Medwedjew greift durch:Finanzspritze für russische Wirtschaft

Lesezeit: 2 min

Panik an Russlands Geldmärkten: Banken kollabieren und Investoren ziehen sich zurück. Mit einer Milliardenhilfe versucht Präsident Medwedjew, gegenzusteuern.

Sonja Zekri

Mit Milliardenzuschüssen und Handelspausen an der Börse will Russlands Führung die schlimmste Finanzkrise seit zehn Jahren in den Griff bekommen. Am Donnerstag ordnete Präsident Dmitrij Medwedjew an, bis zu 500 Milliarden Rubel (13,7 Milliarden Euro) zur Stützung des Aktienmarktes bereitzustellen. Banken melden Liquiditätsprobleme, ausländische Investoren ziehen Milliarden aus dem russischen Markt ab.

Russischer Präsident Medwedjew: Wirtschaft in der Krise. (Foto: Foto: dpa)

Auf einer außerordentlichen Sitzung im Kreml versuchte Medwedjew, der Panikstimmung in der Finanzwelt entgegenzuwirken: "Wir haben genügend Reserven und eine starke Wirtschaft, und dies ist die sicherste Garantie vor irgendwelchen Erschütterungen." Der Handel an den russischen Börsen RTS und Micex soll frühestens am Freitag wieder aufgenommen werden. Er war am Mittwoch ausgesetzt worden, nachdem der in Rubel handelnde Micex um fast 17 Prozent nachgegeben hatte. Die russischen Börsen müssen schließen, sobald einer der Indizes um mehr als zehn Prozent fällt.

Die Krise trifft vor allem den Bankensektor. Als erstes Finanzinstitut hatte am Mittwoch die seit langem angeschlagene Investmentbank KIT Finance gemeldet, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber anderen Banken nicht mehr nachkommen könne. KIT Finance wird nach Angaben des Unternehmens von Leader, einem Tochter-Fonds des staatlichen Energiekonzerns Gazprom, übernommen.

Rote Liste mit gefährdeten Banken

Russische Medien meldeten am Donnerstag, die Zentralbank führe eine "rote Liste" mit 15 Banken, die ebenfalls gefährdet seien. Die drei großen staatlichen Banken, Sberbank, VTB und Gazprombank, haben vorübergehend fast ein Fünftel ihres Wertes eingebüßt. Das Finanzministerium hatte angekündigt, dass die Zentralbank sie mit 31 Milliarden Euro stützen werde. Sie sollten das Geld wiederum an kleinere Banken weiterreichen. Andere Banken erhielten über Auktionen Finanzspritzen von umgerechnet fast elf Milliarden Euro.

Inzwischen erreicht die Krise nach russischen Medienangaben auch den Immobilienmarkt. Russische Entwickler legten "massenhaft" geplante Projekte auf Eis. Russlands Börsen leiden nach Ansicht von Beobachtern nicht nur unter den Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise und des fallenden Ölpreises, sondern auch unter einer Reihe innerer Ursachen. Konflikte wie jene um den britisch-russischen Öl-Konzern TNK-BP oder der Absturz der Aktie des Bergbaukonzerns Mechel nach der drastischen Kritik des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin spielten dabei ebenso eine Rolle wie der Krieg mit Georgien und die abgekühlte Beziehung zum Westen.

420 Milliarden Euro Reserven

Ausländische Investoren, wegen eines unterentwickelten russischen Finanzwesens die wichtigsten Geldgeber, haben Milliarden aus dem russischen Markt abgezogen. Nun herrschen Liquiditätsprobleme. Hinzu kommen eine Inflation von 15 Prozent und steigende Löhne, mit denen die Produktivität nicht Schritt hält.

Dennoch steht Russland besser da als vor zehn Jahren, als die Regierung sich für zahlungsunfähig erklären musste, viele Banken eingingen und Millionen Russen ihr Erspartes verloren. Mit fast 420 Milliarden Euro verfügt es über die weltweit dritthöchsten Währungsreserven.

Die dramatischen Entwicklungen schüttelten die Kapitalmärkte den vierten Tag in Folge kräftig durch. Im Kampf gegen eine weltweite Börsenpanik pumpten die großen Zentralbanken am Donnerstag gemeinsam mehr als 180 Milliarden Dollar (etwa 125 Milliarden Euro) in den Geldmarkt und stoppten damit vorerst die Talfahrt der Aktienkurse.

© SZ vom 19.09.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: