Münchner Immobilienforum:Die Konkurrenz holt auf

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Verdächtiges Objekt am Himmel über der Münchner Altstadt. (Foto: Westend61/Imago)

Lange Verfahren, wenig Mut: Die Branche kritisiert die Politik der Stadt. Andere Metropolen haben viel mehr Bauland und günstigere Wohnungen, sagen Experten.

Von Andreas Remien

München und dann lange nichts. So sah die Lage in den vergangenen Jahren in nahezu allen Städterankings aus. Doch die hohen Grundstückspreise machen dem Standort zunehmend zu schaffen. Die Unzufriedenheit wächst - nicht nur bei Wohnungsmietern oder Käufern, sondern auch bei Investoren und Bauträgern. Auf dem Münchner Immobilienforum in dieser Woche war die Branche trotz der guten Wirtschafts- und Bevölkerungsprognosen der Metropole daher nicht in euphorischer Stimmung. Andere Städte wie Berlin machen München zunehmend Konkurrenz.

"Das internationale Kapital fließt zunehmend nach Berlin", sagt Professor Just

"Es gibt eine Reihe von Standorten, die aufholen", sagt Tobias Just, Professor und Geschäftsführer der Irebs Immobilienakademie. Städte wie Leipzig oder Dresden zum Beispiel punkteten mit billigem Wohnraum, Berlin mit großen Baulandreserven. "Das alles fehlt München", sagt Just. Vor allem die Bundeshauptstadt gewinnt zunehmend an Attraktivität - auch bei Investoren und Unternehmensgründern. "Die Start-up-Szene in Berlin ist sehr lebhaft", sagt Just, "das nimmt man auch international so wahr". In einem internationalen Ranking zur Gründerszene belegt Berlin den neunten Rang - München taucht in den Top 20 gar nicht auf. Bei einer Einschätzung der Entwicklungschancen belegt Berlin den ersten Platz, und damit jenen Rang, den München vor zwei Jahren noch belegt hatte. Die weltweite Prominenz, viele Grundstücke und die noch vergleichsweise niedrigen Preise machen Berlin für junge Unternehmen und damit auch für Investoren aus der Immobilienbranche interessant. "Das internationale Kapital fließt zunehmend nach Berlin", betont Just.

Für Kapitalanleger wie Versicherungen, die etwa Bürotürme, Läden oder Mietshäuser kaufen, sind die Renditen in Deutschland nirgends so niedrig wie in der bayerischen Landeshauptstadt. Sie erkaufen sich Stabilität und verzichten dafür auf höhere Gewinne. Noch riskanter ist die aktuelle Lage allerdings für Projektentwickler. Sie müssen in München Grundstücke sehr teuer einkaufen und darauf hoffen, dass sich später die neu gebauten Wohnungen oder Büros auch teuer verkaufen lassen.

"Wir fragen uns, wie lange das so weitergehen kann", sagt Jens Laub, geschäftsführender Gesellschafter der Optima-Aegidius-Firmengruppe. In den vergangenen Jahren ist die Rechnung wegen der weiter gestiegenen Preise zwar aufgegangen. Viele Bauträger konnten Preise oder Mieten während der Vermarktung laufend erhöhen und haben glänzende Geschäfte gemacht. Der Erfolg der Vergangenheit berge aber die Gefahr, "dass man heute Projekte schönredet", sagt Laub. Bei den aktuellen Grundstückswerten seien Verkaufspreise von Wohnungen unter 6000 Euro pro Quadratmeter kaum mehr möglich - den Bauträgergewinn noch gar nicht eingerechnet.

Ob es in Zukunft noch genügend Käufer gibt, die hohe Summen bezahlen wollen beziehungsweise können, hängt stark von der Entwicklung der Zinsen ab. Sollte es nämlich mit den Zinsen aufwärts gehen, wären zum einen Kredite für Eigennutzer teurer. Zum anderen hätten Kapitalanleger auf den Finanzmärkten wieder andere Möglichkeiten, ihr Geld anzulegen. "Wenn die Zinswende kommt, kann es sein, dass die Nachfrage an die Wand fährt", sagt Laub. Auch andere weltwirtschaftliche Risiken könnten sich auf den Münchner Markt auswirken. "Die Wirtschaft in Asien kühlt sich ab", mahnt Professor Just. Auch die Schuldenprobleme in Europa seien noch keinesfalls gelöst. Warnungen vor spekulativen Übertreibungen auf den Immobilienmärkten seien "von Jahr zu Jahr sinnvoller". Insgesamt sei die Großwetterlage zwar gut. "Die gesamtwirtschaftlichen Risiken aber werden größer", sagt Just.

Bei Hochhäusern wird ein Umdenken gefordert. Bauträger bevorzugen aber andere Projekte

Und dennoch: München bleibt nach Auffassung der Experten ein stabiler Markt. "Es ist ein Jammern auf hohem Niveau", sagt Laub. Im Vergleich zu vielen anderen Städten hat München einen breiten Branchenmix und einen starken produzierenden Sektor. "Dies ist für die Stadt ein Segen", betont Just. Auch die weichen Faktoren sprechen für den Standort. "In den weltweiten Indizes zur Lebensqualität liegt München weltweit immer unter den besten zehn", sagt Just, "das ist schon herausragend".

Weniger zufrieden sind die Unternehmen mit der aktuellen Stadtpolitik. "Die Genehmigungsverfahren dauern viel zu lang", sagt Laub. Von einer "Taskforce-Mentalität" sei bisher noch nichts zu spüren. "Der Wohnungsbau muss Chefsache werden", fordert der Projektentwickler. Pro Jahr müssten circa 10 000 Wohnungen in München gebaut werden. Die Stadtverwaltung müsse daher "radikal umdenken", fordert Laub. Die Bearbeitungszeit von Bauanträgen müsse halbiert, ein Masterplan mit der Region entwickelt und die strikte Trennung von Büro- und Wohnstandorten aufgelöst werden.

Weil München so langsam die Flächen ausgehen, drängen die Projektentwickler auch auf eine dichtere Bebauung. Nach der in der vergangenen Woche entfachten Diskussion über das geplante Hochhaus am Münchner Hauptbahnhof wurde auch auf dem Immobilienforum viel über höhere Häuser debattiert. "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel", fordert Laub.

Bei Bauträgern sind Hochhäuser aber nicht sonderlich beliebt. Die Projekte sind teurer und deutlich komplexer als der normale Geschosswohnungsbau. "Kein Bauträger reißt sich um Hochhäuser", sagt Laub. Neue Projekte könnten daher nur gelingen, wenn die Stadt auf die Bauträger zuginge. Interesse in der Branche scheint aber durchaus vorhanden zu sein. Es müsse viel mehr "vertikale Entwicklungen" geben, sagt Mathias Düsterdick, Geschäftsführer von PDI Property Development Investors, "je höher, desto besser".

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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