Neue Versicherung in Flutgebieten:Mit Hochrisiko ins Versicherungsgeschäft

Hochwasser

Land unter: In Deggendorf, Bayern, sind nach einem Donau-Dammbruch nur noch die Dächer zu sehen.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Munich-Re-Tochter Ergo will alle Gebäude auch in stark gefährdeten Gebieten gegen Flutfolgen versichern, wenn der Kunde einen Teil selbst zahlt. Der Konzern will damit auch eine gesetzliche Pflichtversicherung verhindern. Günstig sind die neuen Policen freilich nicht.

Von Herbert Fromme und Anna Gentrup, Düsseldorf

Der Versicherer Ergo will künftig alle Wohnhäuser in hochwassergefährdeten Gebieten versichern - mit einem Selbstbehalt von mindestens 10 000 Euro. Das heißt, bei Schäden bis zu der vereinbarten Grenze zahlt der Versicherer nichts, hat die Flut schlimmer gewütet, muss der Besitzer lediglich den Selbstbehalt aus eigener Tasche zahlen.

Mit dem neuen Angebot, das speziell auf Häuser an Flussläufen und in anderen Regionen abzielt, die von der Flut bedroht sind, wehrt sich der Versicherer gegen die Forderung nach einer gesetzlichen Pflichtversicherung in manchen Bundesministerien und Bundesländern.

Nebenbei grätscht Ergo - wie schon bei früheren Gelegenheiten - dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kräftig rein. Denn der GDV behauptet in seiner Kampagne gegen die von Politikern geforderte Flut-Pflichtversicherung seit Jahren, 99 Prozent aller Gebäude könnten problemlos versichert werden, nur bei einem Prozent müsse man genauer hinschauen. "Und von denen können dann mehr als die Hälfte auch problemlos versichert werden", sagt eine GDV-Sprecherin.

Wenn fast alle Gebäude problemlos versichert werden könnten, gäbe es keine Geschäftsbasis für das neue Angebot der Ergo, die zum weltgrößten Rückversicherer Munich Re gehört. Die sieht Konzernchef Torsten Oletzky aber sehr wohl. Dass er und sein Aufsichtsratschef Nikolaus von Bomhard auch im Präsidium des GDV sitzen, stört Oletzky dabei nicht.

"Wir versichern jedes Wohngebäude auch in Zürs 4", sagt Oletzky. Mit dem Zonierungssystem für Überschwemmungen, Rückstau und Starkregen (Zürs) teilt die Assekuranz Gebiete in vier verschiedene Risikokategorien von Zürs 1 bis Zürs 4 ein. In der Kategorie eins kommt ein Hochwasser seltener als einmal in 200 Jahren vor, in Gefährdungsklasse vier statistisch einmal in zehn Jahren.

Eine Einschränkung gibt es doch für Ergos neues Angebot: "Es müssen bewohnbare Gebäude sein", sagt Oletzky. "Ruinen versichern wir nicht."

Ergo ging bei ihren Erhöhungen nicht zimperlich vor

Oletzky hat gute Gründe, mit der neuen Police nach vorne zu preschen. "Die Tatsache, dass bestimmte Gebäude bislang nicht oder nur schwer versicherbar waren, hat sich negativ auf den Vertrieb ausgewirkt", sagt er. "Das neue Angebot kommt in den Einführungsveranstaltungen für unsere Vertriebe sehr gut an." Das ist umso wichtiger, als die Ergo in den vergangenen Jahren ihre Preise für bestehende Wohngebäudepolicen um im Schnitt 15 Prozent angehoben hat, wobei Hausbesitzer mit älteren Verträgen deutlich mehr zahlen mussten. Das haben andere Versicherer zwar auch gemacht - das ändert aber nichts an der Verärgerung der Kunden, die mit den neuen Preisen leben müssen und das die Vertriebler spüren lassen.

Die Ergo ging bei ihren Erhöhungen nicht zimperlich vor und kündigte tausenden von Kunden, die noch Verträge nach den alten, günstigeren Versicherungsbedingungen hatten. Ihnen bot die Gesellschaft die teureren neuen Verträge an.

Insgesamt kommt die Ergo auf einen Marktanteil in der Wohngebäudeversicherung von 3,4 Prozent. Marktführer sind mit weitem Abstand die öffentlichen Versicherer (Versicherungskammer, Provinzial, SV Sparkassenversicherung und andere), die 33,6 Prozent Anteil haben.

Jetzt will Oletzky in der Sparte in die Offensive - mit den neuen Hochrisiko-Policen. Billig sind sie nicht. Pro Jahr werden 1000 Euro für 300 000 Euro Versicherungssumme nur für die Naturgefahrendeckung fällig - bei 10 000 Euro Selbstbehalt. Dazu kommt noch die normale Wohngebäudeprämie für Feuer- und Sturmschäden. Einzeln ist der Überschwemmungsschutz nicht zu haben. Damit kostete die Versicherung insgesamt rund 1300 Euro bis 1400 Euro. Bei höheren Selbstbehalten können die Preise niedriger sein.

Oletzky glaubt, mit dem neuen Angebot auch klare Argumente gegen die angedachte Pflichtversicherung zu liefern, die von der Branche abgelehnt wird. "Ich hoffe sehr, die Politik erkennt, dass wir uns bewegen", sagt er.

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