Mieterbefragungen:Fühlen Sie sich bei uns wohl?

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Umfragen bei Bewohnern sind für Verbraucherschützer vor allem ein Mittel der Imagepflege. Unternehmen hingegen erhoffen sich davon neue Erkenntnisse. Zum Beispiel über Stimmung und Raumbedarf.

Von Simone Gröneweg

Die Mieter des Konzerns Deutsche Wohnen erhielten vor einiger Zeit eine besondere Einladung. Die Gesellschaft bat sie, an einer Mieterbefragung teilzunehmen und lockte gleichzeitig mit einem Gewinnspiel und Einkaufsgutscheinen. "Wir wollten, dass sich möglichst viele Mieter an der Umfrage beteiligen", begründet Sprecherin Manuela Damianakis den monetären Anreiz. Die Rückläufe seien auch durchaus zufriedenstellend, ergänzt sie. Die Aktion stieß allerdings nicht nur auf positive Resonanz. So fühlten sich einige Bewohner verunsichert, als sie die Fragen lasen und wandten sich an den Berliner Mieterverein. Die Skepsis einiger Mieter erklärt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, folgendermaßen: "Der Fragebogen ist eigentlich nicht problematisch. Manche Mieter sind allerdings nach Mieterhöhungen und wegen des Datenschutzes generell beunruhigt."

Man erreicht auch die Menschen, die sich nicht gleich beschweren, wenn ihnen etwas nicht gefällt

Die Deutsche Wohnen SE hat ein rasantes Wachstum hinter sich und besitzt mittlerweile etwa 160 000 Wohnungen. "Das ist unsere erste Mieterbefragung, und wir verschaffen uns damit einen umfassenden Überblick", sagt Damianakis. Andere Vermieter verfügen schon über mehr Routine in dem Bereich. Dirk Thomas vom Marktforschungsinstitut in-summa hat die Erfahrung gemacht, dass besonders gerne Baugenossenschaften die Möglichkeit nutzen. Grundsätzlich hat das Interesse der Vermieter an solchen Befragungen zugenommen, was vermutlich mit einer höheren Bekanntheit zu tun hat. "Vor einigen Jahren haben die Wohnungsverbände die Gesellschaften verstärkt auf das Thema aufmerksam gemacht", meint Dirk Thomas. Seither böten auch mehr Firmen diesen Service an. Einige Marktforschungsunternehmen haben sich sogar auf die Immobilienbranche spezialisiert. Mittlerweile scheinen Wirtschafts- und Unternehmensberater ebenfalls verstärkt Befragungen anzubieten.

Damit eine Mieterbefragung wirklich Sinn macht, sollte ein Unternehmen über eine gewisse Größe verfügen. Manche Fachleute setzen bei 400 Wohnungen an, der Marktforscher Andreas Schmalfeld betont: "Der Vermieter sollte - unabhängig von der Unternehmensgröße - über ausreichend Kapazitäten verfügen, um mit den Ergebnissen sinnvoll zu arbeiten." In der Regel kombinieren die Wohnungsgesellschaften bei Befragungen das telefonische und schriftliche Verfahren. "Wir schreiben die Mieter an und fragen, ob sie mitmachen wollen. Ein gewisser Prozentsatz ist dazu bereit", erzählt Jürgen Homeyer, Sprecher der LEG Immobilien AG. Diese Mieter erhielten einen Fragebogen in Schriftform und würden zum Teil noch einmal angerufen, beschreibt er das Prozedere. "Wir fragen viele verschiedene Informationen ab - vornehmlich an den wichtigsten Standorten", sagt Homeyer. Das Unternehmen besitzt etwa 130 000 Wohnungen, und zwar überwiegend in Nordrhein-Westfalen. Der Großvermieter erwartet sich davon nicht nur ein Stimmungsbild, sondern auch konkrete Zahlen für künftige Planungen. Darum erkundigt sich der Konzern nach Daten zur Haushaltsgröße, zum Alter und zum Berufsleben. "Wir wollen wissen, ob wir mit unseren Einschätzungen richtig liegen", sagt Homeyer. Schrumpfen die Haushalte zum Beispiel, reichen kleinere Wohnungen. Macht sich der demografische Wandel in der Bewohnerschaft bemerkbar, sind mehr altersgerechte Apartments nötig.

Mieter im Visier: Wohnungskonzerne befragen ihre Kunden immer häufiger zu vielen Themen. Manche locken sogar mit Gewinnspielen. (Foto: imago stock&people)

Es geht allerdings nicht nur um Daten, sondern auch um die Zufriedenheit der Bewohner. Darum erkundigt sich die Gesellschaft danach, wie die Mieter den Zustand der Häuser einschätzen oder was sie vom Umfeld halten. Auf ähnliche Themen zielt die Deutsche Wohnen ab. Die Gesellschaften betonen, dass die Erkenntnisse für die Unternehmenssteuerung wichtig seien. Mieterschützer sehen noch andere Beweggründe. "Aus meiner Sicht erfolgt dies, um Mieter an das Unternehmen zu binden und möglicherweise neue Mietinteressenten zu gewinnen", meint Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes. Die Unternehmen wollten in erster Linie ihr Image aufpolieren, lautet sein Resümee. Holger Cischinsky vom Institut Wohnen und Umwelt hingegen hält Mieterbefragungen für ein einfaches, standardisiertes Mittel, um möglichst mit vielen Mietern in Kontakt zu kommen. "Auf diese Weise erreicht man auch diejenigen, die nicht gleich zum Telefonhörer greifen, wenn ihnen etwas missfällt", betont er.

Ab etwa 500 Einheiten genüge eine Befragung auf Stichprobenbasis - also eine zufällig ausgewählte Menge an Befragten, erklärt der Fachmann Cischinsky. Das erspare Zeit und Kosten. Dabei gelte: Je größer die Stichprobe, desto kleiner die Unsicherheit. In Zeiten von Big Data beschäftigt natürlich viele Mieter die Frage, was mit den gesammelten Informationen geschieht. "Die Ergebnisse sollten eigentlich ohne Angabe der Hausnummer oder einer konkreten Adresse erhoben werden, so dass keine Rückschlüsse auf einzelne Haushalte oder Personen möglich sind", betont Andreas Schmalfeld. "Zu den einzelnen Projekten gibt es bei uns im Regelfall zudem eine Datenschutzvereinbarung mit den Unternehmen", berichtet der Marktforscher aus der eigenen Praxis. Dort werde etwa die Verarbeitung und Speicherung der Daten geregelt und geklärt, welche Mitarbeiter Zugriff darauf hätten.

Ist jemand völlig verunsichert und möchte bestimmte Informationen gar nicht preisgeben, sollte er wissen: Mieter sind nicht verpflichtet, an Umfragen des Vermieters teilzunehmen. Nachteile dürften dem einzelnen Mieter durch eine Verweigerung der Teilnahme nicht entstehen, macht der Berliner Mieterverein deutlich. Andererseits kann das Ganze auch eine Chance darstellen. So erkundigte sich die LEG Immobilien AG bei einer der jüngsten Umfragen bei ihren Mietern, wie sie am liebsten mit dem Vermieter kommunizieren würden. Das Ergebnis: Bitte weniger Schriftverkehr, sondern mehr per Telefon. Konzernsprecher Homeyer sagt: "Das war eine interessante Erkenntnis für uns." Vermutlich wird bei der LEG nun häufiger zum Hörer gegriffen.

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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