Niedrigzinspolitik der EZB:Zinstief kostet deutsche Sparer Milliarden

Die Zinsen im Euroraum sind niedrig wie nie, daran wird sich erst einmal nichts ändern. Davon profitiert, wer sich Geld leiht. Dafür bringen viele Geldanlagen kaum mehr etwas ein - Sparer verlieren unterm Strich Milliardensummen.

Die extrem niedrigen Zinsen in Europa kosten deutsche Sparer nach einer Studie Milliarden. Nach Berechnungen der Postbank verlieren die Sparvermögen bei Banken in Deutschland allein in diesem Jahr real etwa 14 Milliarden Euro an Wert, wie Bild berichtet. Auch in den Folgejahren werde die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) immer größere Teile der Ersparnisse aufzehren. Im nächsten Jahr liegt der Vermögensverlust demnach unterm Strich sogar bei 21 Milliarden Euro.

"Durch den Anstieg der Inflation bei anhaltend niedrigen Zinsen wird sich die reale Vermögensentwertung beschleunigen", sagte Postbank-Chefstratege Marco Bargel der Zeitung. Die Inflation in Deutschland lag im Juli nach ersten Schätzungen des Statistischen Bundesamts bei 1,9 Prozent. Tagesgeld wirft nach Angaben der FMH Finanzberatung derzeit maximal 1,5 Prozent ab, Sparbücher liegen weit darunter.

Die Notenbank hatte den Leitzins im Mai im Kampf gegen die Rezession im Euroraum auf das Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt. Erst am Donnerstag hatte EZB-Präsident Mario Draghi bekräftigt, dass die Leitzinsen im Euroraum "für längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau" gehalten würden.

Experten raten zu mehr Risiko

Angesichts des extrem billigen Geldes rät Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Anlagen breit zu streuen und Risiken einzugehen. "Nur wenn man höheres Risiko eingeht, kann man mehr erwarten", sagte Nauhauser im Deutschlandradio Kultur. Statt alles auf eine Karte zu setzen, sollten Sparer neben dem Sparbuch auch Tagesgeld, Festgeld, Immobilien, Immobilienfonds und weltweit streuende Aktien-Fonds ins Portfolio nehmen.

Aus Sicht Nauhausers ziehen die Verbraucher noch nicht die Konsequenz, das Geld auszugeben statt es zu Minizinsen anzulegen. Daher bleibe unterm Strich nichts anderes übrig, als die niedrigen Zinsen zu akzeptieren oder mehr Risiken zu tragen. Auch Kostenminimierung sei möglich, indem teure Produkte mit hohen Nebenkosten gemieden oder gekündigt werden: "Teure Lebensrentenversicherungen aber auch teure Investmentfonds und undurchsichtige Zertifikate."

Allerdings profitieren die Steuerzahler indirekt auch vom tiefen Zins. Nach früheren Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft Kiel spart die Bundesregierung wegen der niedrigen Zinsen für Staatsanleihen bis 2014 mehr als 100 Milliarden Euro an Zinszahlungen. Hintergrund für die rechnerische Einsparung ist die hohe Nachfrage nach Bundespapieren. Sie gelten in der Euro-Schuldenkrise als "sicherer Hafen" bei Investoren, Deutschland zahlt daher derzeit extrem niedrige Zinssätze auf Staatsanleihen.

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