Nachhaltigkeit:Theoretisch gut

Lesezeit: 1 min

Wann ist ein Gebäude (hier eines in München) nachhaltig? Zertifizierungen sollen eine Orientierungshilfe geben. (Foto: imago)

Viele Länder schreiben bei neuen Investments Gebäudezertifikate zur Nachhaltigkeit vor. Doch nicht alle Nachweise etwa zur Energieeffizienz seien aussagekräftig, heißt es bei den Fachleuten der Investment- und Beratungsfirma Lasalle.

Von Marianne Körber

Das Thema Nachhaltigkeit beeinflusst die Immobilienwirtschaft immer stärker, berichtet die Investment- und Beratungsfirma Lasalle. So habe die EU-Richtlinie über die Gesamteffizienz von Gebäuden von 2010 große Auswirkungen auf Immobilien. Jedoch hätten die einzelnen Mitgliedstaaten ein gewisses Maß an Freiheit zu bestimmen, wie sie die in der Richtlinie festgelegten Ziele erreichen wollten, und deshalb sei der europäische Regulierungsrahmen alles andere als einheitlich.

Lasalle befasst sich gemeinsam mit JLL auch mit Green-Building-Zertifikaten. Demnach gibt es eine große Anzahl an Gebäudezertifizierungssystemen, "doch die Vorreiter setzen ein breiteres Spektrum an Nachhaltigkeitsinstrumenten ein". Sie hätten erkannt, dass es notwendig sei, die tatsächliche Energieeffizienz beziehungsweise CO2-Bilanz zu messen, und nicht auf Ratingsysteme zu setzen, die auf einer theoretischen Bewertung des Energiebedarfs eines Gebäudes basierten. Viele Untersuchungen zu dieser "Performance-Lücke" zeigten, dass zwischen der durch das Gebäudedesign zu erwartenden Energieeffizienz und der effektiven Energieeffizienz im Betrieb nur ein schwacher Zusammenhang bestehe. Das ziehe den Wert einiger der am meisten verwendeten Metriken zur Messung von Nachhaltigkeit in Zweifel.

Vorreiter Australien beispielsweise versuche, diese Performance-Lücke durch "Nabers" (National Australian Built Environment Rating System) zu schließen. Diese basierten auf den Umweltleistungen von Bestandsgebäuden im operativen Betrieb. Auch bei Projektentwicklungen messe Nabers mindestens zwölf Monate die Ergebnisse des Gebäudebetriebs, bevor das endgültige Rating erfolge.

Die effektive Energieeffizienz hänge stärker vom operativen Gebäudemanagement und vom Nutzerverhalten ab als von der Qualität des Gebäudedesigns, heißt es bei Lasalle. Die Aufmerksamkeit müsse sich auf operative Instrumente verlagern, die den realen Energieverbrauch anzeigten, wenn die Immobilienbranche ihre CO2-Reduktionsziele erreichen wolle.

Als "hochtransparente Länder" in Bezug auf Nachhaltigkeit nennen die Experten Frankreich und Großbritannien. Mit "Breeam" (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology) habe Großbritannien freiwillige Umweltzertifizierungen eingeführt und lege nun mit der Einführung von Minimumanforderungen an die Energieeffizienz die Latte höher. Ab 2018 werde es dort nicht mehr zulässig sein, Wohn- oder Gewerbeimmobilien ohne gutes "Energy Performance Certificate Rating" zu vermieten.

Frankreich sei das einzige Land, das für die Transformation der Immobilienwirtschaft in eine Branche mit geringer CO2-Bilanz über die nächsten zehn Jahre einen konsequenten Rahmen biete. Die Einführung der obligatorischen Berichterstattung zur CO2-Bilanz für institutionelle Investoren im Juli 2015 stelle global einen Meilenstein dar. Ferner sei Frankreich das einzige Land der Welt, das "grüne" Mietvertragsklauseln verbindlich vorschreibe.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: