Neue Techniken im Trend:Entschlüsselte Zukunft

Ob in öffentlichen Gebäuden, Hotels oder Firmen: Alte Türschlösser haben im Geschäftsbereich bald ausgedient.

Von Stefan Weber

Welches ist die sicherste Methode, Atombomben vor dem Zugriff feindlicher Mächte zu schützen? Die Macher des James-Bond-Streifens "Feuerball" hatten da vor 50 Jahren eine vermeintlich irrwitzige Idee: Sie sicherten den Zugang so, dass nur Personen mit dem richtigen Irismuster des Auges Zutritt erhalten konnten - bis ein Bösewicht, dem zuvor eine fremde Iris ins Auge gepflanzt wurde, in den Atombunker marschierte und die Bomben scharfstellte.

Inzwischen ist die Zutrittskontrolle per Iriserkennung oder anderer biometrischer Daten Wirklichkeit. Nicht zur Sicherung von Atombomben, sondern im ganz normalen Alltag. Unternehmen installieren Schließsysteme, deren Türen sich nur per Handscanner öffnen lassen, Fitnessstudios kontrollieren den Zugang zu ihren Trainingsräumen per Fingerabdruck, und auch mancher Hauseigentümer hat sein Eigenheim schon mit einem elektronischen Schließsystem ausgestattet, das biometrische Daten abfragt. Dabei erfasst ein Lesegerät das betreffende Merkmal einer Person und gleicht es mit den zuvor gespeicherten Daten ab. Stimmen die Muster überein, erhält die Person Zutritt. Im anderen Fall bleibt die Tür geschlossen.

Sicherer und bequemer, so versprechen die Anbieter dieser Systeme, gehe es nicht: Schließlich seien biometrische Daten einzigartig. Sie könnten nicht gestohlen werden, und der Nutzer habe sie gleichsam "immer dabei". Die Praxis zeigt jedoch, dass auch dabei Fehler nicht ausgeschlossen sind. So erzählen Branchenkenner, dass Türen, die sich per Fingerabdruck öffnen lassen, bisweilen auch berechtigten Personen den Zutritt verweigern.

"In den USA ist das mechanische Schloss schon lange out"

"Noch sind elektronische Schließsysteme, bei denen die Zutrittskontrolle per biometrischer Daten erfolgt, im Privatbereich sehr wenig verbreitet. Allenfalls einige Villenbesitzer haben ihre Immobilie auf diese Weise gesichert. Aber das wird nicht so bleiben", meint Georg Oschmann, Direktor Time & Access Solutions bei der Dorma-Gruppe. Das mehr als 100 Jahre alte Unternehmen aus Ennepetal am südlichen Rand des Ruhrgebiets bietet Schließtechnik nicht nur für Privathaushalte und Unternehmen, sondern auch für öffentliche Gebäude in vielen Teilen der Welt.

Es müssen jedoch nicht unbedingt Fingerabdruck, Augennetzhaut oder Handgeometrie sein: Elektronische Schließanlagen lassen sich auch mit anderen "Schlüsseln" bedienen - und die haben möglicherweise sehr viel eher das Zeug dazu, auch in privaten Immobilien Einzug zu halten. So kann die Zutrittsberechtigung auch über einen Zahlencode, anhand einer Chipkarte oder über einen Transponder geprüft werden. Bei einem Zahlenschloss ist der Code, über den sich die Tür öffnen lässt, besonders leicht veränderbar. Möglich ist auch das Programmieren mehrerer Codes für verschiedene Personen. Vor allem aber gibt es kein Verlieren oder Verlegen wie bei klassischen Schlüsseln. Oder aber auch bei Chipkarten: Auch die muss man dabei haben, um die Tür zu öffnen. Dafür sind sie schnell zu programmieren - auch mit einer zeitlich eingeschränkten Zugangsberechtigung, wie es beispielsweise in Hotels üblich ist. Wenn eine Karte verloren geht, ist dies - anders als bei einem üblichen Schlüssel - kein großes Problem mehr. Die Zugangsberechtigung einer verlorenen Karte lässt sich rasch löschen, und eine neue Karte ist im Handumdrehen programmiert.

Ein Transponder ist ein digitaler Schlüssel und funktioniert berührungslos. Es handelt sich um eine Kombination aus kleinem Empfänger und Sender, der automatisch auf ein Signal reagiert, das von einem Lesegerät im näheren Umfeld eingeht. Transponder lassen sich in verschiedene Gehäuse einbauen, beispielsweise in Schlüsselanhänger, Armbänder oder auch Plastikkarten. Der Austausch mit der Leseeinheit ist über wechselnde Codes verschlüsselt. Ein verlorener Transponder kann sofort gesperrt werden.

Dann gibt es noch Schließsysteme, die sich mit dem Smartphone per Bluetooth oder gar per Wlan steuern lassen. Eine ganze Reihe von Start-ups hat sich dieser Idee angenommen. Tatsächlich bietet diese Technik eine Menge Komfort. So lassen sich virtuelle Schlüssel an weitere Personen verteilen, was praktisch ist, um etwa Nachbarn oder Handwerkern vorübergehend Zugang zu verschaffen, wenn man selbst nicht anwesend ist.

Knackpunkt des "smarten" Türschlosses ist die Sicherheit, oder besser gesagt: die gefühlte Sicherheit. Die Diskussionen in Verbraucherforen zeigen, dass viele Haus- und Wohnungsbesitzer fürchten, ein Bluetooth gesteuertes Türschloss könne zu einem begehrten Ziel von Hackern werden.

Burg-Wächter, einer der führenden Hersteller von mechanischen und elektronischen Schlössern, verzeichnet ganz generell einen Trend zu elektronischen Schließzylindern. "In den USA ist das mechanische Schloss schon lange out. Jetzt wird auch bei uns die Zukunft entschlüsselt", heißt es bei dem traditionsreichen Familienunternehmen aus dem westfälischen Wetter. Viele Menschen wünschten sich den Schließkomfort, den sie aus ihrem Arbeitsalltag oder aus Hotels kennen, auch für zu Hause.

Dorma-Manager Oschmann ist derzeit noch etwas zurückhaltender mit einer Prognose: "Noch immer halten viele Menschen ihre eigenen vier Wände nur dann für gut gesichert, wenn sie einen Schlüssel in der Hand haben." Deshalb werde es noch eine Weile dauern, bis elektronische Schließsysteme zum Standard auch im privaten Bereich würden. Das mag auch an den Kosten liegen. Eine elektronische Türsicherung kostet zwischen 200 und 500 Euro - und ist damit nach wie vor deutlich teurer als ein mechanisches System. "Vor 20 Jahren hätte eine solche Schließanlage 100 00 Euro gekostet", sagt Oschmann.

Immerhin beobachtet der BHE Bundesverband Sicherheitstechnik, dass Haus- und Wohnungsbesitzer zunehmend mechatronische Schließsysteme einbauen lassen. Diese Anlagen verbinden Elemente aus beiden Welten: Neben dem mechanischen Schlüssel ist ein weiteres elektronisches Identifikationsmerkmal (etwa eine Codekarte) gefragt, um eine Tür zu öffnen. Die Vorteile: Mechatronische Systeme gelten als besonders sicher, zudem sind sie viel flexibler als rein mechanische Schließlösungen. Bei Verlust wird lediglich das elektronische Identifikationsmerkmal gesperrt. Schließzylinder, beziehungsweise Beschlag, müssen nicht gewechselt werden.

In Mehrfamilienhäusern werden künftig mehr "Panikschlösser" verwendet

Im privaten Bereich sind mechanische Schlösser in vielen Fällen sinnvoll - das räumen auch Verkäufer elektronischer Schließsysteme ein. Am meisten verbreitet sind dabei Zylinderschlösser, bestehend aus einem Schließzylinder, der in ein Einsteckschloss integriert ist. Sie gelten als besonders sicher und eignen sich deshalb besonders für Haustüren. Vor allem, wenn sie mit Sicherheitsschlüsseln kombiniert sind. Denn die haben bestimmte Einkerbungen, die kein Schlüsseldienst vorrätig hat. Deshalb müssen sie zum Nachmachen zusammen mit der Sicherheitskarte zum Hersteller geschickt werden. Generell gilt: Der Zylinder kann leicht ausgetauscht werden, sodass beim Verlust des Schlüssels nicht das ganze Schloss gewechselt werden muss.

Nach einem Urteil des Landesgerichts Frankfurt in diesem Frühjahr ist zu erwarten, dass in Mehrfamilienhäusern künftig verstärkt "Panikschlösser" verwendet werden. Das sind Schlösser, die sich trotz Verriegelung von innen ohne Schlüssel öffnen lassen. Die Richter hatten entschieden, dass eine Haustür in Mehrfamilienhäusern nicht verschlossen werden darf. Zur Begründung hieß es, eine verschlossene Haustür behindere den Fluchtweg und könne Bewohner in Gefahr bringen, die den Schlüssel nicht gleich zur Hand hätten. Der Schutz von Leben und Gesundheit sei jedoch höher zu bewerten als das Sicherheitsbedürfnis der Bewohner, urteilten die Juristen.

Aber vielleicht ist es ohnehin bald vorbei mit der Begeisterung der deutschen Haus- und Wohnungsbesitzer für mechanische Türschlösser. Nicht, weil sie den Komfort elektronischer Systeme auf einmal so hoch wertschätzten, sondern aus Angst vor Einbrechern. In den USA gibt es seit Kurzem eine Reihe von Internetfirmen, die Schlüssel von einem Foto nachmachen. Einfach Bild einschicken, ein paar Dollar bezahlen und nach zwei Tagen kommt der abgekupferte Schlüssel per Post - leichter geht's kaum für Einbrecher.

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