Notenbanken:Zinsen senken reicht nicht

Die EZB muss alles tun, um eine Deflation zu vermeiden. Dafür muss sie über ihre traditionellen Wege hinausdenken.

Helga Einecke

So radikal hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen noch nie gesenkt. Ihr Schritt ist wegen des scharfen Einbruchs der Konjunktur bitter nötig. Die Banken zahlen so wenig wie nie zuvor, wenn sie sich kurzfristig Geld leihen wollen. Bald könnte es noch weniger sein; in dieser Krise scheint fast alles denkbar und möglich. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet und seine Mannschaft im Eurotower müssen nicht nur über neue Antworten auf diese Krise nachdenken, sondern auch vorausschauend entscheiden und handeln.

EZB, dpa

EZB-Zentrale in Frankfurt: Alles ist denkbar, alles ist möglich.

(Foto: Foto: dpa)

Um seine Politik zu veranschaulichen, redet Trichet gerne vom Kompass. Er erklärt dann, es gebe nur eine Nadel im EZB-Kompass und die zeige in Richtung stabile Preise. Sogar die Preisskala scheint genau aufgemalt. Wenn die Nadel auf knapp zwei Prozent weist, also die Verbraucherpreise pro Jahr um diese Rate zunehmen, ist alles in Ordnung. Schlägt die Nadel weit darüber hinaus, herrscht Inflation.

Abwärtsspirale verhindern

Derzeit aber schleichen die Preise eher dahin, bald könnten sie für eine Weile zurückgehen. Der Fall der Ölpreise sorgt für diesen Rückgang, die sinkende Nachfrage im Zuge des Wirtschaftsabschwungs verstärkt diese Tendenz. Heute schon von Deflation zu reden wäre verfrüht. Erst wenn Unternehmer nicht mehr investieren, Löhne sinken, Stellen wegfallen und die Wirtschaft aus dem Abschwung nicht mehr herausfindet, ist sie da. Dazu sollte es nicht kommen. Die Notenbank muss alles daran setzen, um eine solche Abwärtsspirale zu verhindern.

Das tut sie zunächst ganz konventionell über die Leitzinsen. Deren Tiefstände ermuntern Banken, Unternehmen und Verbraucher, so viel Geld wie möglich aufzunehmen und in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Die Geldverteilung im Euroraum ist sehr stark auf die Geldleihe der Banken aufgebaut. Firmen, Häuslebauer und Konsumenten nehmen traditionell Kapital eher bei Kreditinstituten auf als an der Börse.

Die Banken aber machen bei dieser Geldverteilung nicht mehr richtig mit. Schon seit dem Sommer 2007 leihen sie sich untereinander aus Misstrauen zu wenig. Deshalb organisiert die EZB seither diesen Geldmarkt selbst. Sollten die Banken künftig auch den Unternehmen nicht mehr trauen oder nicht mehr in der Lage sein, die Firmen ordentlich mit Krediten zu versorgen, müsste die Notenbank auch hier in die Bresche springen.

Unorthodoxe Maßnahmen

Und dann wären da noch die Staaten der Währungsunion, die mit großen Konjunkturprogrammen die Wirtschaft ankurbeln. Spätestens beim Stichwort Staatsanleihen sollte die EZB sehr vorsichtig mit ihrer Hilfe sein. Notenbanken dürfen die Finanzierung von Staatsausgaben nicht freimütig übernehmen. Das käme einer Lizenz zum Gelddrucken gleich. Zentralbanken sind unabhängig, um Staaten nicht zu verführen, eine Währung für eigene Zwecke zu missbrauchen und zu entwerten.

Gewiss, die Notenbanken in den USA, England und Japan operieren schon eine ganze Weile mit unorthodoxen Maßnahmen. Sie kaufen kurzfristige Schuldverschreibungen (Commercial Papers) auf und stützen ihren Unternehmenssektor. Die US-Notenbank Fed gibt direkt Kredite an Haushalte und kleine Firmen. Die Bank von England hat sich beim Finanzminister die Erlaubnis geholt, Staatsanleihen direkt zu erwerben, auch die Fed hat Ähnliches angekündigt. Die anderen Zentralbanken sind zu diesen Maßnahmen gezwungen, weil sie ihre Zinsen bereits auf null heruntergefahren haben.

So weit sind die Europäer noch nicht. Wenn sie aber so weit kommen, sollten sie alles daran setzen, die Kreditleihe über die Banken wieder in Schwung zu bringen. Wenden nicht die Regierungen im Euroraum Milliarden Euro auf, um systemrelevante Geldhäuser am Leben zu erhalten? Wozu sonst sollten Banken bestehen bleiben, wenn nicht zur Leihe und Anlage von Kundengeldern? Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Kunden Bürger, Unternehmen oder der Staat sind. Es spielt auch keine Rolle, ob die Banken private oder staatliche Eigentümer haben. In einer arbeitsteiligen Finanzindustrie sollte die Zentralbank mit Banken arbeiten und umgekehrt.

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