Olympische Spiele:Bauchlandung auf dem Boden der Tatsachen

Nach der Rekordjagd ist an Chinas Börse Ernüchterung eingekehrt. Nun warten die Chinesen auf den Olympia-Boom - vergeblich.

J. Vougioukas

Es ist, als hätte es die chinesische Regierung geahnt. Zwei Wochen vor dem Beginn der Olympischen Spiele schickte die Pekinger Börsenaufsicht ein Rundschreiben an alle wichtigen Fondsmanager, Analysten und Banker: "Wir wollen alle Investmentfonds daran erinnern, die Verwaltung von externen Kommentaren zu verbessern. Firmen, die die Regeln nicht befolgen oder sich sozial negativ verhalten, müssen die Folgen tragen", warnte die Börsenaufsicht.

Olympische Spiele: Chinas Aktienmarkt will sich nicht von der allgemeinen Olympia-Euphorie anstecken lassen.

Chinas Aktienmarkt will sich nicht von der allgemeinen Olympia-Euphorie anstecken lassen.

(Foto: Foto: dpa)

Und die Branche verstand die kaum verhüllte Warnung: Bis zum Ende der Olympischen Spiele sind alle negativen Aussagen über den Aktienmarkt tunlichst zu unterlassen.

Im vergangenen Oktober schloss der Shanghai Composite Index erstmals bei 6124 Punkten. Seitdem hat er 57 Prozent an Wert verloren. Und offenbar hatte die Börsenaufsicht bereits geahnt, dass der Olympische Sportsgeist sich nicht auf den Aktienmarkt übertragen würde.

Wenige Stunden vor dem Beginn der Eröffnungszeremonie am Freitag im Pekinger Nationalstadion schloss der Composite Index erneut mit einem Verlust von 4,47 Prozent. Auch die Börse von Shenzhen gab um 4,17 Prozent nach. Am Montag waren die Verluste sogar noch größer.

Am schlimmsten betroffen ist dabei die Beijing Capital Tourism Company. Deren Aktien wurden am Freitag nach einem Verlust von zehn Prozent vom Handel ausgesetzt. In den vergangenen Wochen hatte die Tourismusindustrie in Erwartung eines Besucherbooms überaus große Gewinne verbucht.

Jetzt, zum Beginn der Olympischen Spiele, wird jedoch erkennbar, dass die Hoffnungen sich nicht erfüllen werden. "Die Investoren sind enttäuscht, weil es den sogenannten Olympiaboom nicht gegeben hat", sagte Analyst Lu Xiao vom Brokerhaus Everbright Securities in Shanghai.

Den großen Knall gab es nicht. Aber als die Blase im Oktober anfing, langsam Luft abzulassen, hatte der Shanghai Composite Index die aufregendste Zeit seiner kurzen Geschichte hinter sich. Im Juni 2005 notierte der Index gerade knapp über der Marke von 1000 Punkten.

Kein Boom hält ewig

Und kletterte in nicht einmal anderthalb Jahren um 500 Prozent - doppelt so viel wie die amerikanische Technologiebörse Nasdaq während der Internethausse Ende der neunziger Jahre. Büroangestellte hatten ihre Jobs gekündigt, um sich ganz dem Aktienmarkt zu widmen. Rentner investierten ihre Lebensersparnisse, Schüler gingen nicht mehr zur Schule. Die chinesischen Medien berichteten sogar über Mönche, die vom Aktienfieber infiziert worden waren. Doch die Experten warnten: Kein Boom hält ewig.

In den vergangenen Jahrzehnten haben die Olympischen Spiele ihren Gastgeberländern stets einen Börsenboom beschert. Von Los Angeles bis Athen - in den sechs Monaten nach den Spielen verbesserten sich die Börsenkurse im Durchschnitt um 19,12 Prozent.

Tatsächlich stimmen auch in China die Rahmendaten. Viele Aktien scheinen heute im Vergleich zum vergangenen Jahr als regelrechte Schnäppchen - obwohl die meisten börsennotierten Unternehmen ihre Gewinne in den vergangenen Monaten deutlich steigern konnten.

Dennoch mag inzwischen kaum noch ein Investor daran glauben, dass sich Chinas Aktienmarkt in den kommenden Wochen erholen könnte, die Angst vor weiteren Kurseinbrüchen sitzt noch immer tief. Die Nasdaq oder die Börsen von Tokio oder Taiwan haben bei vergleichbaren Kurseinbrüchen am Ende jeweils etwa 80 Prozent an Wert verloren.

Und sie brauchten viele Jahre, um sich wieder zu erholen. Es scheint, als würden auch die chinesischen Anleger damit rechnen, dass der Tiefpunkt noch nicht erreicht ist. Da hilft es auch nicht, dass die Regierung den Fondsmanagern den Mund verboten hat.

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