Online-Abzocke:Ein Kochrezept: 249 Euro

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Wer beim Suchen nach einem Rezept nicht aufpasst, kann schnell bei Betrügern landen. Illustration: Stefan Dimitrov/SZ (Foto: N/A)

Vor zwei Jahren sollte ein Gesetz der Online-Abzocke mit Routenplanern und anderen Diensten den Riegel vorschieben. Doch die Gauner sind zurück und bitten sogar noch frecher zur Kasse.

Von Berrit Gräber, München

Eigentlich sollte die Massenplage längst ein Ende haben. Vor zwei Jahren, am 1. August 2012, trat die sogenannte Buttonlösung EU-weit in Kraft. Das neue Gesetz versprach Millionen Internet-Surfern endlich Schutz vor versteckten Kostenfallen, vor unerwünschten Abos über Intelligenztests oder Softwareprogramme und vor monatelangem Inkasso-Ärger. Nur wer einen deutlich beschrifteten Knopf klickt, sollte zahlen müssen. Soweit die Theorie. Dubiose Anbieter versuchen aber trotz der Neuregelung abzukassieren. Und sie langen sogar noch unverschämter hin als früher. Eine unbedachte Registrierung auf vermeintlich kostenfreien Service-Seiten wie einem Routenplaner - und schon kommt eine Rechnung über ein Jahr "Mitgliedschaft" für stolze 249 Euro. "Die Internetabzocke erlebt eine Renaissance", warnt Martina Totz von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Zurzeit melden sich viele Betroffene bei den Verbraucherzentralen. Sie sind entnervt, weil sie aus heiterem Himmel Rechnungen und Mahnungen von Anwälten oder Inkassobüros am Hals haben. Die meisten hatten lediglich nach kostenlosen Kochrezepten fürs Mittagessen und anderen Service-Angeboten gesucht. Gelandet sind sie aber auf den Seiten fragwürdiger Anbieter wie routenplaner-24.net, rezepte-portal-24.net, horoskop-portal-24.net oder tattoo-vorlagen-24.net. Nur, weil sie ihre E-Mail-Adresse eintippten, um sich beim Portal anzumelden, sollen sie jetzt die einmalige Jahresgebühr von 249 Euro zahlen. Die tot geglaubte Abkassier-Masche sei wieder "quicklebendig", hat auch Anne-Katrin Wiesemann von der Verbraucherzentrale Sachsen beobachtet. Vor 2012 hatten sich die Betrüger noch auf Forderungen von meist 96 Euro im Jahr beschränkt. Jetzt wollen sie mehr als das Doppelte.

Unseriöse Anbieter scheuen die Kosten von Inkassodiensten

So sieht die Rechtslage aus: Die neuen Zahlungsaufforderungen sind klar ungesetzlich. Seit August 2012 müssen Anbieter ihre Internetseiten so zu gestalten, dass der Verbraucher die kostenpflichtige Bestellung ausdrücklich bestätigt. Eine Schaltfläche mit der Aufschrift "zahlungspflichtig bestellen" muss deutlich auf die Kosten hinweisen, die fällig werden, wenn man darauf klickt. Damit sollte versteckten Kostenfallen ein für allemal ein Riegel vorgeschoben werden. Nur wer auf einen korrekt beschrifteten Button klickt, schließt einen rechtswirksamen Vertrag ab. Doch der Betreiber der neuen dubiosen Seiten, die Premium Media Service Ltd. mit Sitz im mittelamerikanischen Belize und einem europäischen Servicecenter in Wien, schert sich ganz offenbar nicht um die gesetzlichen Vorgaben. Der Bestellbutton ist nur mit der Aufschrift "Registrieren" versehen. Außerdem ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.

Betroffenen rät Verbraucherschützerin Wiesemann, auf keinen Fall zu zahlen. Weil der Online-Anbieter die gesetzlichen Vorschriften nicht einhält, kommt auch kein Vertrag zustande. Und wer keinen Vertrag abgeschlossen hat, muss auch nichts bezahlen. Verbraucherschützerin Totz rät Betroffenen, sich auch von wiederholten Rechnungen und Mahnungen nicht einschüchtern zu lassen. Vor 2012 hatten unzählige Verbraucher die verlangten Summen aus Furcht vor den angedrohten Inkassoverfahren und gerichtlichen Folgen bezahlt. Am besten sei, sich gleich nach der ersten unberechtigten Geldforderung aktiv zu wehren, per Einwurfeinschreiben zu antworten und den angeblichen Vertrag zu bestreiten, erklärt Totz. Kostenlose Musterbriefe gibt es unter anderem online unter www.vz-rlp.de/musterbriefe-internet-telefonie oder in den örtlichen Beratungsstellen der Verbraucherzentralen.

Und was ist, wenn die dubiosen Anbieter weiter Druck machen? Aus früheren Erfahrungen mit Abo-Fallen-Gaunern geben Verbraucherschützer den Rat, sich auf mögliche Drohungen mit Zwangsvollstreckung, Einkommenspfändung, Inkassoverfahren, mit Gerichtsvollzieher oder Schufa-Einträgen einzustellen. Doch meist bleibt es bei Drohungen. Unseriöse Firmen geben nach einer Weile auf, weil sie für Inkassodienste oder gar den gerichtlichen Mahnbescheid finanziell in Vorleistung gehen müssten. Davor scheuen sie aber zurück.

Besonders perfide: Die Betrüger streuen im Internet angebliche Gerichtsurteile, die Verbraucher davon überzeugen sollen, dass sie keine Chance gegen die Anbieter hätten, wie die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt warnt. Die frei erfundenen Urteile vom Oberlandesgericht Frankfurt oder auch vom Amtsgericht Mainz tragen falsche Aktenzeichen wie 8 C 257/15 oder 33 C 358/15. Betroffene, die sich nicht sicher sind, sollten sich nicht einschüchtern lassen und sich an eine Verbraucherzentrale wenden.

© SZ vom 25.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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