Nach der Investmentbank-Pleite:Was mit den Lehmännern geschah

Viele Pleitebanker von Lehman Brothers kamen rasch woanders unter - oder sie durften bleiben, um das Chaos zu beseitigen.

Simone Boehringer und Martin Hesse

Man merkt Patrick Schmitz-Morkramer an, dass widerstreitende Gefühle in ihm arbeiten, als er an einem Sommerabend im Juni seinen neuen Arbeitgeber präsentiert. Einerseits scheint der frühere Ko-Chef von Lehman Brothers in Deutschland ganz froh zu sein, dass er diese Funktion nun bei Nomura ausüben darf.

Eine japanische Bank, deren Name in Deutschland nicht verbrannt ist wie der seines früheren Arbeitgebers. Japan, das steht für Langfristigkeit und lächelnde Zurückhaltung, Attribute, die dem Geist der Zeit entsprechen. Andererseits scheint er sich selbst unbehaglich dabei zu fühlen, dass ausgerechnet er und seine früheren Lehman-Kollegen Nomura helfen sollen, ihr Europa-Geschäft auszubauen.

Nomura ist eine der beiden Banken, die sich das Erbe von Lehman Brothers teilen. Die andere ist Barclays. Während sich Brancheninsider bei Nomura noch nicht ganz sicher sind, ob es den Japanern gelingt, ihre Kultur mit der Lehmans erfolgreich zu verbinden, gilt Barclays heute als einer der großen Gewinner der Lehman-Pleite.

Glücksfall für Barclays

Zu einem "Spottpreis" und frei von Altlasten habe man das Amerika-Geschäft von Lehman erworben, freute sich kürzlich Jerry del Missier, Vize-Chef von Barclays Capital, in einem Interview. Ursprünglich wollten die Briten Lehman schon vor der Pleite übernehmen, nur weil die US-Regierung keine Garantien gewähren wollte, scheiterte der Deal zunächst. Im Nachhinein ein Glücksfall für Barclays. Nun gelten sie dank der Übernahme der profitablen Lehman-Teile als neue Größe im globalen Investmentbanking.

Nomura will dort erst hin. Doch die Japaner tun sich schwer, die ehemaligen Lehmänner zu halten, auch in Deutschland, obwohl sie teils Garantieboni zusagten, um einen Exodus zu verhindern. Die letzte sichere Bonusrunde soll am 1.Oktober ausbezahlt werden. Dann wird man sehen, wie weit es her ist mit der Loyalität gegenüber den Asiaten. Allein seit April sollen etwa 100 Lehman-Mitarbeiter Nomura verlassen haben.

Darunter Schmitz-Morkramers früherer Ko-Chef Michael Bonacker, der jetzt die Konzernstrategie der Commerzbank verantwortet. Der SPD-Politiker Martin Bury ging zur Kommunikationsagentur Hering Schuppener, Anleihen-Chef Christian Spieler zur Citigroup, Stefan Gratzer, der das Geschäft mit Börsengängen leitete, zu Credit Suisse.

Hilfe für den Sanierer

Ein Großteil der etwa 160 deutschen Mitarbeiter sei jedoch geblieben, versichert Nomura. Darunter auch viele der Manager, die in Deutschland das Geschäft mit jenen Zertifikaten betrieben, die Tausenden Kleinanlegern einen Totalverlust beschert haben. Spricht man mit Ex-Lehman-Mitarbeitern über diese Produkte, verweisen sie meist darauf, dass sie ja von anderen Banken vertrieben wurden und niemand mit einer Pleite rechnen konnte.

Für etwa 600 der rund 29.000 Ex-Angestellten der einst stolzen Wall-Street-Bank bot sich eine ganz unerwartete Perspektive: Sie bekamen einen Anruf von Lehman-Chefsanierer Bryan Marsal aus Manhattan.

Der braucht nämlich dringend Leute, die ihm das Geflecht aus Forderungen, Gegenforderungen und anderen Deals mit den 640.000 Geschäftspartnern der insolventen Bank entwirren und abwickeln. Dafür bezahle er auch gut, versichert Marsal - und musste sich dafür schon des Öfteren in den Medien rechtfertigen. Selbst die Beraterdienste von Ex-Chef Richard Fuld verschmäht Marsal nicht. Honorare nehme der allerdings nicht an, versichert der Sanierer.

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