Krise an den Finanzmärkten:"Die goldene Ära ist vorbei - und das ist gut so"

David Rubenstein, Chef des Finanzinvestors Carlyle, über die Zukunft der Firmenkäufer, seine Börsenpläne und mögliche Nachfolger.

Martin Hesse

David Rubenstein erwartet, dass die großen Beteiligungsfirmen gestärkt aus der Krise an den Finanzmärkten hervorgehen. "Wir waren nicht scharf auf die Korrektur, aber sie wird uns gut tun", sagte der Chef des Finanzinvestors Carlyle im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Die Turbulenzen könnten jedoch in der Branche der Firmenkäufer zu gravierenden Veränderungen führen.

David Rubenstein

David Rubenstein: "Ich glaube nicht, dass es eine Blase gab."

(Foto: Foto: Reuters)

SZ: Herr Rubenstein, platzt in der Beteiligungsbranche eine Spekulationsblase?

Rubenstein: Wir blicken auf ein goldenes Zeitalter zurück. Aber ich glaube nicht, dass es eine Blase gab. Das würde bedeuten, dass Beteiligungsgesellschaften wertlose Firmen gekauft hätten, was nicht der Fall ist. In den vergangenen ein bis zwei Jahren haben Beteiligungsfirmen etwa zehn bis 15 Prozent höhere Preise gezahlt, als ihnen lieb war, weil der Wettbewerb es erforderte und weil sie es finanzieren konnten.

SZ: Werden Ihre Gewinne sinken?

Rubenstein: Vielleicht werden die Investoren bei diesen Übernahmen etwas geringere Renditen als in den Jahren zuvor erzielen. Sie bekommen vielleicht 20 oder 22 Prozent statt 25 Prozent. Verglichen mit allem, was Sie sonst legal mit Geld anstellen können, wird Private Equity weiter sehr attraktiv sein.

SZ: Wenn Carlyle morgen eine Zehn-Milliarden-Dollar-Übernahme plante, würden Sie die von den Banken finanziert bekommen?

Rubenstein: Nein. Niemand würde das. Die Banken haben noch nicht verarbeitet, was in den vergangenen Wochen passiert ist. Sie arbeiten jetzt Kredite für die Finanzierung von Übernahmen im Wert von etwa 300 Milliarden Dollar ab, weil sich die Lage verschlechtert hat, ehe sie die Schulden bei Investoren platzieren konnten. Das wird ein paar Monate dauern. Aber möglicherweise werden in der nächsten Zeit Übernahmen von neuen Kapitalgebern finanziert. Beispielsweise von Staatsfonds aus Abu Dhabi, Kuwait oder Singapur.

SZ: Aber Staatsfonds würden doch nicht Kredite, sondern Eigenkapital bereitstellen?

Rubenstein: Warum nicht?

SZ: Es sind keine Banken.

Rubenstein: Das müssen sie auch nicht sein. Wenn man Geld hat, kann man auch Schuldenfinanzierung bereitstellen. Ich glaube daran, dass neue Investoren daraus Kapital schlagen, wenn es - wie jetzt - Marktineffizienzen oder Unsicherheit gibt.

SZ: Sie erwarten also keine längere Durststrecke der Beteiligungsbranche?

Rubenstein: Nein, die Beteiligungsbranche hat 25 Jahre bewiesen, dass sie ein gut funktionierendes Geschäftsmodell hat. Ist die goldene Ära im Moment vorbei? Ja, und das ist gut so. Denn jetzt können wir zu niedrigeren Preisen kaufen. Wir waren nicht scharf auf die Korrektur, aber sie wird uns guttun.

SZ: Haben Sie in den vergangenen Jahren zu hohe Preise gezahlt und den Unternehmen zu hohe Schulden aufgebürdet?

Rubenstein: Die Schuldenfinanzierung ist nicht so ausgeprägt wie in den achtziger Jahren. Damals zahlten wir fünf oder zehn Prozent mit eigenem Kapital, den Rest mit Schulden. Heute liegt der Durchschnitt bei 30 bis 32 Prozent Eigenkapital. Die Zinsen sind niedriger und die Kreditauflagen sind weniger streng.

SZ: Hat Carlyle Übernahmen angekündigt, die noch nicht abgeschlossen sind?

Rubenstein: Ja. Einige haben wir mittlerweile abgeschlossen, an anderen arbeiten wir noch.

SZ: Werden Sie den Banken dabei entgegenkommen?

Rubenstein: In all diesen Fällen sind die Banken juristisch verpflichtet, die Finanzierung zu stellen. Aber wir wollen ein langfristiger Partner für die Banken sein und haben kein Interesse daran, dass sie über Gebühr leiden. Insofern werden wir dafür sorgen, dass sie zufrieden sind und dazu beitragen, die Transaktionen erfolgreich abzuschließen.

