Pendlerpauschale:Im Namen der Pendler

Vor dem Münchner Bundesfinanzhof ist die Kürzung der Pendlerpauschale verhandelt worden: Die Richter stellten bohrende Fragen - und die Vertreter des Finanzministeriums hatten kaum Antworten.

Corinna Nohn

Bäckermeister Heino H. aus dem baden-württembergischen Ravenstein fühlt sich vom Gesetzgeber ungerecht behandelt. Jeden Tag pendelt der 36-Jährige mit dem Auto ins 70 Kilometer entfernte Freiberg am Neckar, wo er in einer Großbäckerei arbeitet.

Den Aufwand für diese Fahrt kann er wie Millionen Bundesbürger jedoch nicht mehr voll als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Denn seit Anfang 2007 erkennt der Fiskus die Fahrtkosten nur noch ab Kilometer 21 als "Härte" steuermindernd an.

Für Heino H. und seine Familie macht dies im Jahr knapp 500 Euro aus. Und er sieht keinen Grund, warum die ersten 20 Kilometer auf dem Weg zur Arbeit steuerlich nicht genauso behandelt werden sollen wie der Rest der Strecke.

Urteil in zwei Wochen

Mit dem Verband der Lohnsteuerhilfevereine im Rücken hat er deshalb gegen die Kürzung seines Freibetrags vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg geklagt - allerdings erfolglos. Dabei verstößt die gesetzliche Neuregelung laut seinem Rechtsanwalt Norbert Hölscheidt nicht nur gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz, alle Menschen seien vor dem Gesetz gleich.

Auch das Gebot, Ehe und Familie zu schützen, werde verletzt, da Ehepartner mit Arbeitsplätzen in unterschiedlichen Himmelsrichtungen an verschiedene Orte ziehen müssten, um vom Steuerrecht bedacht zu werden. Hingegen sind die Finanzverwaltung und das Bundesministerium für Finanzen der Meinung, die Steuerpflicht und damit die Möglichkeit zur Steuerminderung beginne erst mit Durchschreiten des Werktors. Wo ein Arbeitnehmer wohne und wie lange er unterwegs sei, um die Stätte seiner Tätigkeit zu erreichen - das sei Privatsache.

Mittlerweile ist Heino H.s Verfahren in Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) in München gelandet, wo am Donnerstag die mündliche Verhandlung stattfand. Zwar werden die obersten Steuerrichter ihr Urteil erst in zwei Wochen verkünden und entscheiden, ob sie die Klage an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe weiterleiten. Doch es wurde augenscheinlich, dass der BFH der Auffassung des Finanzministeriums nicht ganz folgt.

So sei es fraglich, ob die Fahrt zur Arbeit rein privat bedingt sei, führte der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Kanzler aus: "Wenn jemand in die Nähe des Werktors zieht und der Betrieb dicht macht, ist es doch schwer vorstellbar, dass der dann längere Anfahrtsweg zu einer anderen Arbeitsstätte nicht betrieblich bedingt ist." Auch sei es unverständlich, dass die Kosten für einen Umzug aus betrieblichen Gründen oder die Miete für eine Zweitwohnung am Arbeitsplatz weiterhin steuerlich voll absetzbar seien, die tägliche Fahrt aber nicht.

Die Ministeriumsvertreter hatten den bohrenden Fragen der Münchner Richter nicht viel entgegenzusetzen. Ihr Hauptargument für das Abzugsverbot der Fahrtkosten war das Haushaltsloch im Jahr 2005 von mehr als 30 Milliarden Euro, ganz nach dem Motto: Irgendwo musste man ja sparen. Entsprechend zuversichtlich gab sich Rechtsanwalt Hölscheidt: "Für uns ist es hier optimal gelaufen. Die Richter haben sehr kritische und pointierte Fragen gestellt und Argumente vorgebracht, die ich in dieser Feinheit nicht mal in meinen Schriftsätzen habe." Er gehe davon aus, dass der BFH den Fall nach Karlsruhe verweisen werde.

Ob Heino H. künftig wieder seine vollen Fahrtkosten beim Fiskus geltend machen kann, ist eine andere Frage. Karlsruhe könnte auch raten, alle gleich zu behandeln, indem die Pendlerpauschale ganz abgeschafft wird.

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