Milliardenzocker Jérôme Kerviel:Zelle statt Handelssaal

Der Milliardenspekulant Jérôme Kerviel sitzt in einem berüchtigten Gefängnis ein, doch genießt er besondere Bedingungen - er hat einen Raum für sich alleine.

Michael Kläsgen

Ein Wächter beschreibt ihn als zurückhaltend und gefügig. Bisher sei Jérôme Kerviel nicht besonders aufgefallen. Noch trage ihn die Hoffnung, bald wieder aus der Santé heraus zu kommen, dem berühmtesten und zugleich berüchtigtsten aller französischen Gefängnisse.

Seine Anwältin kämpft um seine Freilassung, aber bislang blieb ihre Mühe vergeblich. Ein Berufungsgericht entschied, dass der Trader inhaftiert bleiben muss. Die Justiz fürchtet, Kerviel könnte untertauchen oder sich mit möglichen weiteren Komplizen absprechen. In der Santé ist das wohl nicht möglich.

Zumindest steht ihm dort sein wichtigstes Kommunikationsinstrument, das Handy, nicht zur Verfügung. Bei ihm waren in den vergangenen Monaten Mobiltelefon-Rechnungen von bis zu 1000 Euro aufgelaufen.

Noch Glück gehabt

Trotzdem hat der 31-jährige Banker, der die französische Großbank Société Générale mit trickreichen Scheingeschäften um fast fünf Milliarden Euro brachte, noch Glück gehabt.

Er ist im Prominententrakt des Baus untergekommen. Die Zellen sind hier etwas größer als in den anderen Flügeln der Anstalt, in der bis zum Jahr 2000 die Gefangenen nach Ethnien getrennt untergebracht wurden.

Auf neun Quadratmetern lebt Kerviel jetzt, ein Privileg, vor allem weil er den Raum für sich allein hat. Außerdem muss er lediglich 18 Stunden täglich darin verbringen - die Inhaftierten in den gegenüber liegenden Trakten dürfen nur zwei Stunden pro Tag aus ihrer Zelle.

Gemeinschaftssaal

Kerviel kann die Zeit im Gegensatz zu ihnen dazu nutzen, in der Bibliothek Zeitungen und Bücher zu lesen. Ihm steht auch ein Gemeinschaftssaal zur Verfügung, wo er mit den zehn anderen VIP-Insassen Karten spielen könnte.

Bisher zeigte er dazu aber keine Neigung. Der Wächter berichtet, er sei sehr schweigsam, habe bisher keine Sonderwünsche geäußert, sondern sich brav den Regeln untergeordnet und eingereiht.

Zum Gottesdienst am Sonntag erschien er nicht. Auch der morgendliche Rundgang um acht Uhr im Freien behagt ihm nicht sonderlich. Der Aufseher führt das auf die derzeit frischen Temperaturen zurück.

Lange Liste an VIP-Zellen

Unter den Mithäftlingen auf dem Prominentenflügel finden sich im Moment keine sonderlich bekannten Figuren. Da gab es schon andere Zeiten. Die Liste der schillernden Persönlichkeiten, die die VIP-Zellen der Santé besetzten, ist lang: Der ehemalige Schauspieler, Minister und Sportmanager Bernard Tapie gehört zum Beispiel dazu, oder der Nazi-Kollaborateur Maurice Papon.

Auch die Hauptakteure der Bestechungsaffäre um den Ölkonzern Elf Aquitaine sperrte man in den Prominenten-Flur: Loik Le Flock-Prigent, Alfred Sirven und Holger Pfahls. Le Floch-Prigent nannte die Zeit im der Santé mal eine der schrecklichsten in seinem Leben.

Zelle statt Handelssaal

Die Santé ist die einzige innerhalb der Stadtgrenzen von Paris verbliebene Haftanstalt und die in ganz Frankreich verrufendste. Der Bau aus dem 19. Jahrhunderts liegt inmitten eines bürgerlichen Wohnviertels, aber einladend wirkt die Festung mit den hohen Mauern und dem Stacheldraht nicht.

Schriller Aufschrei

Und drinnen herrschen Zustände, die Menschenrechtler und Gefängnisärzte als "inhuman und erniedrigend" beschreiben. Am schrillsten war der Aufschrei des Spaniers Alvaro Gil-Roblès vor genau einem Jahr.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats hatte die Haftbedingungen in 36 Ländern inspiziert, und sagte dann, er habe "außer vielleicht in Moldawien" keine schlimmeren Gefängnisse gesehen als Frankreich. Mit am grauslichsten fand er die Santé. Santé heißt zwar Gesundheit, aber das klang wie Hohn in seinen Ohren.

Theoretisch könnte sich Kerviels Untersuchungshaft noch viele Monate hinziehen - solange, wie die Ermittlungen andauern. Damit er sich nicht das Leben nimmt - manche Häftlinge haben sich mit dem Fernsehkabel erhängt -, schaut ein Aufseher mindestens jede halbe Stunde durch eine Luke in seine Zelle.

Eine Routinemaßnahme, wie die Gefängnisverwaltung versichert. Auch die medizinischen und psychologischen Untersuchungen nach der Einlieferung gehören dazu.

Höchste Sicherheitsstufe

Generell gilt bei Kerviel die höchste Sicherheitsstufe. Sogar der Gefängnisdirektor sah sich den jungen Mann, der das angeblich perfekte Kontrollsystem seiner Bank überlistete, kurz nach seiner Einlieferung an. Seither schwirren zehn Polizisten und Sicherheitskräfte um ihn herum. Kerviel eilt der Ruf voraus, ein schlauer Kerl zu sein.

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