Nouvel erhält Pritzker-Preis:Die Kunst der Fassade

Der französische Stararchitekt Jean Nouvel wurde mit dem Pritzker-Preis 2008 ausgezeichnet. Er ist für die Weiterentwicklung der Baukunst berühmt.

Gerhard Matzig

Das Wort "Stararchitekt" verwenden die Lifestyle-Gazetten und Schöner-Wohnen-Ratgeber immer dann, wenn ihnen zwar der Bekanntheitsgrad eines Architekten geläufig ist - aber nicht dessen baukulturelle Relevanz. In den entsprechenden Porträts läuft es meist auf Klischees hinaus.

Institut der Arabischen Welt

Mit dem Institut du Monde Arabe hat Nouvel schon vor zwanzig Jahren die Wiederkehr des Ornaments als architektonische Bedeutungsebene betrieben.

(Foto: Foto: www-users.rwth-aachen.de)

Auf die schwarzen Anzüge etwa, die der Stararchitekt trägt. Oder auf seine Gewohnheit, Restaurant-Tischdecken mit genialischen Skizzen und visionären Entwürfe zu schmücken. Und dann gibt es ja auch noch das notwendige Jetset-Zubehör, all die schnellen Autos und schönen Frauen im Leben jener Architekten, denen das Etikett "Star" anhaftet wie eine billige Fassade.

Jean Nouvel, der diesjährige Gewinner des mit 100000 Dollar dotierten Pritzker-Preises, also der weltweit wichtigsten Architektur-Auszeichnung, ist exakt in diesem Sinn ein Star. Er kleidet sich schwarz, Restaurant-Tischdecken sind nicht sicher vor ihm - und wenn er einen Vortrag hält, dann kann es schon mal passieren, dass er seine Zuhörer warten lässt, um in den Vortragssaal hineinzuschneien und zu verkünden: jetzt aber hurtig, er parke in der zweiten Reihe.

Mehr Architekt als Star

Der 62-jährige Jean Nouvel beherrscht die Klaviatur des Star-Business souverän. Schön, dass er dennoch Zeit findet, jenseits solcher Inszenierungswut über Architektur nachzudenken. Und tatsächlich ragt Nouvel heraus unter den Architekten, die mal in Dubai ein Hochhaus, mal in Moskau ein Museum bauen. Wenn Nouvel baut, dann dient dies nicht nur dem eigenen Label, sondern meistens auch der Weiterentwicklung der Baukunst.

Die Kunst der Fassade

Im Gegensatz zu Architekten wie Frank Gehry oder Richard Meier pflegt er nicht nur sein einmal erprobtes und als Signet wiedererkennbares Formvokabular, sondern er reagiert auch auf Ort und Zeit seiner Bauten und Projekte. In diesem Sinn ist er mehr Architekt als Star und deshalb ein würdiger Preisträger jener Auszeichnung, die seit 1979 jährlich vergeben wird und einst von Jay A. Pritzker, dem Gründer der Hyatt-Hotelgruppe, ins Leben gerufen wurde.

Meister der Entmaterialisierung

Mit dem von ihm Ende der achtziger Jahre in Paris realisierten Institut du Monde Arabe etwa hat Nouvel schon vor zwanzig Jahren die Wiederkehr der Form und des Ornaments als architektonische Bedeutungsebene betrieben, Jahrzehnte also vor dem erst jetzt auch anderswo spürbaren Rückgriff auf die lange missachtete Kunst erzählender, mitteilsamer Fassaden. Und mit dem Torre Agbar in Barcelona zeigte er vor zwei Jahren, dass er auch die Technik-Geschichte des Hochhausbaus bereichern kann - um ein gelungenes Beispiel konstruktiver Innovation und energetischer Finesse.

In Deutschland wurde Nouvel durch das Berliner Kaufhaus Lafayette bekannt. Zwar zerbröselte dort zur Eröffnung eine der großen Glasscheiben, aber das hat nur den guten Ruf Nouvels bestätigt: Er ist ein Meister der Entmaterialisierung.

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