Mietrechtsreform:Die Fakten zählen

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Künftig soll nur noch die tatsächliche Wohnfläche Grundlage für die Berechnung der Miete sein.

Von  Stephanie Hoenig

Viele Wohnungen sind kleiner, manchmal auch größer als im Mietvertrag angegeben. Das führt immer wieder zum Streit darüber, welche Auswirkungen das auf das Recht auf Mietminderung, Mieterhöhungen und Betriebskosten hat. "Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) mussten die Vertragsparteien eine Zehn-Prozent- Grenze tolerieren", erklärt Inka-Marie Storm vom Eigentümerverband Haus & Grund in Berlin. Nur wenn die tatsächliche Fläche mehr als zehn Prozent von der im Vertrag angegebenen Fläche abwich, konnte gehandelt werden. "Die geltende Praxis hat sich jetzt aber in einem Punkt geändert", sagt Storm.

Es geht um mehr Gerechtigkeit, auch bei den Betriebskosten

Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH/Az.: VIII ZR 266/14) vom 18.11. 2015 muss der Vermieter sich jetzt bei einer Mieterhöhung an der tatsächlichen Größe der Wohnung orientieren. "Damit haben die Richter des BGH ihre bisherige Rechtsprechung revidiert", erklärt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin. "Das bedeutet, dass im Falle einer Mieterhöhung dann nicht mehr die im Vertrag genannte Quadratmeterzahl gilt, sondern die tatsächliche Größe."

Der Geschäftsführer des Mieterbundes nennt dazu ein Beispiel: Ist eine Wohnung nach dem Mietvertrag 50 Quadratmeter groß und der Quadratmeter kostet 8,00 Euro, so beträgt die Miete für die Wohnung 400 Euro. Würde sich herausstellen, dass die Wohnung nur 40 Quadratmeter groß ist und liegt die ortsübliche Vergleichsmiete bei neun Euro pro Quadratmeter, ist eine Mieterhöhung der 400 Euro teuren Wohnung bis auf weiteres ausgeschlossen. Der Mieter zahlt ja heute schon mehr, als eigentlich ortsüblich ist, nämlich 360 Euro.

Nachmessen ist immer sinnvoll, denn oft weicht die im Mietvertrag angegebene Größe von der tatsächlichen stark ab. (Foto: Jens Schierenbeck/dpa)

Im oben angeführten BGH-Urteil ging es um einen eher atypischen Fall. Während im Mietvertrag eine Wohnfläche von 156,95 Quadratmeter genannt wurde, war die Wohnung tatsächlich 210,43 Quadratmeter groß. Der Vermieter wollte die Miete von 629,75 Euro um 15 Prozent erhöhen und zusätzlich für die bisher nicht berücksichtigte Wohnfläche erstmals Miete erheben. "Der BGH entschied, dass der Vermieter sich mit seiner Mieterhöhung auf die tatsächliche Wohnfläche stützen kann. Er muss aber in diesem konkreten Fall die Kappungsgrenze einhalten", sagt Storm. Danach sei eine Mieterhöhung von mehr als 15 Prozent beziehungsweise 20 Prozent in drei Jahren nicht zulässig. Viel wichtiger ist das BGH-Urteil nach Ansicht des Deutschen Mieterbunds für die umgekehrten Fälle, dass die Wohnung tatsächlich kleiner ist, als im Mietvertrag angegeben.

"Der Richterspruch hat keine Auswirkungen auf bisher geltende Regelungen zur Mietminderung", erklärt Storm. Bei der Festsetzung der Miethöhe gelte wie bisher die Zehn-Prozent-Wohnflächentoleranz. Der Mieter sei nach der Rechtsprechung erst bei Abweichungen von zehn Prozent und mehr berechtigt, die Miete zu mindern, weil ein Wohnungsmangel vorliege. Der Mieter müsse dann nicht nachweisen, dass durch die geringere Größe die Tauglichkeit der Wohnung gemindert ist. Die Toleranzgrenze gilt für Ropertz weiterhin auch für die Betriebskostenabrechnung. Betriebskosten werden oft nach der Wohnfläche abgerechnet. Auch die Heizkosten können anteilig 30 bis 50 Prozent nach der Wohnfläche berechnet werden.

Die Konsequenzen des BGH-Urteils sieht die Berliner Rechtsanwältin Beate Heilmann etwas anders: "Unklar ist mit der Entscheidung vom 18.11. 2015, was nun zukünftig für die Betriebskostenabrechnung gelten soll." Heilmann, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV), geht davon aus, dass auch hier künftig dieselben Überlegungen wie für die Mieterhöhung gelten werden, da auch bei der Betriebskostenabrechnung der "Gerechtigkeitsgedanke" zum Tragen kommen dürfte.

Viele Mieter zahlten derzeit für Fläche, die sie gar nicht haben, beschreibt Ropertz die Situation. Da für Miethöhe oder Betriebskostenabrechnungen leider wie bisher die Zehn-Prozent-Wohnflächentoleranz gelte, bestehe unveränderter Handlungsbedarf: "Entweder klärt der Bundesgerichtshof diese Fragen, oder der Gesetzgeber muss Klarheit schaffen."

Heilmann rechnet in Zukunft vermehrt mit Streitigkeiten zur Flächengröße, insbesondere im Rahmen von Mieterhöhungen. Die Beweislast trägt dann der Vermieter, der sich auf die im Vertrag bezeichnete Fläche der Wohnung beruft. Zweifle ein Mieter die Angaben seines Vermieters an, müsse er dies ausreichend begründen mit einer zumindest überschlägigen eigenen Berechnung der Wohnungsgröße.

Die Befürchtung, dass es mehr Prozesse und mehr Ärger gibt, hat auch der Eigentümerverband Haus & Grund. Man habe zwei verschiedene Wohnflächen - eine Doppelhaushälfte und eine Altbauwohnung - in einem Praxistest vermessen lassen, erklärt Storm: Drei Experten hätten die Wohnflächen jeweils unterschiedlich berechnet - mit Abweichungen von bis zu 16 Prozent. Weil eine Vermessung Mieter und Vermieter viel Geld koste, fordere Haus & Grund vom Gesetzgeber eine Toleranzgrenze in die angestrebte Reform des Mietrechts aufzunehmen.

"Eine Gesetzesänderung haben Union und SPD im Koalitionsvertrag von 2013 vereinbart", erläutert Piotr Malachowski vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucher (BMJV) in Berlin: "Im Vertrag wurde festgelegt, dass in Zukunft nur die tatsächliche Wohn- beziehungsweise Nutzfläche Grundlage für Rechtsansprüche - zum Beispiel für die Höhe der Miete, für Mieterhöhungen sowie für die umlagefähigen Heiz- und Betriebskosten - sein kann." Ein entsprechender Referentenentwurf werde zurzeit im Justizministerium im zweiten Reformgesetz des Mietrechts formuliert. "Ob der Referentenentwurf dann eine Toleranzgrenze enthalten wird, ist noch nicht abzusehen. Wann der Bundestag die Reform beschließen wird und sie in Kraft tritt, ist noch offen", sagt Malachowski. Der Mieterbund rechnet noch im 1. Quartal 2016 damit.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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