NS-Anlage Prora:Umbau im "Koloss von Rügen"

In wenigen Jahren sollen wieder Urlauber ihre Ferien in dem von den Nazis auf der Ostseeinsel errichteten "Seebad der 20.000" verbringen.

Die Fenster sind blind, zerschlagen oder zugenagelt, die Dächer undicht und der Fassadenputz schmutzig, doch der monumentale Baukörper aus Beton, Stahl und Ziegel hat die Zeit fast unbeschadet überstanden.

Seit 70 Jahren steht der als nationalsozialistische Ferienanlage geplante "Koloss von Rügen" an einem der schönsten Strände der Ostseeinsel. Viele Nutzer hat die als "Seebad der 20.000" geplante Anlage Prora unter dem Hitler-Regime gesehen, nur keine Feriengäste, wie von der NS-Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) ursprünglich vorgesehen. Als 1939 der Krieg ausbrach, wurden die Bauarbeiten eingestellt. Nach dem Krieg nutzte das DDR-Militär einen der fünf Blöcke als Erholungsheim. Bald werden wieder Urlauber hier ihre Ferien verbringen.

18 Jahre nach der Wiedervereinigung und mehrere Jahre nach dem Verkauf von insgesamt vier der fünf, jeweils 550 Meter langen denkmalgeschützten Blöcke steht der Mega-Bau nun unmittelbar vor einem großen Umbau. Im Jahr 2005 und 2006 verkaufte der Bund die Immobilie an verschiedene Privatinvestoren und den Landkreis Rügen. Historiker kritisierten den Verkauf als Rückzug des Bundes aus der politischen Verantwortung und intervenierten - erfolglos.

Die Pläne für die wohl größten Bauarbeiten seit Grundsteinlegung im Jahr 1936 sind inzwischen fertig oder stehen kurz vor dem Abschluss. Der Bürgermeister des zuständigen Ostseebades Binz, Horst Schaumann (parteilos), rechnet damit, dass sich in der ersten Hälfte 2009 "nach den vielen Jahren der Ungewissheit endlich die Baukräne drehen".

Umbau im "Koloss von Rügen"

Der Landkreis Rügen, Eigentümer von Block fünf, will Anfang Dezember die Mittel für den Umbau zu einer Jugendherberge mit 500 Plätzen freigeben. "Wir wollen noch in diesem Jahr mit einem symbolischen Spatenstich starten", erklärt Landrätin Kerstin Kassner (Linke) zu dem 14,5 Millionen Euro teuren Vorhaben. 2011 werden die ersten Gäste erwartet. Die einstigen NS-Bettenhäuser eins und zwei sind seit zwei Jahren im Besitz einer Investorengruppe um Ulrich Busch.

In den beiden Blöcken sind für insgesamt 80 Millionen Euro zwei Hotels mit 150 Doppelzimmern und Poolbereich sowie rund 380 Eigentumswohnungen geplant. Baubeginn soll Sommer 2009 sein. Im Block drei ist ein Jugendsport- und Ferienhotelkomplex für rund 50 Millionen Euro geplant. Wird alles umgesetzt wie geplant, entstehen zwar nicht 20.000, aber immerhin noch rund 3000 Gästebetten in Prora.

Kritik übt der Vorsitzende der Stiftung Neue Kultur, Jürgen Rostock. Die in den Ferienbauten geplanten Event-Einrichtungen findet der Historiker für einen Gedenkort "skandalös". "Wenn man hier Party veranstaltet, ist das KdF-Strategie", kritisiert der Leiter des 1992 gegründeten Proraer Dokumentationszentrums, dessen Zukunft noch ungeklärt ist. Prora stehe für die perfide Sozialpolitik, mit der das NS-Regime das Volk gleichschalten wollte. Während NS-Gegner und sogenannte Nicht-Arier gnadenlos verfolgt wurden, sollte in solchen Einrichtungen die Mehrheit des Volkes für die Kriegs- und Lebensraumpolitik gewonnen werden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: