Notopfer Griechenland:Noch teurer als gedacht

Als ob die Griechenland-Rettung nicht schon teuer genug ist: Für Deutschland könnte das Hilfspaket noch kostspieliger werden. Der Bund muss womöglich Hilfszahlungen für andere Euroländer mit übernehmen.

Das Rettungspaket für Griechenland stößt in Deutschland schon jetzt auf viel Widerstand. Doch es könnte noch umstrittener werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung könnte es womöglich mehr kosten als die bisher genannten 22,4 Milliarden Euro. Das ergibt sich aus einer Vorlage des Bundestags-Haushaltsausschusses, die der SZ vorliegt.

Transparente auf der Akropolis; dpa

CDU-Vize Rüttgers findet die Proteste in Athen alles andere als hilfreich: "Wie will man dem deutschen Steuerzahler erklären, dass er helfen soll, wenn in Griechenland nicht gespart wird?"

(Foto: Foto: dpa)

Das liegt an einer Hilfe für jene Mitgliedsländer der Eurozone, die an den Kapitalmärkten für Kredite einen höheren Zinssatz zahlen müssen als den, den sie für das Weiterverleihen des Geldes an Griechenland von dem südeuropäischen Schuldenstaat erhalten. Die Folge: Von den übrigen Geberländern können diese Gläubiger einen Zinsausgleich verlangen.

Das könnte auf Portugal zutreffen - bei einer Verschärfung der Spekulationswelle aber womöglich auch auf Spanien, Italien und Irland. Alle diese Länder könnten alternativ auch beantragen, von der Auszahlung des jeweils nächsten Teilkredits befreit zu werden. Wird dem Antrag stattgegeben, müssten die übrigen Geberländer anteilig einspringen.

Hauptleidtragender wäre die Bundesrepublik. Sie muss bereits jetzt 28 Prozent und damit den mit Abstand größten Anteil zum griechischen Hilfspaket beisteuern. Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sagte der SZ, Finanzminister Wolfgang Schäuble müsse den Passus aus dem Vertrag mit den Partnerländern herausverhandeln.

Bundeswirtschaftsminister Brüderle bestreitet, dass Deutschland mit einem höheren Anteil am Rettungspaket rechnen muss: "Der Höchstbetrag ist auf 22,4 Milliarden Euro begrenzt", sagt Brüderle. Mit einer Erhöhung des Betrags infolge der vorgesehenen Schonungsklausel sei daher nicht zu rechnen.

Als Konsequenz aus der Griechenland-Krise und den daraus entstehenden finanziellen Belastungen dringen Deutschland und Frankreich auf härtere Strafen für Euro-Staaten, die gegen den Stabilitätspakt verstoßen.

Merkel und Sarkozy wollen Macht der Ratingagenturen beschneiden

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sprachen sich in einem Forderungskatalog zum Eurogruppen-Gipfel am Freitag dafür aus, "wirksamere Sanktionen im Rahmen des Defizitverfahrens" zu beschließen. Zugleich wollen Merkel und Sarkozy den Einfluss der Ratingagenturen beschneiden.

In ihrem Schreiben an EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso regen Merkel und Sarkozy an, die erst im November verabschiedete EU-Verordnung zur Überwachung von Ratingagenturen zu verschärfen. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass die Ratingagentur Standard & Poor's noch vor der endgültigen Entscheidung über das Hilfspaket für Athen griechische Staatsanleihen auf Ramsch-Status herabstufte.

Dies "sollte uns Anlass geben, über die Rolle der Ratingagenturen bei der Verschärfung von Krisen nachzudenken", heißt es in dem Brief. Die EU-Kommission sollte erwägen, "Vorschläge zur Stärkung des Wettbewerbs zwischen den Ratingagenturen zu unterbreiten", fordern die Kanzlerin und der französische Staatspräsident. Bisher wird der Markt von den US-Unternehmen Moody's und Standard und Poor's sowie der britischen Ratingagentur Fitch beherrscht.

Union und SDP bewegen sich auf einander zu

In Deutschland ringen Union, FDP und SPD derweil um einen Kompromiss zu den Griechenland-Hilfen. Bundeskanzlerin Merkel warb in der Unionsfraktion intensiv für einen Kompromiss mit der SPD bei der geplanten Griechenland-Hilfe. Und die SPD scheint offen dafür zu sein: Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte mit Blick auf die Haltung der scharz-gelben Regierungskoalition: "Ein Tabu scheint gebrochen zu sein".

Bundeskanzlerin Merkel habe vorgeschlagen, die Regulierung der Finanzmärkte doch in eine begleitende Entschließung zu dem Gesetz aufzunehmen. Der neue Verhandlungsstand über eine gemeinsame, parteiübergreifende Entschließung eröffne nun Chancen auf eine Einigung.

In einem außergewöhnlichen Vorgehen wurde der Beginn der Bundestagssitzung am Donnerstagvormittag wegen der Abstimmungsgespräche zwischen den Fraktionen um eine halbe Stunde verschoben.

Der Parlamentarische FDP-Geschäftsführer Jörg van Essen sagte, es gebe zwar noch keine Einigung. Die Koalitionsfraktionen von Union und FDP bemühten sich aber intensiv, um zu einer Lösung mit der SPD zu kommen.

