Lobbyist David Wootton:Seine Majestät, der König der Banker

Der Lord Mayor of London hält Hof wie ein kleiner König: David Wootton ist Cheflobbyist der Finanzbranche und gerade als 684. Amtsinhaber gewählt worden. Was und wer steckt hinter dieser Konstruktion?

Andreas Oldag

Es ist eine Mischung aus Karneval und mittelalterlicher Hofzeremonie. Wenn David Wootton in seinem Hermelin-Pelz in eine goldene Kutsche steigt, und durch die Londoner Innenstadt fährt, lenkt er unweigerlich alle Blicke auf sich. Der Lord Mayor of London hält Hof wie ein kleiner König. Gerade ist er als der 684. Amtsinhaber für ein Jahr gewählt worden. Seine Aufgabe ist es vor allem, sich auch als eine Art Cheflobbyist um die Banken und Finanzfirmen in der Londoner City zu kümmern.

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Der Lord Mayor of the City of London: Seine Aufgabe ist es vor allem, sich als eine Art Cheflobbyist um die Banken und Finanzfirmen in der Londoner City zu kümmern.

(Foto: AFP)

"Das Problem ist die öffentliche Wahrnehmung des Finanzviertels", räumte der gelernte Anwalt Wootton unmittelbar nach seiner Amtseinführung ein. So viel Offenheit hatten sich seine Vorgänger kaum zugetraut, gilt doch der Lord Mayor gemeinhin als stockkonservativer Standesvertreter. Regieren mit "stiff upper lip", mit zusammengebissenen Zähnen, heißt es ansonsten in diesen erlauchten Kreisen des Londoner Geldadels.

Doch Finanzkrise, exorbitante Bonuszahlungen an die Banker, aber auch die jüngste Protestbewegung "Occupy London", machen dem schönen Image des größten europäischen Bankenplatzes zu schaffen.

Nun will der 61-jährige Wootton für positive Schlagzeilen von der Themse sorgen. Dessen ungeachtet machte der Mayor allerdings auch klar, dass er vom Anliegen der Demonstranten, die seit mehreren Wochen auf dem Vorplatz der St. Paul's Cathedral campieren und gegen die Bankenexzesse protestieren, nicht viel hält. Die Besetzungsaktion würde nur von einer vernünftigen Debatte ablenken, beschied Wootton.

Zu verwechseln ist der Titel "Lord Mayor of London" nicht mit dem des "Mayor of London", dem gewählten Bürgermeister von London. Dieses Amt hat derzeit der konservative Politiker Boris Johnson inne. Wootton ist dagegen der Repräsentant und oberste Verwaltungsherr der sogenannten Square Mile, der Quadratmeile im Herzen Londons, in der sich auf der Fläche eines Dorfes etwa 500 Banken und Finanzfirmen ballen.

Sein Amt geht zurück auf eine königliche Vereinbarung aus dem Jahre 1189. Schon damals wurde den in der Londoner Innenstadt tätigen Kaufleuten eine eigene Interessenvertretung gewährt. Daraus ist die City of London Corporation entstanden mit dem Lord Mayor als Vorstand. Heute hat die "Firma", die durch Zuwendungen und Spenden einen jährlichen Etat von 300 Millionen Pfund (345 Millionen Euro) hat, weitreichende Kompetenzen, zum Beispiel auch bei der Stadtplanung. Kein Zufall, dass Kritikern die City of London Corporation als "old boys network" (wörtlich: alte Jungen-Netzwerk) mächtiger Finanzvertreter ein Dorn im Auge ist.

Von wirksamer demokratischer Kontrolle kann keine Rede sein. Zwar wird der Lord Mayor auch von etwa 9000 in der City registrierten Bewohnern gewählt. Doch die entscheidenden Stimmen kommen von den Banken, Brokerfirmen und Anwaltskanzleien in der Square Mile, deren Gewichtung sich in dem komplizierten Wahlverfahren nach den jeweiligen Mitarbeiterzahlen richtet. "Der Vorwurf des Demokratiemangels ist falsch", entgegnet Wootton.

Er gibt sich jovial

Er verweist darauf, dass etwa 300.000 Menschen in der Londoner City arbeiten. Es sei klar, dass sich eine lokale Verwaltung auch nach deren Interessen richte, so der Lord Mayor. Da spricht Wootton sicherlich auch in eigener Sache. Schließlich ist der in Cambridge ausgebildete Jurist Partner in der renommierten Londoner Kanzlei Allen & Overy, die auch für viele Banken arbeitet.

So gibt sich der Chef der City of London zwar jovial und gesprächsbereit. Doch wenn es um die Verteidigung der Finanzbranche geht, ist er auch kompromisslos. Eine von der EU geforderte Finanztransaktionsabgabe lehnt Wootton ebenso ab wie eine höhere Besteuerung der hochverdienenden Manager. Das wird den Mayor zwangsläufig in Konflikt mit der Protestbewegung "Occupy London" bringen.

Die Demonstranten sollen dort nach dem Willen der City of London so rasch wie möglich verschwinden. Räumungsbescheide kleben bereits an den Zelten. Beide Seiten belauern sich. Noch scheint die Stadtverwaltung auf einen friedlichen Abzug zu setzen. Für Wootton wird es eine schwierige Entscheidung: Ruft er am Ende doch die Polizei zu Hilfe oder gibt er sich konziliant? "Wir erwarten nicht viel von dem Mayor. Der kann nicht aus seiner Haut heraus. Er ist ein Mann der Finanzindustrie", meint einer der Demonstranten.

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