Krise auf dem Hypothekenmarkt:US-Regierung greift durch

Horrorszenario für den freien Markt: Die angeschlagenen US-Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac kommen unter staatliche Kontrolle. Ihre Chefs treten ab.

Nikolaus Piper

Der Vorsitzende des Bankenausschusses im US-Repräsentantenhaus, Barney Frank, bestätigte Medienberichte, die am Freitag, unmittelbar nach Börsenschluss an der Wall Street bekannt geworden waren. In New York wurde damit gerechnet, dass Finanzminister Paulson Details seines Planes noch vor der Öffnung der asiatischen Finanzmärkte am Montag veröffentlichen würde. Mit ihrem drastischen Schritt übernimmt die Regierung die Verantwortung dafür, dass der Immobilienmarkt der Vereinigten Staaten nicht zusammenbricht.

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(Foto: Foto: AFP)

Paulson hat sich offensichtlich zum Einschreiten entschlossen, aus Sorge um die Kapitalbasis. Spezialisten der Investmentbank Morgan Stanley hatten herausgefunden, dass Freddie Mac, und in kleinerem Umfang auch Fannie Mae, durch Buchführungstricks ihre Reserven künstlich aufgebläht hatten. Abschreibungen auf notleidende Kredite seien in die Zukunft verschoben worden. Bei Paulsons Entscheidung dürfte aber auch der Terminkalender eine Rolle gespielt haben: Die Wahlparteitage von Demokraten und Republikanern sind vorüber, der Kongress ist aber noch nicht aus den Sommerferien zurückgekehrt.

Fannie Mae und Freddie Mac garantieren Hypotheken für 5,2 Billionen Dollar, das entspricht etwa der Hälfte aller Darlehen für Privathäuser. Beide Institute sind private Aktiengesellschaften, ihr Geschäft ist aber streng reguliert. Diese Regulierung wurde allgemein wie eine Staatsgarantie aufgefasst, weshalb sich Fannie und Freddie zu sehr günstigen Konditionen refinanzieren konnten. Ursprünglich wollte Präsident George Bush die Rolle der beiden noch stärken, um die Hypothekenkrise zu überwinden. Tatsächlich stecken sie nun selbst in der Existenzkrise.

Im Laufe eines Jahres häuften Fannie und Freddie Verluste von 14,9 Milliarden Dollar an. Die Aktie von Freddie hat seit Ende Juni 66 Prozent des Wertes verloren, die von Fannie 69 Prozent. Am Freitag brachen die Kurse im nachbörslichen Handel nochmals um 27 und 32 Prozent ein. Besonders besorgt war das Finanzministerium, weil die Institute immer höhere Zinsen zahlen mussten, wenn sie sich verschulden. Das bedeutet, dass das Vertrauen in die implizite Staatsgarantie hinter Fannie und Freddie schwindet. Ein Zusammenbruch dieses Vertrauens hätte unabsehbare Folgen. Die Hypothekenzinsen würden in den USA in die Höhe schnellen, und die Reputation Washingtons würde gefährlich beschädigt. Ein beträchtlicher Anteil von Fannie- und Freddie-Anleihen liegt bei Privatanlegern und Zentralbanken in Asien.

Verlierer ist derSteuerzahler

Nach den Plänen werden die Chefs von Fannie, Daniel Mudd, und Freddie, Richard Syron, aus ihren Ämtern scheiden. Die Verantwortung übernimmt James Lockhart, Direktor der Regulierungsbehörde FHFA. Das Kerngeschäft der Institute soll weitergeführt werden. Die Kapitallücke wird die Regierung vermutlich schließen, indem sie in regelmäßigen Abständen neu emittierte Wandelanleihen und Optionsscheine erwirbt. So wird das bestehende Aktienkapital nach und nach verwässert. Was die Sanierung die Steuerzahler kosten wird, ist noch völlig offen. "Das hängt davon ab, wie weit die Hauspreise noch fallen," sagte Joshua Rosner, Direktor der Finanzfirma Graham Fisher, in New York. Er selbst hält einen weiteren Rückgang um 10 bis 15 Prozent für unvermeidlich.

Hinter Paulsons Plänen steht auch der Präsident der Notenbank Federal Reserve, Ben Bernanke. Zusätzlich weihte der Minister die beiden Präsidentschaftsbewerber Barack Obama und John McCain ein. Beide unterstützten im Prinzip den Rettungsplan. Obama verlangte allerdings, dass mit dem Geld der Steuerzahler nicht Aktionäre gerettet werden. Die Kandidatin der Republikaner für das Amt des Vizepräsidenten, Sarah Palin, kündigte für den Fall eines Wahlsieges eine umfassende Reform von Fannie und Freddie an.

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