"Die goldene Ära ist vorbei - und das ist gut so"

SZ: Rechnen Sie wegen der Kreditkrise mit mehr Pleiten von Unternehmen im Besitz der Beteiligungsbranche?

Rubenstein: Man darf nicht vergessen, dass Firmen zuletzt zu für sie sehr günstigen Finanzierungsbedingungen übernommen wurden. Pleiten sind dadurch unwahrscheinlicher. Außerdem ist die Weltwirtschaft noch immer sehr stark.

SZ: Wird es eine Konsolidierung der Beteiligungsbranche geben?

Rubenstein: Ja. In den siebziger Jahren gab es in den USA und Westeuropa 200 bis 300 Investmentbanken. Heute gibt es vielleicht sechs bis acht globale Spieler, wie Morgan Stanley und Goldman Sachs. Etwas Ähnliches werden wir in der Private-Equity-Welt sehen. Die großen Spieler werden wahrscheinlich einige der Nischen-Anbieter übernehmen.

SZ: Überleben nur die Größten?

Rubenstein: Nein, auch einige der Großen werden einmal schlechte Zeiten haben und durch andere Große abgelöst werden. Wenn Sie vor zehn Jahren gefragt hätten, wer die führenden Beteiligungsgesellschaften sind, hätten Sie andere Antworten bekommen als heute. Aber es wird eine Aufspaltung in acht bis zehn große und eine größere Zahl kleiner Beteiligungsfirmen geben, die eine andere Art von Geschäft betreiben.

SZ: Was braucht eine Beteiligungsfirma, um zu den führenden zu gehören?

Rubenstein: Man muss wirklich global aufgestellt und in der Lage sein, die smartesten Manager zu gewinnen. Es kommt auch darauf an, die Investorenbasis kontinuierlich zu verbreitern und schnell viel Geld aufbringen zu können. Sie müssen außerdem Nachfolger für die Gründergeneration finden.

SZ: Ist Carlyle darauf vorbereitet?

Rubenstein: Wir sind globaler als alle anderen, haben mehr Investmentprofis und mehr Geld für Übernahmen als die meisten anderen.

SZ: Was ist mit der Nachfolgefrage?

Rubenstein: Jeder neigt dazu zu glauben, er sei unersetzlich. Aber manchmal stellt sich heraus, dass die Nachfolger besser sind als die Gründer. Ich bin heute 58. Früher habe ich geglaubt, mit 58 sei ich reif für das Pflegeheim. In den nächsten fünf Jahren werden wir jüngere Leute in die Spitze des Unternehmens bringen, auf vielen Ebenen haben wir das schon getan. Ich glaube, wir werden einen nahtlosen Übergang hinbekommen.

SZ: Will Carlyle noch an die Börse?

Rubenstein: Wir sehen uns das regelmäßig an und stellen fest, wir sind noch nicht bereit. Carlyle hat 20 Jahre erfolgreich gearbeitet und ist eine der größten Private-Equity-Firmen geworden, ohne börsennotiert zu sein. Aber wenn all unsere Wettbewerber an die Börse gehen und es dadurch für uns schwieriger wird, die besten Leute anzuheuern und die besten Finanzierungsbedingungen zu bekommen, dann müssen wir das auch prüfen.

SZ: Wie attraktiv sind deutsche Firmen für Carlyle?

Rubenstein: Deutschland ist eines der besten Länder für Private-Equity-Anlagen. Jede Investition in Deutschland war für uns profitabel. Carlyle wird hier weiterhin aggressiv investieren. Aber wir waren immer sehr darauf bedacht, die deutsche Unternehmenskultur zu achten. Wir beschäftigen hier zum Beispiel in den deutschen Büros nur deutsche Manager, keine Yankees.

SZ: Und Dax-Konzerne sind auch auf Ihrem Radarschirm?

Rubenstein: Ich werde nicht darüber sprechen, was auf unserem Schirm ist. Aber heute wäre es schwierig, die Übernahme der meisten Dax-Konzerne zu finanzieren. Man darf auch nicht vergessen, dass Beteiligungsgesellschaften in 95 Prozent der Fälle private Firmen kaufen und sie außerhalb der Börse führen.

SZ: Wird der öffentliche Druck, den Finanzinvestoren zuletzt zu spüren bekamen, noch zunehmen, weil die Leute in der aktuellen Krise mit zunehmenden Problemen rechnen?

Rubenstein: Die Deutschen waren wie andere Länder zunächst besorgt über die Aktivitäten von Finanzinvestoren. Nach meinem Eindruck erkennt aber die Bundesregierung zunehmend an, dass Private Equity Wert schafft. Ich denke, wir verdienen ein bisschen Vertrauen. Auch Private Equity hat zum Aufschwung der deutschen Wirtschaft beigetragen.

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