Leere Wohnungen:Die Ladenhüter in München

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Es klingt paradox: In der Stadt mit den höchsten Mieten und dem Mangel an Familien-Wohnungen stehen zahlreiche große und städtisch subventionierte Wohnungen in der Messestadt Riem leer.

Bernd Kastner

Es klingt paradox: In der Stadt mit den höchsten Mieten und dem Mangel an Familien-Wohnungen stehen zahlreiche große und städtisch subventionierte Wohnungen in Riem leer - seit eineinhalb Jahren schon. Die Gründe reichen vom Negativ-Image der Messestadt bis zu internen Problemen der Gewofag. Die Stadt-Tochter kostet der Leerstand bislang 1,5 Millionen Euro.

Die Ladenhüter stehen an der Helsinki- und Oslostraße, errichtet hat sie die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag. Ende 2004 wurden 143 Wohnungen bezugsfertig, allesamt im so genannten München Modell gefördert. In den Genuss der Förderung kommt etwa eine vierköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von bis zu 73.000 Euro, die Stadt subventioniert eine durchschnittliche Modell-Wohnung mit rund 50.000 Euro.

Der Mietpreis liegt inzwischen bei acht Euro pro Quadratmeter - plus drei Euro Nebenkosten -, nachdem er zuerst 2005 vom Stadtrat und im März nochmals von der Gewofag gesenkt wurde. Nach dem jüngsten Rabatt habe sich die Zahl der freien Wohnungen auf 26 halbiert, heißt es bei der Gewofag.

Formal aber seien 42 Mietverträge noch nicht unterschrieben. Und: "Einige" bereits vermietete Wohnungen seien mittlerweile sogar wieder frei geworden, berichtet Gewofag-Chefin Maria Knauer. Der Leerstand kostet die städtische Tochter mit ihren insgesamt rund 25.000 Wohnungen viel Geld: Auf mindestens 1,5 Millionen Euro schätzt man bislang den Verlust.

Auch Knauer, seit einem halben Jahr im Amt, ist auf der Suche nach Erklärungen für dieses "Mysterium", wie man im Planungsreferat diesen Leerstand in der für ihre Wohnungsnot bekannten Stadt nennt. Knauer ist selbstkritisch und sagt, es könnte sich um ein hausgemachtes Problem handeln. Ursprünglich waren die beiden Blöcke unweit des zentralen Willy-Brandt-Platzes als Eigentumsprojekte geplant. Als man dann Mietwohnungen daraus machte, sei man mit der Vermarktung "sehr spät" dran gewesen. Da sei der Markt bereits erschöpft gewesen.

Auffallend ist, dass ausschließlich familiengerechte Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen leer stehen. Das könnte am Preis liegen, vermutet Knauer, denn trotz der Förderung muss man für 100 Quadratmeter 1100 Euro hinlegen - allerdings warm. Zudem dürfte der Staffelmietvertrag der Gewofag abschrecken: Die Miete soll innerhalb von 15 Jahren auf 10,70 Euro steigen.

Stephan Kippes, Marktforscher beim Immobilienverband IVD, sieht einen weiteren Grund in der Wohnpräferenz der Familien: Für ein paar Euro mehr im Monat und ein paar Minuten längere Fahrtzeit zögen viele ein gebrauchtes Reihenhaus im Umland, gekauft oder gemietet, der Riemer Etagenwohnung vor. Ein Garten, und sei er nur handtuchgroß, wirke Wunder bei Familien, gerade im Kontrast zu den Wohnblöcken neben der Messe. Kippes: "Eine überzogene Verdichtung führt zu Vermarktungsproblemen."

Und dann ist da noch das Image, mit dem das Viertel zwischen Messe und Buga-See zu kämpfen hat: Zur peripheren Lage und einer umstrittenen Architektur gesellt sich ein vergleichsweise hoher Anteil von Sozialhilfeempfängern und Ausländern. "Es wird noch etwas dauern, das Image der Messestadt entsprechen zu positionieren", drückt sich Kippes diplomatisch aus.

Deutlicher wird Georg Reisner, der im Planungsreferat für das München Modell zuständig ist und von "Ressentiments" spricht: "Da wollen wir nicht unbedingt wohnen", sei eine oft zu hörende Reaktion potenzieller Mieter angesichts der Nachbarn.

Stutzig macht jedoch, was man von einem privaten Bauträger aus der Messestadt hört, der nicht genannt werden will: Seine gut 70 Miet-Modell-Wohnungen seien gut weggegangen, und demnächst werde man weitere 120 bauen. Die Nachfrage sei sehr gut.

Liegt also bei der Gewofag doch noch mehr im Argen? Maria Knauer räumt ein, dass es ein "Kommunikationsproblem" mit den Interessenten geben könnte. Zwar habe man eigens einen Mitarbeiter in Riem sitzen, der die freien Wohnungen vorzeige. Doch wenn ein möglicher Mieter freitags oder am Wochenende in der Zentrale anrufe, um einen Besichtigungstermin zu vereinbaren, erreiche er meist niemanden mehr.

© SZ vom 22.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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