Nach dem Scheitern des US-Hilfspakets:"Wir sind eine Bananen-Republik"

Marshmallows, Bananen, Kuhfladen: Die Rhetorik bei der Abstimmung über das US-Hilfspaket war skurril, das Ergebnis ernüchternd. Wie das Debakel im Abgeordnetenhaus seinen Lauf nahm.

Moritz Koch, New York

Es sollte der größte Rettungsakt der Geschichte werden - und es wurde eine beispiellose Blamage. Das Repräsentantenhaus hat den 700-Milliarden-Dollar-Fonds scheitern lassen, mit dem die amerikanische Regierung den Bankensektor sanieren wollte. Verantwortlich für das Debakel: republikanische Finanzfundamentalisten, die das gelobte Land des Kapitalismus auf dem Weg in die Staatswirtschaft wähnen. Mitschuldig: die demokratische Mehrheitsführerin Nancy Pelosi.

Nach dem Scheitern des US-Hilfspakets: Versteinerte Miene: Die demokratische Mehrheitsführerin Nancy Pelosi nach der gescheiterten Abstimmung.

Versteinerte Miene: Die demokratische Mehrheitsführerin Nancy Pelosi nach der gescheiterten Abstimmung.

(Foto: Foto: AP)

Madam Speaker beliebt zu spalten. Selbst vor der wichtigsten Abstimmung seit der Billigung des Irakkriegs provoziert Pelosi die Republikaner mit einer überflüssigen Tirade gegen marktliberale Glaubenssätze. Überparteiliche Verantwortung wollte das Haus demonstrieren - am Ende liefert es parteiübergreifende Unverantwortlichkeit.

Die aberwitzigste Wortmeldung ist dem Abgeordneten Paul Broun vorbehalten, Republikaner aus Georgia: "Madam Speaker", hebt er an, "das hier ist ein riesiger Kuhfladen mit einem Marshmallow in der Mitte, und ich werde diesen Kuhfladen nicht essen."

Die Bürger bleiben fassungslos zurück. Vielleicht hat Princeton-Ökonom Paul Krugman die richtigen Worte gefunden: "Okay", überschreibt er seinen Kommentar, "wir sind eine Bananen-Republik." Am Ende unterstützen zwei Drittel der Demokraten den Plan. Doch trotz eindringlicher Appelle aus dem Weißen Haus verweigern zwei von drei Republikaner ihrem Präsidenten George W. Bush die Gefolgschaft. Das Gesetz scheitert.

Abends treten die Protagonisten mit erstarrten Mienen vor die Presse, und kündigen zerknirscht an, es am Donnerstag noch mal versuchen zu wollen. Doch da ist das Unheil schon angerichtet. Der US-Aktienmarkt hat den schwersten Einbruch in der Geschichte verzeichnet. Kurswerte von 1,2 Billionen Dollar wurden vernichtet. Am 29. September 2008 hat die Finanzkrise einen neuen Tiefpunkt erreicht und sich zur Vertrauenskrise in die politische Führung Amerikas ausgewachsen.

Ihre Opfer sind nicht mehr nur die hochnäsigen Spesenritter der Finanzwelt. Die Krise erwischt die Mittelschicht mit voller Wucht. Mit den fallenden Aktienkursen schmilzt die Altersvorsorge der Angestellten. Mit jeder gescheiterten Bank schrumpft die Chance von Familien auf eine neue Hypothek. Die Kreditklemme bedroht mittelständische Unternehmen und Zehntausende Arbeitsplätze. Bei den Amerikanern, die ohnehin schon unter hohen Benzinpreisen und stagnierenden Einkommen leiden, wächst die Erkenntnis, dass das Schlimmste noch bevorsteht.

Doch der Schaden, den das Repräsentantenhaus am Montag angerichtet hat, bleibt nicht auf die USA begrenzt. In Japan eröffnen die Märkte mehr als fünf Prozent im Minus. Der Dollar verliert an Wert und zieht den Euro mit sich. Das Zutrauen der Investoren in Amerika schwindet. Und auch auf Europa setzt kaum noch einer.

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