Makler:Zweifelhafte Angebote

Sie locken mit Gratis-Bewertungen, um an Verkaufsaufträge zu kommen. Doch die schönen Offerten haben so ihre Tücken.

Von Jochen Bettzieche

Das Rentnerpaar Hermann und Sieglinde war positiv überrascht. Endlich lag zwischen den vielen Werbeflyern im Briefkasten mal einer, bei dem nichts verkauft werden sollte. Im Gegenteil, ein Makler bot eine kostenlose Bewertung der Immobilie der beiden an. "Wir sitzen sowieso gerade an unserem Testament, da kam uns so eine Bewertung ganz recht", sagt Hermann. Tatsächlich bieten immer mehr Maklerfirmen solche Bewertungen an. Selbstlos sind diese Offerten nicht. Den Maklern geht es darum, Aufträge zu ergattern. "Gerade in den Ballungsräumen haben wir einen Nachfrageüberhang nach Objekten, die Kundenakquise ist dort ein aufwendiges, komplexes Verfahren", sagt Stephan Kippes, Sprecher beim Immobilienverband Deutschland (IVD) Süd in München, dem Branchenverband, der unter anderem die Interessen der Immobilienwirtschaft vertritt.

Wie sinnvoll so eine Bewertung ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. "Wenn das kostenlos bleibt und wer einen Anlass hat, den Wert seiner Immobilie in Erfahrung zu bringen, kann das vorbereitend machen, um einen Richtwert zu erhalten", sagt Alexander Wiech, Sprecher des Eigentümerverbands Haus & Grund in Berlin. Kippes vom IVD befürwortet hingegen eine Schutzgebühr von 50 bis 100 Euro, die bei einem eventuellen Verkauf mit der Provision des Maklers verrechnet wird. Ansonsten sagt auch er: "Auch so eine Bewertung ist allerhöchstens als erste Einschätzung denkbar."

Skeptischer ist Alexander Krolzik, Leiter der Abteilung Baufinanzierung bei der Verbraucherzentrale Hamburg: "Für eine erste Einschätzung reicht auch ein Vergleich mit ähnlichen Objekten in einem Immobilienportal im Internet." Er bezweifelt, dass Makler den Preis realistisch ansetzen. Schließlich verdienen sie bei einem Verkauf an der Provision. Je teurer, desto mehr Geld erhalten sie. Und je höher sie den Wert der Immobilie schätzen, desto eher ziehen sie einen Auftrag an Land, da auch der Verkäufer möglichst viel Geld für sein Objekt haben will. Krolzik warnt: "Ob der ermittelte Preis tatsächlich erzielt wird, da wäre ich vorsichtig."

"Ist man automatisch dadurch seriös, dass man sagt, die anderen wären unseriös?"

Das Rentnerpaar hat den Auftrag zur Bewertung erteilt. Eine Mitarbeiterin des Maklers kam vorbei, ging durchs Haus und stellte Fragen. Danach hörten sie erst einmal nichts mehr von ihr. Immerhin, sie hat keine Fotos gemacht. Bei manchen Anbietern ist das üblich. Krolzik rät erneut zur Vorsicht, denn unter Umständen verschafft sich ein Auftragsdieb über den Vorwand der kostenlosen Bewertung Zugang zur Immobilie - und später landet das Mobiliar auf einer Bestellliste im Internet.

Seriöse von unseriösen Anbietern zu unterscheiden, ist schwierig. "Makler kann sich jeder nennen, die meisten haben wenig Kenntnis von baulichen Dingen", hat Wiech beobachtet. Kippes empfiehlt, auf folgende Aspekte zu achten: Wie lange ein Anbieter bereits am Markt ist und in welchem Bereich; ob und welche Ausbildung er hat; ob er Referenzen vorweisen kann; wie er auf Fragen des Immobilienbesitzers eingeht. Einige Maklerbüros warnen beim Thema Immobilienbewertung vor unseriösen Mitbewerbern. Aber Kippes ist da vorsichtig: "Ist man automatisch dadurch seriös, dass man sagt, die anderen wären unseriös?"

Dem Rentnerpaar wird die Bewertung ihres Objekts nicht helfen. Sie wollen diese als Grundlage für ihr Testament heranziehen. Eventuellen Streit unter Erben vermeidet die Einschätzung des Maklers allerdings nicht. "Eine Maklerbewertung ist nicht gerichtsfest, sondern gibt nur eine Größenordnung vor", erläutert Krolzik. "Für den tatsächlichen Wert einer Immobilie braucht es ein Gutachten eines Sachverständigen", stellt auch Wiech klar. Der sollte zudem beeidigt sein. Manche Makler sind das auch, aber eben nicht alle. Und das Gutachten eines Sachverständigen kostet Geld. Eine vierstellige Summe ist die Regel. Kippes folgert daraus für die kostenlosen Angebote der Makler: "Für ein Testament, eine Scheidung oder eine Trennung ist es zu wenig."

Man sollte zudem darauf achten, dass mit dem Bewertungsauftrag nicht auch ein Verkaufsauftrag vergeben wird. So ein Vertrag kann schon mündlich zustande kommen. Müssen die Auftraggeber etwas unterschreiben, sollten sie das Kleingedruckte genau lesen. Kippes bezweifelt allerdings, dass ein so gekoppelter Auftrag vor Gericht Bestand hat: "Niemand kann einen Eigentümer zwingen, seine Immobilie zu verkaufen."

Krolzik fällt über die Flyer ein hartes Urteil: "Wer sich nicht sowieso mit dem Gedanken eines Verkaufs trägt, sollte sie in den Mülleimer werfen." Und wer verkaufen will, sollte den Makler nicht auf Basis einer Wurfsendung auswählen, sondern sich informieren, wer sich mit dem örtlichen Markt besonders gut auskennt. Teurer wird es dadurch nicht, hat der Verbraucherschützer beobachtet: "Die erste, unverbindliche Einschätzung ist ohnehin meist kostenlos, wenn man auf ein Exposé verzichtet."

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