohne entsprechende Sicherheiten zu halten, und legte es langfristig an. Als die kurzfristigen Finanzierungsmärkte einfroren, brach dieses Modell zusammen. Weil andere Arten verbriefter Wertpapiere die Finanzkrise auslösten, hat auch das Image des Pfandbriefs gelitten. Die Krise hatte ihren Ursprung darin, dass Banken zweitklassige Immobilienkredite verbrieften, weiterverkauften und so aus der Bilanz bekamen.

Der Markt lebt

Professor Markus Rudolf von der WHU Otto Beisheim School of Management weist jedoch darauf hin, dass die Kredite, die hinter Pfandbriefen stehen, anders als bei amerikanischen Verbriefungsformen in der Bankbilanz blieben. "Es ist extrem unwahrscheinlich, dass eine Krise wie die momentane entstehen würde, wäre das globale System der Refinanzierung von Hypothekendarlehen wie das deutsche Pfandbriefsystem organisiert", glaubt Rudolf.

Aber jetzt kämpfen auch die Pfandbriefbanken mit den Folgen der Krise und der staatlichen Reaktion darauf. Die Bundesregierung gewährt Banken Garantien für die Ausgabe von Anleihen mit einer Laufzeit bis zu drei Jahren und erwägt, sie auf fünf Jahre auszudehnen. Zwar ist es für Emittenten günstiger, sich über Pfandbriefe zu refinanzieren als über staatlich garantierte Anleihen. Das liegt daran, dass Banken für Garantieanleihen nicht nur Zinsen an die Anleger zahlen, sondern auch Gebühren an den Staat. "Doch der Markt ist nur begrenzt aufnahmefähig, deshalb verdrängen Garantieanleihen zum Teil den Pfandbrief", sagt Hagen. "Der Pfandbrief droht durch diese Wettbewerbsverzerrung weiter an den Rand gedrängt zu werden", fürchtet Rasche.

Tot sei der Markt aber nicht. Im Januar habe sich das Geschäft wieder belebt, sogar so genannte Jumbo-Pfandbriefe, die ein Volumen von mehr als einer Milliarde Euro haben, konnten die Postbank und die Landesbank Baden-Württemberg wieder platzieren. Anleger fassen offenbar wieder Vertrauen in die älteste Form der Verbriefung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: