Nachverdichtung:Neuland

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Aufgestocktes Parkhaus in Köln. Vom Projekt bis zur Realisierung dauerte es sieben Jahre. (Foto: Tobias D. Kern AfM / Köln)

Mitten in Köln entstanden auf einem Parkhaus Eigentumswohnungen. Einfach war das nicht, dafür musste erst Baurecht geschaffen werden.

Von Ingrid Weidner

Nachverdichtung braucht neue Ideen, und Bauherren brauchen viel Geduld. In Köln dauerte es sieben Jahre, bis auf dem Dach eines schlecht ausgelasteten Parkhauses Wohnungen entstanden. Auf Google Maps ist die 1968 erbaute Gewerbeimmobilie "Alte Wallgasse" von Contipark am Friesenplatz noch im ursprünglichen Zustand zu sehen. Contipark wollte das Parkhaus in der Kölner Innenstadt sanieren und die oberen Etagen verkaufen, damit dort Eigentumswohnungen entstehen.

Der Plan klang verlockend: Ein in die Jahre gekommenes Parkhaus verkleinern und aufhübschen sowie gleichzeitig neuen Wohnraum schaffen. Die Metropol Immobiliengruppe aus Köln entwickelte das Wohnprojekt gemeinsam mit WvM Immobilien. Die beiden Projektpartner holten das Architekturbüro Wilkin & Hanrath Bauphasen aus der Domstadt hinzu. Dem Architekten Markus Hanrath gefiel die ungewöhnliche Aufgabe, er machte das Projekt zur Chefsache. "2009 haben wir die ersten Pläne eingereicht, Weihnachten 2016 zogen die ersten Eigentümer in die Wohnungen", sagt Hanrath. Es war also viel Geduld und Ausdauer gefragt.

"In zähen Verhandlungen haben wir die Aufstockung um sieben Meter erreicht."

Wie in anderen Städten gibt es auch in Köln ein Höhenkonzept, das keine Aufstockung von Bestandsgebäuden vorsieht. Doch ohne eine weitere Etage wäre das Projekt nicht wirtschaftlich umsetzbar gewesen, so der Architekt. "In zähen Verhandlungen haben wir die Aufstockung um sieben Meter erreicht", sagt Hanrath.

Auch für die beteiligten Juristen sei vieles Neuland gewesen, räumt Hanrath ein, denn es musste erst Baurecht für diesen Hybridbaukörper geschaffen werden. Über Themen wie Statik, Lärmschutz oder Außenverkleidung wurde lange diskutiert. Mehr als 20 Gutachten waren notwendig, bis das Projekt nach mehr als zwei Jahren genehmigt wurde. Wichtig sei gewesen, sagt Architekt Hanrath, bereits zu Beginn den damaligen Kölner Baudezernenten Bernd Streitberger als Mentor zu gewinnen.

2014 begannen die Bauarbeiten im laufenden Betrieb des Parkhauses. Die oberen beiden Parkdecks wurden abgetragen, drei neue Wohnetagen gebaut. Ein separater Eingang mit eigenem Treppenhaus und Aufzug erschließt die Wohnungen. Gestalterisch wählten Hanrath und sein Team einen dörflichen Charakter mit einer 70 Meter langen Passarelle über die gesamte Länge des Dachs. Die mit weißem Putz versehenen Gebäude sollen beruhigend wirken, erklärt der Architekt, auch die Bepflanzung mit einheimischen Gräsern soll einen bewussten Gegensatz zur lauten, vierspurigen Magnusstraße schaffen. "Unsere Planung orientiert sich an mallorquinischen Altstadtgassen", sagt Hanrath dazu. Die Bewohner können die Freiflächen zur Begegnung nutzen, sich aber auch auf blickgeschützte Terrassenplätze zurückziehen.

Entstanden sind auf der rund 70 Meter langen und etwa 35 Meter tiefen Grundfläche des Daches drei Etagen mit 3150 Quadratmetern Wohnfläche, aufgeteilt in 31 Eigentumswohnungen mit 43 privaten Stellplätzen im Parkhaus. Das Spektrum reicht vom Zwei-Zimmer-Appartements mit 65 Quadratmetern bis zu zweigeschossigen Town-Häusern und Penthouse-Wohnungen mit mehr als 200 Quadratmetern. Die Baukosten für das Projekt lagen bei 13 Millionen Euro.

Für die Fassade gab es einen Wettbewerb, den V-Architekten aus Köln gewannen. Die eloxierten und perforierten Metalltafeln geben dem Hybridgebäude, das jetzt als Parkhaus und Wohngebäude genutzt wird, eine einheitliche Anmutung. "Es ist der Zähigkeit aller Beteiligten zu verdanken, dass das Projekt realisiert wurde", sagt Hanrath. Das Büro von Markus Hanrath beschäftigt sich seit 20 Jahren überwiegend mit Bauen im Bestand. Doch das umgebaute Parkhaus sticht aus seinem Portfolio heraus. "Es ist das erste und einzige Parkhaus, das wir um Wohnungen ergänzt haben."

Die Wohnungen zählen zum Luxussegment, die WvM Immobilien unter dem Namen Magnus 31 vermarktete. Das Gebäude liegt zwar an der befahrenen Magnusstraße, doch Innenstadt und Friesenviertel sind nah, eine attraktive Wohngegend in Köln. Bereits mit der Fertigstellung waren alle Objekte verkauft. Grade weil Köln dicht bebaut ist und es kaum Freiflächen gibt, zog ein solches Projekt solvente Käufer an, der durchschnittliche Quadratmeterpreis lag bei 5560 Euro.

Wesentlich schneller und für Menschen mit geringerem Budget entstand dagegen in München in nur sechsmonatiger Bauzeit ein viergeschossiges Gebäude mit 100 geförderten Wohnungen, das Projekt "Wohnen am Dantebad". Von der Planung bis zum Einzug dauerte es nur ein Jahr. Begünstigt hat die schnelle Umsetzung sicher auch die Unterstützung aus dem Rathaus. Außerdem war das knapp 4200 Quadratmeter große Grundstück in Moosach Eigentum der Stadt. Über dem öffentlichen Parkplatz am Dantebad plante Florian Nagler Architekten aus München eine Betonrahmenkonstruktion mit Stahlbetondecke, die vier darüber liegenden Etagen wurden in Holzsystembauweise gefertigt, die Elemente vormontiert angeliefert. Die Bauleitung hatte B&O Wohnungswirtschaft GmbH Bayern inne und Vermieterin ist die städtische Wohnungsgesellschaft Gewofag.

Mit der Wohnungsnot in deutschen Großstädten scheinen auch Einzelhändler offener für neue Ideen zu sein. Aldi Nord kündigte an, in Berlin an 30 Standorten Wohnen und Einkaufen zu verbinden. Auf dem Land und an Ausfallstraßen pflastern Discounter gerne grüne Wiesen mit ihren schlichten Flachbauten zu. Diese fantasielosen Gebäude wirken wie zu groß geratene Hundehütten, die mit vielen Parkplätzen vor der Tür riesige Flächen versiegeln und ganze Landstriche ästhetisch verschandeln.

Hybridgebäude mit Supermärkten im Erdgeschoss und darüber liegenden Wohnungen sind für stark wachsende Städte wie Berlin interessant, denn dort sind Baugrundstücke knapp und teuer. Da Discounter wie Aldi Nord weiterhin nah am Kunden sein möchten, liegt die Kombination Supermarkt und Wohnungen auf der Hand. Das Unternehmen kündigte vor Kurzem an, die ersten 200 Wohnungen mit Supermarkt in den Stadtteilen Neukölln und Lichtenberg zu bauen, an weiteren 15 Standorten gebe es konkrete Planungen für ähnliche Kombinationen.

Wenn in vielen Großstädten die vorhandenen Flächen sinnvoller genutzt werden und Wohnraum für Menschen aus allen Einkommensschichten geschaffen wird, kommt das allen zu Gute. Nicht jede in die Jahre gekommene Immobilie eignet sich aber für eine Luxussanierung. Der Kölner Architekt Markus Hanrath sieht vor allem in Metropolregionen mit Wohnungsnot noch viel Potenzial für Nachverdichtung, Umnutzung von Parkhäusern oder Gewerbebauten. "Für kostspielige Baumaßnahmen gibt es in Metropolen durchaus einen Markt", sagt Hanrath.

Der Architekt nennt noch ein weiteres Argument für die Nachverdichtung in Köln - die Neugestaltung des Parkhauses an der Magnusstraße sei auch eine Aufwertung und Stadtreparatur für einen "Unort" gewesen. Ähnlich wie in Köln schlugen die Planer in der Nachkriegszeit in vielen Städten Schneisen mitten durch gewachsene Quartiere für die autogerechte Stadt. Vielerorts warten noch weitere, gesichtslose Zweckbauten auf eine moderne Umnutzung.

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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