Mein erstes Mal:Als Bausparen noch cool war

Mein Geld in einen Bausparvertrag zu stecken - das schien mir nicht bloß eine solide Anlage, sondern der Weg zum großen Reichtum zu sein. Bis mir ein kleines Malheur die Rechnung verdarb.

Claudio Catuogno

Der erste Anrufer hatte eine kleine Ansprache vorbereitet, die trug er jetzt in kumpelhaftem Ton vor. "Ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen", sagte er, "das ist doch jetzt einfach nur geil, die totale Freiheit!" Es war erstaunlich, wie unbefangen er große Worte - Leben, Träume, Unabhängigkeit, Weltreise, Motorradführerschein - zu einem Haufen türmte, der nun blinkte wie billige Leuchtreklame. Was wollte dieser Mann? Er sei mein örtlicher Versicherungspartner, sagte er. Es sei nun an der Zeit, in einem persönlichen Gespräch über meine Zukunft zu reden. Ist das eigentlich immer noch üblich in der Anlagebranche: die Namen der Abiturienten aus der Zeitung auszuschneiden, sich ihre Telefonnummern zu besorgen, um ihnen dann ein persönliches Gespräch über ihre Zukunft anzudienen? Nach dem siebten Anruf wusste ich immerhin, was ich in Zukunft auf keinen Fall wollte: Versicherungspartner werden.

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(Foto: Illustration: Julia Wolf)

Schlüssel für schnellen Reichtum?

Was das Finanzielle betraf, gab ich einer sachlichen Bankangestellten den Vorzug. Wir saßen an einem Buchenholztisch, die schweren Teppiche schienen der Luft allen Sauerstoff zu entziehen. Hier würden Freiheit, Träume, Weltreisen keine Rolle spielen, das gefiel mir. Hier würde niemand so tun, als handele es sich beim Anlegen von ein paar hundert Mark um einen spirituellen Moment. Sicher besaß die Frau auch keinen Motorradführerschein, aber das ist eine Vermutung, wir haben nicht darüber gesprochen. Wir kamen gleich zur Sache. Sie empfahl mir einen Bausparvertrag.

Bausparen, das klang damals noch nicht so verstaubt wie heute. Vermutlich, weil es noch kein Turbosparen, kein Wellness-Sparen, kein Sparen 3000 plus und kein Flatrate-Sparen gab, und weil auch noch nicht jeder sein eigener kleiner Onlinebroker war. Damals traute man sich noch, einem Abiturienten eine handschriftliche Musterrechnung mit nach Hause zu geben, um ihn in die Vorzüge des Bausparens einzuführen. Und was waren das für Vorzüge! Ich habe bald begriffen, dass Bausparen mein Schlüssel für schnellen Reichtum sein würde. Mein kleines Kapital: verdoppelt, nein, vervielfacht in wenigen Jahren!

Komma verrutscht

Am nächsten Tag ging ich wieder hin. Ich hätte gerne diesen Bausparvertrag, sagte ich - und zwar genau so! Pause, Stirnrunzeln, prüfende Blicke. Zugegeben, sagte die Frau von der Bank dann, sie habe sich leider verrechnet. Da sei ihr wohl ein Komma verrutscht. Es war ihr unangenehm. Mir auch. Es wäre nun allerdings schade, sagte sie, wenn wegen dieses kleinen Malheurs mein Vertrauen in die Anlageform des Bausparens erschüttert wäre. Da konnte ich sie beruhigen. Lediglich mein Vertrauen in ihre Bank war erschüttert, wollte ich die totale Freiheit doch nicht mit einem Rechenfehler beginnen.

Die Sparkasse lag am Ende der Straße, man bot mir 2,7 Prozent, hin und wieder wurde der Zinssatz "der aktuellen Marktlage angepasst" - so nannte man Zinssenkungen. Da lag das Geld eine Weile. Irgendwann ging ich es mal wieder besuchen, um zu fragen, wie viel Zinsen ich denn erwarten dürfe am Jahresende. "Nun, ausrechnen kann man so etwas leider nicht", lautete die Auskunft. Überschlagen? "Auch nicht, aber man kann es, wenn es dann so weit ist, auf dem Kontoauszug nachgucken."

Es war Jahre her, aber die traurige Frau hinter dem Holztisch fiel mir wieder ein. Hatte ich ihr unrecht getan? Vielleicht, dachte ich, ist es ja ein populärer Irrtum, hinter Bankschaltern immer Menschen zu erwarten, die rechnen können. Vielleicht, und da spreche ich auch aus eigenem Erleben, ist Rechnen überhaupt etwas, das man nach der Schule automatisch wieder verlernt, genetisch bedingt, wie man mit der Zeit graue Haare bekommt. Ja, ein Prozess, den man durch gar nichts aufhalten kann, nur hinauszuzögern, durch Tönen.

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