Marktforschung:Weg vom Schreibtisch

Jens Hannewald - Photographie; Helge Scheunemann

Helge Scheunemann analysiert seit 1994 beim Immobiliendienstleister JLL die deutschen und internationalen Immobilienmärkte. Er erklärt, wie sich die Aufgaben im Research im Laufe der Jahre verändert haben.

(Foto: JLL)

Was suchen Investoren, und wie wird sich ein Standort entwickeln? Mit solchen Fragen beschäftigen sich Research-Abteilungen. Wie sich die Aufgaben verändert haben, berichtet Helge Scheunemann, Research-Chef bei JLL Deutschland.

Interview von Andreas Remien

Wie steigen Mieten und Preise von Wohnungen und Gewerbeimmobilien? Was suchen Investoren? Mit solchen Fragen beschäftigen sich die Research-Abteilungen der Immobiliendienstleister. Die Aufgaben sind deutlich umfangreicher geworden, berichtet Helge Scheunemann, Research-Chef bei JLL Deutschland.

SZ: Wurden früher mehr Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen?

Helge Scheunemann: Ja, aber das liegt auch daran, dass es früher noch nicht so umfangreiche Daten gab. Gerade der deutsche Markt war nationaler geprägt. In den Anfängen des Research ging es in erster Linie auch um eine reine Marketing-Funktion. Gleichzeitig waren die ersten Marktdaten Startschuss für die systematische Beobachtung des Marktes mit regelmäßig wiederkehrenden Reports. Dann kamen viele Investoren aus dem angelsächsischen Raum - und die haben bessere Marktinformationen eingefordert. In Großbritannien zum Beispiel hat die Marktforschung eine viel längere Tradition. Aber Deutschland hat enorm aufgeholt. Research ist auch hier von einer Randdisziplin zur zentralen Aufgabe sowohl für Makler- als auch für Investmenthäuser geworden - mit einem deutlich veränderten Fokus auf der Datenanalyse und der strategischen Beratung.

In Ländern wie Großbritannien sind viel mehr Daten zugänglich. Haben Sie es in Deutschland schwer, an valide Informationen zu kommen?

Es gibt sicher einen Mangel an öffentlich zugänglichen Daten. In Großbritannien zum Beispiel gibt es schon länger ein digitales Gutachtersystem, in Deutschland dagegen liegt der Datenschatz der Gutachterausschüsse weitgehend unzugänglich in Aktenschränken. Der Datenschutz spielt hier auch eine viel größere Rolle. Gleichzeitig wird aber mehr Transparenz gefordert. Bei aller Diskussion um Big Data und Digitalisierung müssen wir uns für die Zukunft die Frage stellen, welche Daten überhaupt wie genutzt werden dürfen.

Auch die Unternehmen selbst legen allerdings hier besonderen Wert auf Vertraulichkeit.

Ja, das stimmt. Manche Investoren fordern eine Fülle von Informationen; geht es allerdings um eigene Deals oder Projekte, wollen sie die Informationen lieber nicht preisgeben. Und gerade in einer sehr späten Zyklusphase wie aktuell steigt die Zahl der als vertraulich zu behandelnden Transaktionen wieder an.

Die hohen Preise treiben viele Investoren von den Metropolen in die kleineren Städte. Viele Unternehmen beklagen, dass es dort aber oft zu wenig Marktinformationen gibt. Stimmt das?

Es gibt in Deutschland eine große Spreizung. Viele kleinere Städte haben erkannt, dass sie sich mit Informationen und Marktberichten für Investoren interessant machen können. In anderen Städten dagegen tut sich gar nichts. Da gibt es noch einen großen Nachholbedarf.

Was für Informationen suchen Investoren?

Früher waren vor allem Informationen zu den Büromärkten gefragt. Heute gibt es eine Unmenge an Fragestellungen, die auf die Research-Abteilungen einprasseln. Das macht die Aufgabe auch so spannend. Es gibt immer wieder neue Anlageklassen wie zum Beispiel Studentenwohnheime oder Datencenter. Immer wichtiger werden außerdem Fragestellungen, die unmittelbar mit der Immobilie gar nicht so viel zu tun haben - aber mittelfristig eben doch Auswirkungen auf Performance und Rendite haben. Dazu gehören zum Beispiel Regulierungsfragen, die Entwicklung des E-Commerce, Mobilität oder auch politische Rahmenbedingungen. Es ist ein bunter Strauß geworden.

Risiken wie politische Rahmenbedingungen lassen sich allerdings nicht so leicht in Statistiken pressen.

Wir machen daher auch viel mehr qualitative Erhebungen, führen also zum Beispiel Interviews mit Nutzern oder Investoren. Vor zehn Jahren war das Research fast nur zahlengetrieben. Heute untersuchen wir zum Beispiel auch den Wohlfühlcharakter einer Immobilie oder beschäftigen uns mit Bürokonzepten. Das Rollenprofil eines Researchers hat sich damit auch gewandelt. Er oder sie sitzt heute nicht mehr nur am PC und wertet Daten aus. Es ist wichtig, das Ohr am Markt und ganz konkret an der Immobilie selbst zu haben.

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