Marktl:Millionen-Gebote für das Papst-Haus

Wie Makler, PR-Strategen, eine Mutter und ein Bürgermeister um das Gebäude feilschen.

Von Martin Zips

"Der Kachelofen im derzeitig als Wohnküche genutzten Raum könnte belassen werden, die Küchentheke zur Kassentheke umfunktioniert werden. Das derzeitige Badezimmer kann zur Besuchertoilette umgewandelt werden". (Aus den Vorschlägen zur Nutzung des Geburtshauses von Papst Benedikt XVI. in Marktl.)

Marktl: Und täglich grüßen Touristen: Die Haus-Eigentümerin hält den Rummel nicht mehr aus und verkauft das Geburtshaus des Papstes.

Und täglich grüßen Touristen: Die Haus-Eigentümerin hält den Rummel nicht mehr aus und verkauft das Geburtshaus des Papstes.

(Foto: Foto: AFP)

Marktl - Es war einmal ein altes Taufbecken, welches ausrangiert im Pfarrhof stand. Man benutzte es nur noch für die Salatwäsche. Dann aber sprach sich herum, dass Kardinal Joseph Ratzinger einst über diesem Becken getauft wurde. Und Kardinal Ratzinger heißt heute Papst Benedikt XVI. Deshalb steht das Taufbecken jetzt im Heimatmuseum Marktl. Neben Mammutzahn und Drehbank. Gegenüber, das ist noch wichtiger, findet sich das päpstliche Geburtshaus.

30.000 Touristen aus aller Welt sind seit April in Marktl eingefallen, um das Papsthaus zu bewundern. Manche haben Putz vom Gebäude am Marktplatz 11 abgeschabt, andere den Ortsvorsteher um ein Autogramm gebeten. Täglich stehen neue Reisegruppen vor dem Bau, der Bürgermeister Hubert Gschwendtner, 56, schlaflose Nächte bereitet.

Noch bis zum 22. August können Gebote für das 1745 als Mautstation erbaute Giebelhaus, das später Polizeistation mit Dienstwohnung war, abgegeben werden.

Die allein erziehende Mutter, der es heute gehört, hat professionelle Makler aus München mit dem Verkauf beauftragt. Es kann ziemlich nervig sein, wenn Touristen ständig Türklinken drücken und mit Fotoapparaten in die Fenster blitzen. Die Körpertherapeutin lässt die Vorhänge nun meistens zu. An ihrer Tür prangt das Schild "Privat". Wer mit Claudia Dandl Kontakt aufnehmen möchte, wird von einem professionellen PR-Agenten nach den Gründen seines Interesses befragt.

Millionen-Gebote für das Papst-Haus

Joseph Ratzinger kam am 16. April 1927 als jüngstes Kind des Gendarmeriemeisters Joseph und seiner Frau Maria in Marktl zur Welt. "Wir haben das einzige Papst-Geburtshaus, das es in Deutschland gibt", sagt Marktls Bürgermeister, der schon CNN und al-Dschasira Interviews gab. "Deshalb ist das eine besondere Verantwortung."

Marktl: Das Papst-Geburtshaus von Innen mit Kachelofen.

Das Papst-Geburtshaus von Innen mit Kachelofen.

(Foto: Foto: oh)

Zwar besitzt die Gemeinde ein Vorkaufsrecht. Entscheidend könnte am Ende aber das Höchstgebot sein und die Frage, ob der verschuldete 2700-Einwohner-Ort mithalten kann, wenn beispielsweise Helmut Brossmann, der Manager der "Kastelruther Spatzen", sein Gebot vorlegt.

Das Pokerspiel hat begonnen, und Spicken ist nicht erlaubt. Zahl und Höhe der bisher eingegangenen Gebote behält das Maklerbüro für sich. Bürgermeister Gschwendtner spricht von klaren Vorstellungen seiner Gemeinde, was der Käufer in dem Haus später alles machen können soll -- und was nicht. Spatzen-Manager Brossmann betont sein Interesse, fordert aber zugleich "ein eindeutiges Exposé der Gemeinde", das verrate, "ob man da nun einen Souvenirladen errichten darf oder nicht".

Der Manager hat einen ganz eigenen Zugang zum Thema: In seinem "Spatzenpark" in Herrnried hatte Brossmann an diesem Wochenende zu einer "Papst-Golf-Party" geladen. Im September stellt seine Südtiroler Schlagergruppe ihr neues Lied vor. "Angelo Gebet" soll es heißen und - natürlich - ist es dem Heiligen Vater gewidmet.

