Lebensleistungsrente:Die Sache mit den zwei Zahnbürsten

Bei der Lebensleistungsrente soll das Einkommen des Partners angerechnet werden. Doch die Rentenversicherung will nicht in den Beziehungen von Menschen herumschnüffeln. Auch an anderen Stellen soll das geplante Gesetz noch nachgebessert werden.

Thomas Öchsner, Berlin

Wenn Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen dafür wirbt, die Minirenten von langjährigen Geringverdienern aufzustocken, vergisst die CDU-Politikerin nie einen Satz: Wer von der neuen Leistung profitiere, "muss nicht zum Sozialamt gehen". Das klingt für die vielen künftigen Ruheständler, die sich vor der Altersarmut fürchten, recht verheißungsvoll. Doch ganz so leicht wird es für die Niedrigverdiener nicht, von der neuen steuerfinanzierten Rente zu profitieren.

Geld für diejenigen, die 40 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt und zusätzlich privat vorgesorgt haben, gibt es erst, wenn das Einkommen des Ehepartners oder auch des Lebensgefährten in einer eheähnlichen Gemeinschaft geprüft ist und dies nicht zu hoch ist. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) fürchtet deshalb schon jetzt, dass sie - wie die Jobcenter und Kommunen bei Hartz-IV-Empfängern - untersuchen muss, wie und ob Menschen zusammenleben. Mit der Frage, was zwei Zahnbürsten in einem Haushalt zu bedeuten haben, will die Behörde aber überhaupt nichts zu tun haben.

In der vergangenen Woche hat sich gezeigt: Nach dem Gipfel im Kanzleramt, bei dem die Koalition die neue Rente für Niedrigverdiener mit 40 Beitragsjahren beschlossen hat, sind noch viele Details offen. Zumindest nach den bisherigen Plänen der Koalition soll allerdings auf jeden Fall das Einkommen des Partners berücksichtigt werden.

So hatte es die Arbeitsministerin bereits bei der ursprünglich von ihr geplanten Zuschussrente vorgesehen. So steht auch in einer Vorlage ihres Hauses vom vergangenen Montag: "Einkommensanrechnung durch Rentenversicherung (analog Witwen- und Waisenrente); jedoch einschließlich Partnereinkommen." Ohne Beamtendeutsch könnte man sagen: "Die Betroffenen müssen samt Partner die Hosen runterlassen", wie es ein Rentenfachmann formuliert.

"Samt Partner die Hosen runterlassen"

Nun gibt es niemanden, der Menschen von einer staatlichen Leistung profitieren lassen will, die sie auf Grund ihres Haushaltseinkommens gar nicht benötigen. Die Rentenversicherung warnte aber bereits im August in einer internen Stellungnahme ans Arbeitsministerium vor "bürokratischen Doppelstrukturen", wenn die Träger der Grundsicherung, also die jeweilige Kommune, und die Rentenversicherung die finanzielle Lage von Anspruchsberechtigten durchleuchten müssten.

In dem Papier heißt es ausdrücklich: "Eine befriedigende verwaltungstechnische Umsetzung der Regelung zur Anrechnung des Einkommens von Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft mit dem Berechtigten leben, ist nicht möglich."

Die Rentenversicherungsträger verfügten auch nicht "über die notwendige Infrastruktur zur Prüfung der Beziehung von Menschen, die in einer Wohnung zusammenleben". Außerdem lasse die vorgesehene Einkommensanrechnung offen, "wann jemand als Partner des Berechtigten zu betrachten ist". Für die Deutsche Rentenversicherung ist so klar: Nachprüfungen könnten nur die Kommunen übernehmen.

Lebensgefährte oder WG-Mitbewohner?

Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), hält ebenfalls wenig von den Regierungsplänen: "Die Koalition macht den großen Fehler, die Rentenversicherung durch die Lebensleistungsrente zum zweiten Sozialamt zu machen", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Die Rentenversicherung müsste sämtliche Einkommensdaten der Versicherten und ihrer Partner prüfen - bis hin zu der Frage, ob die unter derselben Adresse gemeldete Person ein Lebensgefährte oder ein WG-Mitbewohner ist.

"Das ist nicht nur bürokratisch, sondern auch unwürdig." Buntenbach fordert daher, die frühere Rente nach Mindesteinkommen wiederzubeleben und so niedrige Einkommen von langjährigen Versicherten ohne bürokratische Prüfungen aufzustocken.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnt den DGB-Vorschlag als viel zu teuer ab. Doch die BDA fürchtet auch mehr Bürokratie nach Einführung der Lebensleistungsrente - für die Unternehmen. "Es ist unnötig, dass die Arbeitgeber künftig für die geplante Einkommensanrechnung zusätzliche Meldungen über die Arbeitsentgelte ihrer Beschäftigten vornehmen sollen", sagte ein BDA-Sprecher.

Hälfte der Rentner hat von Aufstockung nichts

Von der Leyens Äußerung über die Geringverdiener, die als Rentner nicht mehr zum Sozialamt müssten, ist noch aus einem anderen Grund heikel: Es könnte nämlich anders kommen, als es sich die Ministerin wünscht. CSU-Chef Horst Seehofer warf ihr vor, den Beschluss vom Koalitionsgipfel in ihrem Sinne umzudeuten. "Wir haben keinen Betrag definiert, und deshalb verstehe ich nicht, warum Ministerin von der Leyen jetzt Beträge in die Welt setzt", sagte er dem Spiegel.

Die Ministerin sieht die Obergrenze für die neue Leistung oberhalb der Grundsicherung in Städten mit hohen Mietkosten, also bei 830 bis 850 Euro. Anders die FDP: Sie macht sich dafür stark, die Lebensleistungsrente am bundesweiten Durchschnitt der Grundsicherung zu orientieren. Das waren zuletzt 707 Euro.

Dieser Wert hat - im Gegensatz zu von der Leyens Obergrenze - einen großen Nachteil: Etwa die Hälfte der bis 2030 etwa 1,2 Millionen Rentner, deren Altersbezüge aufgestockt werden würden, hätten von der Aufwertung nichts. Sie leben in Städten wie Wiesbaden oder München, in denen die Grundsicherung bereits deutlich höher ist. Am Dienstagabend wollen die Rentenpolitiker der Koalition erneut verhandeln. Stoff zum Streiten gibt es genug.

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