Zuvor hatten Union und FDP mit der SPD auf Spitzenebene einen Kompromiss zu den Griechenland-Hilfen gesucht. CDU-Chefin Merkel beriet mit dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle sowie SPD-Chef Sigmar Gabriel über eine Lösung. Die Fraktionen im Bundestag waren zu Sondersitzungen zusammengekommen, um die Abstimmung über das entsprechende Gesetz an diesem Freitag vorzubereiten. Die SPD- Fraktion hatte am Morgen angekündigt, dass sie sich voraussichtlich enthalten werde.

Einer der wesentlichen Knackpunkte ist die von der Oppositionen geforderte Einführung einer Steuer auf Finanzmarktgeschäfte. Die Regierung lehnt dies bisher ab. Die Linksfraktion verabschiedete einstimmig einen eigenen Entschließungsantrag, den sie am Freitag zur Abstimmung stellen will. Wegen der neuen Entwicklung wurde in der SPD-Fraktion auf eine Probeabstimmung verzichtet.

Regierung in der Bringschuld

Finanzminister Schäuble hatte am Morgen an die SPD appelliert, die geplanten milliardenschweren Notkredite für Griechenland nicht zu blockieren. "Die Märkte achten darauf, wie die Hilfe jeweils national vertreten wird. Da haben wir alle eine Verantwortung, auch die Opposition."

Griechisches Parlament stimmt über Sparpaket ab

SPD-Fraktionschef Steinmeier hatte zuvor aber unterstrichen, dass eine Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten der Krise zwingend notwendig sei. Die Steuerzahler dürften mit den Kosten nicht alleingelassen werden. Wenn die Regierung die Zustimmung der SPD zu dem Rettungspaket wolle, müsse sie sich bewegen. Sie stehe in der Bringschuld. Der ansonsten geplante eigene Antrag seiner Partei sehe unter anderem strengere Kontrollen der Haushalte der EU-Staaten und ein Verbot gefährlicher Finanzmarktprodukte vor.

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Rückendeckung erhielt Steinmeier bezüglich der Bankenbeteiligung ausgerechnet aus Reihen der Union: CDU-Vize Jürgen Rüttgers forderte im Hamburger Abendblatt eine stärkere Beteiligung der Privatwirtschaft an den Kosten der Griechenland-Krise. "Die Banken müssen einen substanziellen Teil der Hilfe übernehmen. Das reicht bisher noch nicht", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident der Zeitung. Die deutsche Finanzbranche hatte sich bereit erklärt, das Notkreditprogramm für Griechenland von IWF und Euro-Gruppe zu unterstützen.

Die Proteste gegen das Sparprogramm der Regierung in Athen nannte Rüttgers nicht hilfreich. "Wie will man dem deutschen Steuerzahler erklären, dass er helfen soll, wenn in Griechenland nicht gespart wird?"

Marshall-Plan für Griechenland

Unterdessen hat der deutsche EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis eine Art Marshall-Plan für Griechenland ins Gespräch gebracht. "Der 110-Milliarden-Euro-Kredit allein reicht für die Sanierung Griechenlands bei weitem nicht aus", sagte der FDP-Politiker der Thüringer Allgemeinen.

Damit das Land sich wieder aus eigener Kraft helfen könne, benötige es ein Wiederaufbauprogramm, vergleichbar mit dem Marshall-Plan für Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

"Darin enthalten sein muss eine Forcierung des Gesundheitstourismus, bessere Vermarktung hochwertiger griechischer Landwirtschaftsprodukte im Ausland und ein schneller Ausbau des Informationstechnologie-Sektors", wurde der griechischstämmige Chatzimarkakis zitiert.

Im Rahmen des nach dem amerikanischen Außenminister George Marshall benannten Marshall-Plans wurden zwischen 1948 und 1952 von den USA insgesamt rund 12,4 Milliarden Dollar bereitgestellt. Davon flossen rund 1,5 Milliarden Dollar nach Westdeutschland. Zudem sei aus Sicht Chatzimarkakis die Schaffung einer unabhängigen Europäischen Ratingagentur unumgänglich.

Parlament in Athen stimmt über Sparpaket ab

Das griechische Parlament will am Donnerstag über das umstrittene Sparpaket in Höhe von 30 Milliarden Euro abstimmen. Es ist Voraussetzung für die Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euroländer in Höhe von 110 Milliarden Euro.

Staatspräsident Karolos Papoulias sagte, das Land stehe vor dem Abgrund. Er habe keine Worte, um seinen Schmerz und seinen Zorn angesichts der Todesfälle bei den Demonstrationen am Mittwoch ausdrücken. Die drei Bankmitarbeiter seien Opfer "abstoßender Gewalt" geworden. Bei Demonstrationen am Mittwoch war eine Bankfiliale in Brand geraten. Drei Menschen fanden in dem Gebäude den Tod. Als Reaktion auf die tödlichen Angriffe sind die Bankangestellten in Griechenland am Donnerstag in Streik getreten.

Die beiden großen griechischen Gewerkschaftsverbände GSEE und Adedy kündigten zudem für den frühen Abend eine Demonstration vor dem Parlament an.

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