Krisenbanken HRE und HSH:Brisanter Deal - Codename "St. Pancras"

Zwei Krisenbanken und fragwürdige Geschäfte: HRE und HSH sollen nach SZ-Informationen gemeinsam Milliarden-Risiken verschleiert haben.

Martin Hesse und Klaus Ott

Es geht um Untreue und Korruption, um Betrug und die Manipulation der Börsen: Deutschlands Staatsanwälte knöpfen sich seit Monaten die Herren des Geldes vor. Republikweit ermitteln sie gegen 30 bis 40 aktive und ehemalige Top-Banker wegen riskanter Geschäfte, die beinahe das Finanzsystem in den Abgrund gestürzt hätten.

Krisenbanken HRE und HSH: HSH und HRE: Haben die beiden Banken ihre Bilanzen gegenseitig um mehrere Milliarden Euro entlastet?

HSH und HRE: Haben die beiden Banken ihre Bilanzen gegenseitig um mehrere Milliarden Euro entlastet?

(Foto: Graphik: SZ; Großansicht: Auf das Bild klicken)

Jetzt kommt ein neuer Vorwurf hinzu, der gravierender ist als alles, was die Strafverfolger bislang beschäftigt: Zwei Großbanken sollen gemeinsam getrickst und sich gegenseitig dabei geholfen haben, ihre Bilanzen zu fälschen. Das behauptet Gerhard Strate, einer der bekanntesten Anwälte des Landes, in einer Strafanzeige, die er am Mittwoch bei der Hamburger Staatsanwaltschaft einreichte. "Mit den Vorwürfen werden wir uns eingehend auseinandersetzen", sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers.

Es geht ausgerechnet um jene beiden Institute, die mehr Hilfen vom Staat bekommen haben als fast alle anderen: die Hypo Real Estate (HRE) und die HSH Nordbank. Sie sollen 2007 ihre Bilanzen um mehrere Milliarden Euro geschönt haben. Die Banken bestreiten das.

Die HSH sagt, der Verdacht sei "absurd", die HRE erklärt, sie habe sich an die Gesetze gehalten.

Die Anzeige

Strate kümmert sich seit langem um Fälle von Wirtschaftskriminalität. Nun treibt ihn das Bankendesaster um, und er versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Aus eigenem Antrieb, wie er sagt. Nun reichte er deshalb bei den Staatsanwaltschaften in Hamburg und München eine Strafanzeige gegen damalige Vorstandsmitglieder ein, die für das Geschäft verantwortlich gewesen seien. Strate schaltete auch die Münchner Staatsanwaltschaft ein, die für die HRE zuständig ist.

Die Anzeige, interne Bankunterlagen und E-Mails über die betreffenden Vorgänge liegen der Süddeutschen Zeitung und NDR Info vor. Mit einem komplizierten Geschäft, von dem beide profitiert haben, sollen die Krisenbanken von Ende 2007 bis Frühjahr 2008 ihre Bilanzen gegenseitig um jeweils mehrere Milliarden Euro entlastet und so die Bankenaufsicht getäuscht haben. Bei der HSH liege ein "gravierender Fall von Bilanzfälschung" vor, behauptet Strate. Auch bei der HRE sei von damaligen Vorstandsmitgliedern die Bilanz gefälscht worden, behauptet er.

Die bisherigen Verfahren

Gegen HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher und zwei seiner Vorstandskollegen sowie seinen Vorgänger Hans Berger ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg bereits aus anderen Gründen wegen Untreue. Die Fahnder haben eine eigene Ermittlungsgruppe gebildet, die sich nur mit diesem Fall beschäftigt.

Ähnlich ist es in München. Dort gibt es bei der Staatsanwaltschaft eine "Arbeitsgruppe Finanzkrise", die Verluste in Milliardenhöhe bei der HRE und bei der BayernLB untersucht. Bei der HRE werden Ex-Vorstandschef Georg Funke, seine sieben Vorstandskollegen und Ex-Aufsichtsratschef Kurt Viermetz beschuldigt, mit zu risikoreichen Transaktionen Bankvermögen veruntreut zu haben.

Der Anwalt und merkwürdige E-Mails

Der Anwalt

Strate hat bereits mehrere Anzeigen gegen die HSH Nordbank eingereicht und so die Ermittlungen der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen HSH-Chef Nonnenmacher und andere NordbankManager in Gang gebracht. Die HSH hat ihrerseits Anzeige wegen falscher Verdächtigung gegen Strate erstattet. Es sei "befremdlich", wie sich der Anwalt aus Hamburg zu Lasten der Bank profilieren wolle, erklärte die Bank schon vor Monaten. Man sei "nicht länger gewillt", das hinzunehmen.

Ein komplizierter Tausch

Das Geschäft, um das es in der neuen Anzeige geht, soll bei den beiden Banken Ende 2007 unter dem Code-Namen St. Pancras eingefädelt worden sein. Offen sei, ob eine Bahnstation in London oder der heilige Pankratius als Namensgeber gedient hätten, sagt Strate. St. Pankratius sei bei den Engländern als eine Art Schutzheiliger von "Eiden und Verträgen" bekannt. An dem Projekt St. Pancras arbeiteten im Dezember 2007 in den Bankzentralen in München und Hamburg sowie in Anwaltskanzleien mehr als 50 Personen. Der Pakt, den HSH und HRE um den 20. Dezember 2007 geschlossen haben sollen, hatte es in sich.

Die Details des Deals

Im Spätherbst 2007 hatten HSH und HRE ein gemeinsames Problem: Die Relation zwischen dem vorhandenen Kapital und den eingegangenen Risiken sei aus dem Lot geraten, so Strates Vorwurf. Um diese Schwäche im Jahresabschluss zu verschleiern und ein Einschreiten der Finanzaufsicht Bafin zu verhindern, sollen die Banken das Projekt St. Pancras ersonnen haben.

Es sollte dazu dienen, Kreditrisiken aus der Bilanz auszulagern, sodass das Kapitalpolster dicker erscheint, als es war.

Sowohl die HSH als auch die HRE lagerten im ersten Schritt jeweils Immobilienkredite im Wert von 3,8 Milliarden Dollar in je eine Zweckgesellschaft aus. Deren Zahlen erschienen nicht in der Bilanz. Dafür nahmen die Banken einen Abschlag von je 800 Millionen Euro inkauf. In einem zweiten Schritt wurde eine dritte Zweckgesellschaft gegründet. Dahinter stand der amerikanische Hedgefonds Dynamic Credit Partners. In der dritten Stufe wurden die Kredite als Wertpapiere gebündelt und die dritte Zweckgesellschaft kaufte diese Papiere auf, so Strates Darstellung.

Im Gegenzug erhielten HSH und HRE demnach jeweils drei Milliarden Dollar. Der Hedgefonds aber soll selbst nur sechs Millionen Euro investiert haben. Der Löwenanteil für den Kauf der Kreditwertpapiere kam von HRE und HSH selbst: Sie gaben dem Hedgefonds kurzfristige Kredite, um die Papiere der anderen Bank kaufen zu können.

"Den Aktionären der HRE wurde im Jahresabschluss vorgespiegelt, das Jahresergebnis lasse unproblematisch die Ausschüttung von 101 Millionen Euro zu", sagt Strate. "Damit wurde ein Großteil der Aktionäre in Sicherheit gewogen und davon abgehalten, Aktien zu verkaufen." Später bekamen die Anleger für ihre Aktien nahezu nichts. Kurz nach dem Bilanzstichtag räumte die HRE erstmals ein, dass man wegen der Kreditkrise Abschreibungen vornehmen müsse.

Merkwürdige E-Mails

Bereits am 30. Januar 2008 teilt eine HRE-Mitarbeiterin einem Mitarbeiter der HSH Nordbank per E-Mail mit, dass sie nun darangehen wolle, die Transaktion zum 15. April rückabzuwickeln. Sie bezieht sich dabei auf eine früher getroffene Absprache. "Wenn du mir bestätigen könntest, dass die HSH ebenfalls glücklich wäre, die Transaktion zum 15. April zu kündigen, können wir das Verfahren einleiten, um sicherzustellen, dass alles so reibungslos wie möglich abläuft." Nach Auffassung von Strate, der sich auf ein Rundschreiben der Finanzaufsicht beruft, ist die Auslagerung von Krediten unzulässig, "wenn sie von vornherein darauf angelegt ist, binnen weniger Monate innerhalb des folgenden Jahres wieder rückabgewickelt zu werden".

Aus einer weiteren E-Mail geht hervor, dass ein HSH-Mitarbeiter den Chef des Hedgefonds informierte, die HSH werde die "Rechtsverfolgungskosten zahlen, falls die Transaktion zum Gegenstand von Ermittlungen durch die Aufsichtsbehörde wird".

Die Reaktion der Banken

Die beiden Banken weisen die Vorwürfe des Hamburger Anwalts zurück. "Der Vorwurf der Bilanzfälschung ist absurd", teilt die HSH Nordbank mit, "es liegt für jedes Geschäftsjahr ein uneingeschränktes Testat durch internationale Wirtschaftsprüfer vor." Die Bank habe auch ohne die Transaktion "die aufsichtsrechtlich geforderte Mindestkapitalquote deutlich überschritten".

Ein HRE-Sprecher sagte, die Bank habe 2007 "im Rahmen der geltenden gesetzlichen Regeln Transaktionen durchgeführt". Das Geschäft sei auch"Gegenstand der Jahresabschlussprüfung durch den Wirtschaftsprüfer" gewesen. Auch ohne dieses Geschäft, hätte man die gesetzlichen Kapitalanforderungen erfüllt.

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