"Es ist nicht gesagt, dass der Höchstbietende auch den Zuschlag für das Geburtshaus erhält", sagt Karin Friedlmaier, die zuständige Immobilienmaklerin aus München. "Gemeinsam mit der Eigentümerin werden wir nämlich sehr genau aus allen Angeboten auswählen."

Viele Haus-Details finden sich im Internet: "Die Eigentümerin ließ ab 1999 speziell im Innenbereich des Wohnhauses umfängliche Wert steigernde bzw. Wert erhaltende Sanierungsmaßnahmen durchführen", heißt es dort. Seitdem der kleine Ratzinger als Zweijähriger auszog, hat sich viel verändert: "Für behagliche Wärme sorgen neben der Öl-Zentralheizung (6000 Liter-Tank) ein mit Holz befeuerter Grundofen." Der Stuck an der Decke, der Dielenboden, die Türen und das Gewölbe wurden auch hübsch hergerichtet. Nur: Wie viel ist das Haus, in dem nicht nur Ratzinger, sondern auch der Erfinder der Achselschenkellenkung geboren wurde, tatsächlich wert?

Während sich ein paar junge Polen am Marktplatz 11 fotografieren ("Wir sind nur wegen dieses Hauses 1000 Kilometer im Auto gefahren"), trinkt Bürgermeister Gschwendtner vor dem Rathaus seinen Milchkaffee. Er spricht von der neuen "Gesellschaft Tourismus und Begegnung", die man in Marktl gegründet hat.

Bei einhundert wöchentlichen Mails, Faxen und Briefen braucht er professionelle Hilfe. Hauptberuflich ist der katholische Sozialdemokrat ja Lehrer, außerdem hat er Familie. Gschwendtner berichtet von den neuen Straßenschildern, die jetzt her müssen, damit sich die zehn Busse täglich auf den nur zum Teil verbreiterten Straßen nicht verfahren. Auch am neuen Internet-Auftritt "von internationalem Format" werde gearbeitet. Eine Pension für Fahrradpilger sei in Planung.

Am 5. August will Gschwendtner mit einer kleinen Delegation seines Ortes nach Wadowice, in die Geburtsstadt von Papst Johannes Paul II., reisen und sich dort erkundigen "wie man mit päpstlichen Geburtshäusern umzugehen hat".

Schön wäre es natürlich, wenn Staat oder Kirche beim Hauskauf helfen könnten, sagt der kluge Gschwendtner. "Es wäre doch furchtbar, wenn am Ende ein Strohmann von Scientology alles in Beschlag nimmt". Der Bürgermeister, dem der neue Papst in einem persönlichen Brief kürzlich viel Kraft wünschte, möchte aus dem Haus ein Museum mit Begegnungsstätte machen. Auch private Investoren, also Menschen wie der Manager der Kastelruther Spatzen, seien da prinzipiell willkommen. Denn Marktl fehlt das Geld zum Kauf. Auf 250.000 bis 300.000 Euro taxiert der Bürgermeister den Wert des Gebäudes, dessen Fensterbänke er auf Kosten der Gemeinde schon mal mit Geranienkästen schmücken ließ.

Der Münchner PR-Agent, den die Eigentümerin eingeschaltet hat, schlägt da völlig andere Töne an. "Schon unter normalen Umständen" gehe er von einem Verkaufswert "im einstelligen Millionenbereich" aus, sagt er. Da es sich allerdings um das Haus des Papstes handele, rechne er gar "mit einem zweistelligen Millionenwert".

Maklerin Karin Friedlmaier gibt sich deutlich zurückhaltender. "Wir werden mit Respekt vor den Gläubigen mit dem Gebäude umgehen. Jeder Kaufinteressent wird von uns genau unter die Lupe genommen, damit sich keiner einschleust, der das Haus missbraucht." Bis zum letzten Kaufgebot wird Bürgermeister Gschwendtner sicher noch einige unruhige Nächte haben. Und dann geht die Geschichte vielleicht erst richtig los. Immerhin: Seit der Papstwahl zählte man in Marktl fünf Wiedereintritte in die Kirche. Und im Taufbecken wird schon lange kein Salat mehr gewaschen.

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