Parkstadt Schwabing:"Lieblingsgarten" für jeden

Büroangestellte sollen hier in ihrer Mittagspause "intuitiv ihren Lieblingsgarten finden", hofft der Architekt, der eine Münchner Industriebrache in blühende Landschaften verwandeln will.

Ingrid Weidner

Es war eine besondere Herausforderung. Dort, wo die Münchner Schwerindustrie eine Brache und verwaiste Bahnflächen hinterlassen hatte, sollte Rainer Schmidt einen blühenden Park anlegen. Der Münchner Landschaftsarchitekt hatte 1994 zusammen mit den Architekten André Perret und Ilana Lewitan den Wettbewerb für die Gestaltung des "Parkstadt Schwabing"-Areals gewonnen.

Parkstadt Schwabing

Bei den Angestellten und Anwohnern ist der Zentralpark eine beliebte Erholungsfläche. Die "Highlight Towers" bilden das markante Ende im Süden.

(Foto: Foto: Remien/SZ)

Das Gelände grenzt im Süden an den Mittleren Ring und im Osten an die Autobahn. Insgesamt waren es also nicht die leichtesten Bedingungen für die Landschaftsarchitekten.

Schlummerndes Potential

Doch die Planer erkannten in dem ehemaligen Industriegelände ein schlummerndes Potential. Das speiste sich zum Beispiel aus der Nähe zum beliebten Gründerzeitviertel Schwabing und der Chance, dem Areal mit klaren Strukturen und viel Grün eine eigene Note zu geben.

Auf der ein Kilometer langen Nord-Süd-Achse entlang der Autobahn schotten heute 20 Meter breite Bürogebäude mit sieben Stockwerken und eine weitere Front mit fünf Etagen das Gelände wie ein Riegel vom Lärm der A9 ab. Parallel dazu erstreckt sich der 700 Meter lange und etwa 70 Meter breite Zentralpark, das Herzstück des Landschaftskonzepts. An der südlichen Spitze markieren die 126 Meter hohen "Highlight Towers" den Abschlusspunkt.

Eine Flaniermeile leitet von den Bürogebäuden zur Parklandschaft über. Momentan dient sie allerdings vorwiegend als Parkplatzfläche. Landschaftsarchitekt Schmidt hofft, dass die meisten Autos von dort verschwunden sein werden, wenn in einigen Jahren die neue Straßenbahn die Menschen in den Norden Münchens transportiert. Acht markante, weiß lackierte Stahlpergolen ragen zehn Meter in den Himmel und formen mit einem zehn Meter breiten Querbalken als leere Würfel die klare Nord-Süd-Achse des Parks.

Das herausstechende Element des Zentralparks sind die sieben Themengärten. Sie sollen die Nähe Münchens zu den Alpen symbolisieren. "Die bevorzugte Blickrichtung der Münchner geht nach Süden, zu den Alpen hin. Mit den Themengärten greifen wir dieses Thema auf", sagt Schmidt.

Die Motive der gestalteten Landschaft sind den unterschiedlichen Regionen des Alpenvorlands bis zur Holledau entlehnt: Fels-, Geröll-, Forst- oder Feldflurgarten mit Hopfen reihen sich an Hügellandschaften und große Rasenflächen. Das Team von Rainer Schmidt übersetzte diese Themen in eine abstrakte Formensprache.

"Lieblingsgarten" für jeden

"Die hier arbeitenden Büroangestellten sollen intuitiv ihren Lieblingsgarten finden, in dem sie sich wohlfühlen und gerne ihre Mittagspause verbringen wollen", sagt Schmidt. Die Angestellten der vielen Büros können sich auch in den beiden Schaukeln oder auf einer Rutschkugel in den Farb- und Spielgärten entspannen. Die meisten Bürogebäude verfügen allerdings ebenfalls über eigene Dachgärten, in denen sich die Konzeption des Parks widerspiegelt.

Neben den Bürokomplexen entstehen peu à peu auch weitere Wohnungen. Die Bauweise greift beispielsweise Ideen des Münchner Architekten Theodor Fischer auf, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die angrenzende Wohnsiedlung "Alte Heide" plante.

Den Grundriss des Wohnviertels bilden Ost-West-Achsen, die von der aufgelassenen Bahnlinie bis zu den Büroriegeln reichen. Charakteristisch sind auch die versetzt gebauten Wohnhäuser sowie die begrünten Straßenzüge. Dem Besucher eröffnen sich viele Aus- und Durchblicke. Große Rasenflächen und Bäume aus der Region wie Birken, Kiefern und Eichen kreieren eine durchgängige Parklandschaft. Eine Pflanzanleitung soll den Bewohnern helfen, die Grünanlagen vor ihren Häusern dem Konzept entsprechend zu gestalten. Auch in den Vorgärten möchte Landschaftsarchitekt Schmidt seine Handschrift wiedererkennen.

Es sind auch die kleinen Details, die für Erholung und sinnliche Eindrücke sorgen sollen. In den Gehwegen wurden beispielsweise extra angefertigte Steine verlegt, in die wenige Millimeter starke Balken eingearbeitet wurden. Im Sonnenlicht werfen diese Erhebungen kleine Schatten. "Wenn ich mich im Büro über etwas ärgere, fahre ich manchmal hierher", sagt Schmidt.

Eine Planungsgruppe aus Grundstückseigentümern, Bauherren und Architekten wacht darüber, dass das gestalterische Konzept eingehalten wird. Für das komplette Areal gibt es einen genauen Gestaltungsleitfaden, der für alle Käufer und Mieter verpflichtend ist. Selbst an die Straßennamen dachte die Planungsgruppe und schlug als Namensgeber berühmte Lehrer und Schüler des Bauhauses vor.

Neuer Schlusspunkt

Noch stören alte Gebäude wie ein städtischer Wertstoffhof, der bis 2010 verschwunden sein soll, die neue Ästhetik. Brachliegende Grundstücke und Bauzäune verzerren die Sichtachsen.

Doch viele Kräne und Arbeiter deuten in der Parkstadt Schwabing auf eine ansteigende Nachfrage nach Büro- und Wohnflächen hin: Die vorhandenen Lücken schließen sich langsam. Auch die große, wassergefüllte Baugrube am nördlichen Eckpunkt des Geländes in der Nähe der Autobahn wird bald verschwinden.

Für die Bayerische Hausbau hatte der Architekt Helmut Jahn schon vor einigen Jahren den 23-stöckigen Skyline Tower mit einer Geschossfläche von 44.100 Quadratmetern geplant. Im Jahr 2010 soll das Ensemble, zu dem auch fünf- bis siebengeschossige Seitengebäude gehören, fertig sein. Die Gebäude halten hohe Energiestandards ein, Jahn spricht daher von "green buildings" - auch der Begriff passt zu der Landschaft. Rainer Schmidt freut sich jedenfalls, dass die Nord-Süd-Achse der Parkstadt Schwabing jetzt endlich ihren nördlichen Schlusspunkt erhält.

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