Offene Rechnungen im Fall Wolfowitz:Bush und sein Bankchef

Im Skandal um den Weltbankchef Wolfowitz geht es längst um mehr als nur unerlaubte Gehaltserhöhungen. Die Affäre wird zum Symbol für die Schwäche der Bush-Regierung und transatlantische Machtverhältnisse.

Stefan Kornelius

Der Mann kam aus dem Pentagon, wo er Amerikas schlimmstes Kriegs-Trauma angerichtet hatte. Er wandelte sich zum wortgewaltigen Reformer - und er blieb es. 13 Jahre lang saß Robert McNamara, US-Verteidigungsminister in den Vietnam-Jahren, auf dem Chefstuhl der Weltbank.

Offene Rechnungen im Fall Wolfowitz: Die Affäre um Paul Wolfowitz wird zunehmend ein Testfall für die außenpolitische Kompetenz im Weißen Haus.

Die Affäre um Paul Wolfowitz wird zunehmend ein Testfall für die außenpolitische Kompetenz im Weißen Haus.

(Foto: Foto: AFP)

Seine Präsidentschaft gilt heute als Schlüsselphase für die Modernisierung der Institution. McNamaras Biographie diente als Vorbild für den zweiten Versorgungsfall aus dem Pentagon, zweieinhalb Jahrzehnte später.

Paul Wolfowitz war stellvertretender Minister im Verteidigungsministerium, er zündete den ideologischen Treibsatz vor dem Irak-Krieg, das von ihm zu verantwortende Trauma lässt sich noch gar nicht abschätzen. Dann aber endet der Vergleich, denn anders als McNamara darf Wolfowitz nicht Präsident der Weltbank bleiben.

Schlüsselfigur der "Neocons"

Als Wolfowitz die Führung der Institution übernommen hatte, schien er sich erstaunlich gewandelt zu haben. Vorher stand der Mann im Zentrum hitziger ideologischer Gefechte über den Atlantik hinweg.

Er war die intellektuelle Schlüsselfigur der Bewegung der Neokonservativen, er beförderte in Amerika den Glauben daran, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen gehortet habe. Seine neue Position aber trat Wolfowitz 2005 gehüllt in einen Schafspelz an.

In einen Schafspelz gehüllt

Still und unbeirrt verfolgte er seine Politik: gegen Korruption, gegen Begünstigung, gegen Vetternwirtschaft. 90 Prozent der Weltbank-Mitarbeiter standen gegen ihn, auf jeder Reise sammelten sich Demonstranten.

Aber Wolfowitz, der sich im schlimmsten Schlachtengetümmel besonders wohl zu fühlen scheint, konnte dies nicht beirren. Er wollte der großherzige Darlehensgeber sein, der allerdings ein strenges Regelbuch unterm Arm trug.

Hohe Verblendung

Um so einleuchtender, wenn der Mann nun seinen Posten räumen soll, weil er gegen die eigenen Regeln verstieß: Begünstigung und Vetternwirtschaft. Die Belege sind erdrückend, sie werden seit Tagen öffentlich dargereicht, Wolfowitz selbst hat in hoher Verblendung seine eigene Verwicklung per E-Mail belegt.

So weit, so simpel, wenn Wolfowitz ein simpler Weltbankpräsident, seine Position nicht hochumstritten und seine Person nicht ideologisch überladen wäre.

Es geht nicht mehr um Wolfowitz

Aus der Nepotismus-Affäre und der Selbstdemontage in Sachen Glaubwürdigkeit ist inzwischen aber ein Politikum geworden, bei dem es längst nicht mehr um die Person Wolfowitz geht, sondern um die Angreifbarkeit und Standhaftigkeit der Regierung Bush.

Wolfowitz ist ein Mann des Präsidenten und des Vizepräsidenten, er wurde gegen großen Widerstand aus aller Welt auf den Posten gehoben, der traditionell von den USA besetzt wird. Und er steht für eine ideologische Überhitzung, die in diesen Tagen innenpolitisch in den USA (Libby-Affäre, Abzugsdebatte) ihren Tribut fordert.

Wolfowitz ist also ein Symbol: Für die Schwäche Bushs, für die Durchsetzbarkeit seiner Politik, für den Machtverlust Amerikas. Schon signalisieren die Europäer, dass sie ihre Entwicklungshilfe-Gelder nicht über die Weltbank, sondern über europäische Institutionen lenken könnten.

Schnell und geräuschlos

Die Causa Wolfowitz dient also auch zur Bestimmung transatlantischer Machtverhältnisse. Bush kann also die unkontrollierte Demontage seines Mannes nicht zulassen, weil dies auch ihn als Getriebenen erscheinen lässt.

Eigentlich müsste er sich fragen, wie lange er noch die Institution Weltbank dem Beschuss preisgeben will, wenn er glaubwürdig ihre Führung für die USA beansprucht.

Der Finanzschub für Wolfowitz' Lebensgefährtin wird so zur Nebensache. Längst hat die Affäre die Gehaltsklasse des Weltbankpräsidenten verlassen. Nun geht es um einen ernsthaften außenpolitischen Test für die Regierung Bush.

Sie wird ihn nur bestehen, wenn sie Wolfowitz schnell und geräuschlos ablöst und einen glaubwürdigen und breit akzeptierten Nachfolger präsentiert.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: