Nachbarschaftsstreit:Ein Fall für den Schlichter

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Schiedsverfahren können Konflikte zwischen Nachbarn lösen. Das spart Zeit und Geld.

Lars Klaaßen

Sommer, Sonne, Grillsaison - da kommt bei den meisten große Freude auf. Bei einigen hingegen kippt die gute Laune schnell in bitterbösen Streit um: Wenn die Nachbarsfamilie etwa im ersten Stock den Holzkohlegrill auf dem Balkon aktiviert und dadurch das halbe Haus einnebelt. Mit einer klaren Aussprache ist die Auseinandersetzung oft noch nicht bereinigt.

Im Gegenteil: Ein Wort gibt das andere, manchmal kochen alte Streitigkeiten wieder hoch, und dann hagelt es schließlich böse Worte. Wenn sich Nachbarn streiten, helfen Schiedspersonen und Schlichter bei der Konfliktlösung. Im Unterschied zur Gerichtsverhandlung wird auf diesem Wege meist der Haussegen bewahrt. Das Verfahren erspart zudem Zeit und Geld, nicht nur den Streithähnen, sondern auch dem Staat. Deshalb ist es in vielen Bundesländern obligatorisch.

Mieter mit der feinen Nase

Es sind oft die Kleinigkeiten, die für großen Ärger sorgen. Sei es der Baum, der über den Gartenzaun ragt oder der Mieter mit der feinen Nase, der sich in seiner Wohnung vom Knoblauchgeruch aus der Küche des Nachbarn gestört fühlt. "In solchen Fällen ist der Weg zum Gericht meist nicht der beste", sagt Wolfgang Specht. Der Kölner Rechtsanwalt spricht aus seiner Erfahrung als Schlichter. Wenn es zu solchen Streitigkeiten zwischen Nachbarn kommt, versucht er, mit beiden Seiten zu einer Lösung zu kommen.

Schiedsverfahren obligatorisch

Die vorgerichtliche Einigung hat Tradition, der Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen feierte im vergangenen Jahr sein 180-jähriges Bestehen. Vor neun Jahren hat die Bundesregierung ein Gesetz zur Förderung außergerichtlicher Streitbeilegung beschlossen, das den Ländern ein verpflichtendes Schiedsverfahren ermöglicht. Es soll zum Beispiel auf Fälle mit einem Streitwert bis zu 750 Euro und vor allem bei nachbarrechtlichen Fragen angewendet werden.

In Nordrhein-Westfalen und in einigen anderen Bundesländern ist das Schiedsverfahren obligatorisch vorgeschrieben. Erst wenn auf diesem Weg keine Einigkeit erzielt wurde, kann ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden. In Bundesländern, die diese Möglichkeit nicht zwingend verankert haben, kann solch ein Angebot freiwillig wahrgenommen werden.

"Solch ein Schiedsverfahren empfiehlt sich gerade beim Streit mit Nachbarn", sagt Specht. Nach einer Gerichtsverhandlung gibt es in der Regel einen Sieger und einen Verlierer. Ein einvernehmliches Miteinander in der Nachbarschaft wird es deshalb aber kaum geben.

Ohne Gesichtsverlust

"Wer nicht ohnehin wegziehen möchte, sollte sich überlegen, ob eine konfrontative Auseinandersetzung wirklich zum eigenen Wohl ist - selbst wenn man dabei Recht behält", sagt Specht. Oft gehe es gar nicht um den konkreten Rechtsstreit, sondern um Auseinandersetzungen, die das persönliche Verhältnis der Parteien betreffen.

"Die Leute müssen begreifen, dass es ihr eigener Streit ist, der kann oft nicht von einer höheren Instanz aus der Welt geschafft werden." Beim Schiedsverfahren, auch Schlichtung genannt, sind die Betroffenen selbst gefordert: Man setzt sich gemeinsam an einen Tisch und versucht, eine Lösung zu finden - ohne Gesichtsverlust für eine der beteiligten Parteien. In etwa der Hälfte der Fälle gelinge dies, sagt Specht.

Eine außergerichtliche Streitbeilegung kann den Konfliktparteien helfen, Geld zu sparen. Schiedsverfahren sind vergleichsweise günstig, die Kosten variieren von Bundesland zu Bundesland: In Berlin liegen die Gebühren für eine Schiedsverhandlung zwischen 17 und 30 Euro. In Nordrhein-Westfalen werden zunächst nur zehn Euro erhoben. Kommt es zu einem Vergleich, sind 25 Euro fällig. Diese Gebühr kann von der Schiedsperson unter besonderen Umständen auf bis auf 40 Euro erhöht werden. Außerdem können noch Auslagen (etwa Portokosten) der Schiedsperson anfallen.

Zwischen 17 und 40 Euro

In Bayern liegen die Kosten ein wenig höher: Die Gebühr für das Schlichtungsverfahren vor den anerkannten Gütestellen beträgt 100 Euro, wenn ein Schlichtungsgespräch stattgefunden hat. Für Post- und Telekommunikationsleistungen kann der Schlichter noch einen Betrag von 20 Euro fordern.

Für die Konfliktparteien ist die Investition oft gut angelegt. Im Unterschied zu einem herkömmlichen Verfahren vor Gericht kommt das Prozedere im Erfolgsfall zügig zu einem Ergebnis. In der Regel ist es mit einem oder zwei gemeinsamen Treffen getan. Das Verfahren beim Schiedsamt ist außerdem vergleichsweise unbürokratisch. Es wird eingeleitet durch einen Antrag, der den Namen und die Anschrift der Parteien sowie den Gegenstand der Verhandlung enthält. Er kann schriftlich eingereicht oder auch mündlich zu Protokoll gegeben werden.

Begrenzter Kosten- und Zeitrahmen

Anschließend wird ein Termin festgelegt, zu dem beide Parteien erscheinen müssen. Vor der Schiedsperson wird ausschließlich mündlich verhandelt. Die Parteien haben Gelegenheit, sich auszusprechen und zu einer Einigung zu kommen. Die Schiedsperson nimmt sich Zeit und hört ihnen genau zu, sie versucht, die bestehenden Spannungen abzubauen. Ist man sich einig, wird ein Vergleich aufgesetzt, den beide Parteien unterschreiben. Damit ist er rechtswirksam.

Der begrenzte Kosten- und Zeitrahmen ist in den meisten Fällen dem Inhalt des Nachbarschaftsstreits angemessen: "Wenn Mieter sich in die Haare bekommen, geht es in der Regel um Bagatellvergehen", sagt Heinz Winkler, der in Berlin als Schiedsmann tätig ist. "Lärm, schmutzige Treppenaufgänge und andere Übertretungen der Hausordnung sind oft der Anlass, daraufhin werden die Widersacher unsachlich und beleidigen sich." Solche Auseinandersetzungen halten Schiedspersonen mit ihrer Arbeit im Erfolgsfall vom aufwendigen Gerichtswesen fern. Auch dort sollen Zeit und Geld gespart werden.

© SZ vom 27.6.2008/jw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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